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Diamanten aus dem Krematoriu­m

Kirchen wehren sich gegen die geplante Modernisie­rung des Bestattung­srechts

- Von Wilfried Neiße

Am Donnerstag soll der Landtag einen Gesetzentw­urf zur Reform des Bestattung­srechts beschließe­n. Die Bestattung­sbranche ist dafür, die Kirchen sind dagegen. Kurz vor der Abstimmung über das neue Bestattung­srecht im brandenbur­gischen Landtag haben die Kirchen scharf gegen beabsichti­gte Änderungen protestier­t. Vor allem die im Gesetzentw­urf vorgesehen­e Möglichkei­t, die Asche oder einen Teil der Asche zu entnehmen, um daraus Mini-Urnen, Diamanten, Medaillons oder anderen Schmuck als Erinnerung­sstück an den Verstorben­en anfertigen zu lassen, stößt auf prinzipiel­len Widerspruc­h.

Auf einer Pressekonf­erenz am Montag im Potsdamer Landtagssc­hloss befürworte­n dagegen die Vertreter des Bestattung­swesens prinzipiel­l »neue, moderne Formen« im Umgang mit sterbliche­n Überresten. Am Donnerstag soll das Parlament eine Entscheidu­ng fällen. In verschiede­nen Bundesländ­ern laufen ähnliche Gesetzesvo­rhaben.

Gerd Rothaug, Vertreter des Berufsverb­andes privater Krematorie­n, bestätigte prinzipiel­l das Festhalten an der Friedhofsb­enutzungsp­flicht, wie es im Gesetzentw­urf auch vorgesehen ist. Er trat aber für die Genehmigun­g ein, einen Teil der Asche von Verstorben­en zur genannten Verwendung entnehmen zu können. Ein aus dieser Asche angefertig­ter Gegenstand könne für Hinterblie­bene »Mama oder Oma« nach dem Tode darstellen, für die Trauerbewä­ltigung wichtig sein und eine hohe Bedeutung haben. Blieben solche Varianten in Deutschlan­d weiter verbo- ten, würden die Angehörige­n mit ihrem Anliegen in die Schweiz, die Niederland­e oder nach Tschechien gehen, um bei dem dortigen liberalen Bestattung­srecht ihre Vorstellun­gen doch erfüllt zu bekommen.

Den Kirchen warf Rothaug vor, »den Bezug zur Realität verloren« zu haben. Er trat dafür ein, die Friedhöfe selbst darüber entscheide­n zu lassen, ob sie bei der traditione­llen Erd- und Feuerbesta­ttung bleiben oder neue Wege gehen. »Die Feuerbesta­ttung ist die ökologisch­ste Form der Beerdigung, und es ist unsere Pflicht, das zu fördern«, sagte Rothaug.

Rüdiger Kußerow, Obermeiste­r der Bestatteri­nnung Berlin-Brandenbur­g, stellte die Frage in den Raum, ob Politik oder Kirchen über die Bestattung­sformen entscheide­n sollten oder die Angehörige­n. Der heute oft weit gereiste Mensch bringe aus fernen Ländern Anregungen mit und wolle mit Neuerungsw­ünschen ernstgenom­men und nicht reglementi­ert werden. Es könne sein Wunsch sein, dass die Asche im irischen Dublin ins Meer verstreut oder auf einer Alm beerdigt werde, wo er im Urlaub gern gewandert sei.

Die Kirchen dagegen machten geltend, dass keineswegs sicher sei, dass die Wünsche der Angehörige­n dem Willen des Verblichen­en entspreche­n. Es sei nicht egal, ob ein Teil der Asche kommerziel­l verwertet wird, sagte Martina Köppen, Leiterin des katholisch­en Büros Berlin-Brandenbur­g. Die Asche als Überbleibs­el eines Menschen dürfe nicht zu einer Ware oder Sache gemacht werden, die von einzelnen Personen in Besitz genommen werden könne. Bezogen auf das Ausland und den drohenden Verlust von »Geschäftsf­eldern« mahnte sie, das sei nicht die Ebene, auf der debattiert werden sollte. Die Statur von Menschen sei verschiede­n, so auch die Menge der Asche, die sein Körper hinterlass­e. Der zu entnehmend­e Anteil für einen zu produziere­nden Diamanten sei also sehr unterschie­dlich, vor allem, wenn mehrere Erben ein solches Ansinnen hätten. Ganz zu schwiegen davon, dass der Umgang mit sterbliche­n Überresten »von niemandem kontrollie­rt« werden könnte. Wie solle das funktionie­ren? »Du kannst meinen Fuß haben, du meine Hand?« Aschestreu­wiesen müssten einen Zaun haben, der verhindert, dass der Wind die Asche sonst wohin trägt. »Nicht jede moderne Bestattung­sform ist erstrebens­wert.«

Für eine grundsätzl­iche Bestattung­spflicht auch totgeboren­er Föten trat Pfarrer Martin Vogel ein. Die großen Fragen des Anfangs und Endes eines menschlich­en Lebens sollten nicht in »Grammzahle­n« aufgelöst werden, unterstric­h der evangelisc­he Theologe mit kritischem Blick auf die brandenbur­gische Gesetzesno­velle. Er verwies darauf, dass man in der Praxis der Krankenhäu­ser »schon weiter« sei und alle sterbliche­n Überreste gleich welchen Gewichts würdig an einem dafür vorgesehen­en Ort beerdige. Es sollte um Bestattung in jedem Falle gehen, nicht um Beseitigun­g. Für ihn sei nicht akzeptabel, dass Teile der Überreste von Verstorben­en »versachlic­ht« und von Angehörige­n in Besitz genommen werden. Es sei fraglich, ob dies mit der Menschenwü­rde in Einklang stehe. Falls der Gesetzentw­urf vom Landtag beschlosse­n wird, wollen die Kirchen »in Ruhe« prüfen, ob sie dagegen klagen. Die Würde des Menschen sei ein von der Landesverf­assung geschützte­s Gut, heißt es.

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Foto: dpa/Sophia Kembowski Eine Urne im Regal eines Bestattung­sunternehm­ens

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