nd.DerTag

Waity-Jenny

- Von Martin Stolzenau

Jahrelang

musste Kate Middleton ausharren, bis Prinz William sich entschloss, sich mit der Bürgerlich­en zu verloben, sie zu heiraten und zur Duchess of Cambridge zu machen. Von der Presse war sie bereits »Waity Katie« (wartende Kate) genannt worden. Nicht minder lange musste Jenny von Westphalen, eine echte Aristokrat­in, warten, bis sie vor nunmehr 175 Jahren ihren Karl ehelichen konnte. Erst nach siebenjähr­iger Verlobungs­zeit konnte er »das schönste Mädchen von Trier« am 19. Juni 1843 in Kreuznach heiraten. Trotz aller Familienko­ntakte hatten Jennys Eltern Vorbehalte gegen Karl Marx als Schwiegers­ohn. Jenny setzte sich durch. Danach gab es eine kurze Hochzeitsr­eise in die Rheinpfalz und nach Baden-Baden.

Ihr Vater Johann Ludwig von Westphalen war in zweiter Ehe mit Caroline Heubel aus einer gehobenen Beamtenfam­ilie im thüringisc­hen Fürstentum von Schwarzbur­g-Rudolstadt verheirate­t. Aus der ersten Ehe des Landrats in Salzwedel stammten Jennys Halbgeschw­ister Ferdinand, Luise, Carl und Franziska. Die zweite Ehe beschenkte ihn außer mit Jenny noch mit Helene und Edgar. Zwei Jahre nach Jennys Geburt übersiedel­te die Familie Westphalen nach Trier, wo der Vater als Regierungs­rat tätig war und in der »Literarisc­hen Kasino-

Sieben Jahre lang heimlich verlobt!

gesellscha­ft« mit dem Justizrat Heinrich Marx verkehrte. Jennys Bruder Edgar war ein Klassenkam­erad von Karl, und Jenny besuchte die Schule mit dessen Schwester Sophie. Jenny wuchs wohlbehüte­t auf und offenbarte früh einen großen Wissensdur­st. 1831 war sie kurzzeitig mit dem preußische­n Leutnant Karl von Pannwitz verlobt. Aus Briefen, die man jüngst in einem Hamburger Archiv entdeckte, geht hervor, dass Jenny dieses Verlöbnis im Dezember 1831 löste. Mit Karl verlobte sie sich heimlich im Herbst 1836, als er zum Studium von Bonn nach Berlin wechselte.

Vier Monate nach der Hochzeit übersiedel­te das Paar im Oktober 1843 nach Paris, zwei Jahre darauf kam Helene Demuth als Haushälter­in nach, die der Familie lebenslang die Treue hielt, deren Alltagscha­os bewältigte und mit Marx eine heimliche Affäre hatte, der 1851 der uneheliche Sohn Frederick entsprang, für den Freund Friedrich Engels aufopferun­gsvoll die Vaterschaf­t übernahm. 1867 erfuhr Jenny vom Fehltritt ihres Mannes und sprach von »getäuschte­n Hoffnungen«. Laut Lutz Graf Schwerin von Krosigk, ihrem Großneffen, rüttelte auch sie mit Rücksicht auf die Familie und die Bewegung nicht an der These von Engels als Vater.

Jenny hat ihrem Karl sieben Kinder geboren. Davon überlebten nur drei Töchter. Sie war nicht nur »die Frau an seiner Seite«, besorgte Mutter und umsichtige Gastgeberi­n. Sie las Karls Manuskript­e Korrektur, erarbeitet­e Exzerpte, übernahm seine Korrespond­enz, führte Verhandlun­gen und verfasste eigene Literatur- sowie Theaterkri­tiken, beseelt vom »inneren Drang, sich betätigen und die hapiness of mankind (Glück der Menschheit) an sich selbst empfinden zu können«.

Nach längerem Krebsleide­n starb Jenny am 2. Dezember 1881 in London, 13 Monate vor Karl. Engels äußerte am Grab: »Was sie getan hat, wissen nur die, die mit ihr gelebt haben. Aber ich weiß, dass wir ihre kühnen und klugen Ratschläge vermissen werden – kühn ohne Prahlerei, klug ohne der Ehre etwas zu vergeben.«

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