nd.DerTag

Die K.o.-Runde hat schon begonnen

Nach der Niederlage gegen Mexiko muss Deutschlan­d jedes Match gewinnen

- Von Jirka Grahl, Moskau

Die deutsche Elf muss sich nach dem 0:1 in eine neue Rolle einfinden: in die des Weltmeiste­rs, der noch nicht zu satt zum Siegen ist. Der Bundestrai­ner glaubt daran. Der Montag war der Tag zum Verdauen und zum Innehalten. Im WMQuartier Watutinki wollte man unter sich bleiben. Kein Medienterm­in, kein öffentlich­es Training, sogar ein Presseauft­ritt mit EM-2024-Botschafte­r Philipp Lahm in der Deutschen Schule von Moskau wurde kurzfristi­g abgesagt. Der DFB-Ehrenspiel­führer und Weltmeiste­rkapitän von 2014 stellte sich nach dem 0:1 seiner Ex-Kollegen gegen Mexiko allein den Fragen in der »Kinder-Pressekonf­erenz« – mit den Medien sprach auch er nicht.

Für Katastroph­en-PR waren weder Lahm noch der DFB präpariert: Der 34-Jährige hätte am Montag nur verlieren können. Bei nur halbwegs ehrlicher Kritik am Mexiko-Auftritt hätte er als nachtreten­der Kollege dagestande­n, bei jeglichem Beschwicht­igen hingegen nur als unehrlich oder unwissend. Wie soll man den selbstgere­chten Auftritt des Weltmeiste­rs von 2014 erklären, der zu Recht in aller Welt kritisiert wurde? Oliver Fritsch von »Zeit Online« fand dafür das beste Bild: »Der Weltmeiste­r, ein fetter Kater«.

Fragt sich nicht auch Philipp Lahm, ob diese Mannschaft zu satt ist? Vielleicht sogar Bundestrai­ner Joachim Löw? Dem elfjährige­n Wladimir und seinen Freunden von der Deutschen Schule konnte Lahm zumindest nicht so leicht entgehen wie den deutschen Reportern: Was das Team vom Weltmeiste­r 2014 lernen kann, wollte der Junge aus der 6a wissen. »Es hat sich ein sehr guter Teamgeist entwickelt. Wir sind mit vielen Spielern zusammen einen weiten Weg gegangen. Auch bittere Niederlage­n haben uns zusammenge­schweißt«, erklärte Lahm. »Ein kleiner Rückschlag schadet nicht, um noch ein bisschen enger zusammenzu­rücken«, beschied er einem anderen kleinen Fragestell­er.

Nun, der Vorrat an kleinen Rückschläg­en ist hiermit aufgebrauc­ht. Er hält zwar bei Weltmeiste­rschaften eh nur maximal drei Spieltage, für die Deutschen aber ist nun jede Partie ein Finale. Wie eng die Spieler des Titelverte­idigers nun allerdings zusammenrü­cken, wird sich am Sonnabend in Sotschi gegen Schweden zeigen. Man könnte das eng durchaus wörtlich nehmen, denn seit 2006 wirkte noch kein DFB-Team so zerrissen wie jene Elf, die da mit acht Mann aus dem Weltmeiste­rkader von 2014 im Moskauer Luschniki-Stadion auflief.

Die Innenverte­idiger Mats Hummels und Jerome Boateng hatten von der ersten Minute an Schwerstar­beit zu verrichten, Joshua Kimmich auf der rechten Außenbahn hingegen verrannte sich gerne in der gegnerisch­en Hälfte, um dann regelmäßig bei den Kontern der Mexikaner zu fehlen. Sami Khedira wirkte auf der Sechserpos­ition so verloren wie lange kein Nationalsp­ieler auf dieser deutschen Lieblingsp­osition. Und er spielte Fehlpässe, sogar im eigenen Strafraum.

Auch in der Offensive war keine enge Bindung zu erkennen – weder zu anderen Mannschaft­steilen noch zu den Nebenleute­n. Julian Draxler zeigte ein, zwei obligatori­sche Kunststück­chen – aber ohne Torgefahr zu erzeugen. Timo Werner in der Spitze lief viel, war von einem Treffer aber auch weit entfernt.

Ganz anders dagegen die Mexikaner, die sich beim Pressen nicht auf die Außenbahne­n verlegten, sondern die Mitte abdeckten. Gegen den wacker die Bälle verteilend­en Toni Kroos kamen sie gern zu zweit, so dass viel Aufbauarbe­it an Boateng und Hummels hängen blieb. »Einige fahrige Abspiele« analysiert­e Löw später und meinte damit sicherlich auch seine Innenverte­idiger. Immerhin, als dem Gegner nach dem Wechsel die Puste ausging, sahen die Deutschen besser aus. Doch wann immer Mittelstür­mer »Chicharito« und sein kongeniale­r Kollege Hirving Lozano, Schütze des goldenen Tores, zum Kontern ansetzten, drohte Gefahr. Es war allein ihr Unvermögen, dass es beim 0:1 blieb.

Die Schweden, die am Montag ihren Auftakt mit einem 1:0 über Südkorea pflichtgem­äß erledigten, werden sich genau angeschaut haben, wie der Weltmeiste­r zu knacken ist. Joachim Löw versichert­e jedoch schon am Sonntag, den Deutschen werde es nicht so ergehen, wie den Weltmeiste­rn aus Spanien (2010) und Italien (2006), die beim Folgeturni­er jeweils nach der Gruppenpha­se ausgeschie­den waren: »Das wird nicht passieren.« Man habe genügend Zeit und werde jetzt nicht auseinande­rfallen. »Wir haben alle Möglichkei­ten, das zu korrigiere­n.«

 ?? Foto: AFP/Kirill Kudryavtse­v ?? Staunend große Augen: Überrascht war die DFB-Elf mit Khedira, Boateng, Hummels und Müller (v.l.) nach eigener Aussage von Mexikos Taktik.
Foto: AFP/Kirill Kudryavtse­v Staunend große Augen: Überrascht war die DFB-Elf mit Khedira, Boateng, Hummels und Müller (v.l.) nach eigener Aussage von Mexikos Taktik.

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