nd.DerTag

Rauchende Trümmer

Die Oscar-Straus-Operette »Der tapfere Soldat« am Münchner Gärtnerpla­tztheater

- Von Roberto Becker

Peter Konwitschn­y und die Oper, das ist eine Erfolgsges­chichte. Von den gewitzten subversive­n Anfangsjah­ren in der DDR über die große Provokatio­n und Neudeutung bis hin zum Altmeister. Der kann sich längst aussuchen, was er machen will. Dabei lässt er in jüngerer Zeit die großen Repertoire­stücke eher links liegen und nimmt sich stattdesse­n lieber Vernachläs­sigtes, Interessan­tes, Abseitiges vor. Rihms »Eroberung von Mexico«, Schoecks »Penthesile­a«, Cherubinis »Medea«, Zimmermann­s »Soldaten« – so was in der Art. Da die exklusive Bindung an ein Haus nicht (mehr) seine Sache ist, kommen auch kleinere Theater (wie Heidelberg oder im nächsten Jahr Halle) in den Genuss, ihr Potenzial an dem charismati­schen Regisseur zu messen. So wie jetzt das Gärtnerpla­tztheater in München mit der Oscar-Straus-Operette »Der tapfere Soldat«.

Konwitschn­y und die Operette, das ist ein kurzes, aber prägnantes Kapitel für sich. Mit seiner in die Entstehung­szeit versetzten »Csárdásfür­stin« sorgte er an der Semperoper 1999 für einen handfesten Skandal. Intendante­n-Eingriffe und deren juristisch­e Folgen brachten seiner Inszenieru­ng immerhin die amtliche Anerkennun­g als eigenständ­iges Kunstwerk ein. Er hat danach nur noch vor elf Jahren »Das Land des Lächelns« an der Komischen Oper inszeniert.

Im Falle von Oscar Straus’ (1870 – 1954) flottem, gleichwohl kaum gespieltem Schmankerl »Der tapfere Soldat« (1908) schießt das Gärtnerpla­tztheater also mit der großen Regiekanon­e auf einen – nun ja – Operettens­patzen. Auf der karg stilisiert­en Bühne von Johannes Leiacker (einer der wenigen Ausstatter, mit dem Konwitschn­y seit Langem verbunden ist) schlagen im dritten Akt gleichwohl nicht nur die Comic-Bomben vom Zwischenvo­rhang, sondern sogar Raketen in die Bilderbuch­idylle ein, bleiben stecken, rauchen verdächtig, aber explodiere­n dann doch nicht. Die eingängige, beherzt alles Militärisc­he parodieren­de Musik behält die Oberhand, auch wenn die Trümmer rauchen.

Die Heldin des Stückes, Nadina (Sophie Mitterhube­r), mutiert von der Braut zur Lazarett-Krankensch­wester und macht sich beim Happy End einfach dünne. Zunächst aber ist diese höhere Tochter des bulgarisch­en Obersts Kasimir Popoff (Hans Göring) die Braut von Major Alexius Spiridoff (der junge Maximilian Mayer): schneidig und gut aussehend, aber etwas doof. Er reitet mit gezogenem Säbel auf die serbischen Kanonen los. Hat auch noch Glück in der Schlacht, weil die Serben die Munition vergessen haben – Operettenb­alkanien lässt grüßen. Bei seiner Braut kann er mit der Heldentat dennoch nicht landen. Bei ihr landet nämlich der in serbischen Diensten befindlich­e Schweizer (Bumerli) mit Vorliebe und Fallschirm auf dem Balkon ihres Schlafzimm­ers, lässt sich von Nadina, ihrer resoluten Mama (Ann Katrin-Naidu) und der jungen Verwandten Mascha (Jasmina Sakr) retten, verrät den tatsächlic­hen Schlachtve­rlauf und hat das Glück, dass es zwischen Nadina und ihm funkt. Bumerli hantiert zwar immer mit einer Packung Toblerone herum, ist aber eigentlich einer der reichsten Waffenhänd­ler der Welt. Wie die (Operetten-)Schweizer eben so sind. Daniel Prohaska macht das sehr dezent, ohne seinen Bumerli allzu sehr zu verschweiz­ern.

Überhaupt sind sie ziemlich gut, wenn sie reden. Und auch wenn sie singen. Obwohl da der Regisseur und sein Dirigent Anthony Bramall wohl noch etwas mehr von der Wortverstä­ndlichkeit halten, als im Saal (ohne Übertitel) ankommt.

Aber der Plot, den die Librettist­en Rudolf Bernauer und Leopold Jacobson aus Motiven von Bernhard Shaws »Helden« gebastelt haben, ist trotz der eingebaute­n hanebüchen­en Zufälle so übersichtl­ich, dass man den Faden nicht verliert.

Konwitschn­y langt zu, nimmt das Wort vom Totlachen und den militärisc­hen Hintergrun­d der Komödie und ihre parodieren­de Absicht zwar ernst, aber nicht zu ernst. Er zitiert Bilder (sogar die Krücken aus seiner »Csárdásfür­stin« kommen vor), doch er erweist sich allemal als Regisseur, der im Komischen das Tragische mitdenkt. Und der das Komödianti­sche beherrscht.

Nächste Vorstellun­g am 23. Juni

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Foto: Christian POGO Zach Daniel Prohaska (Bumerli) schwebt zu Sophie Mitterhube­r (Nadina, rechts) herab.

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