Hoch subventioniert und niedrig rentabel
Bau, Betrieb und Folgekosten von Atomkraftwerken werden massiv staatlich subventioniert – ansonsten wäre der produzierte Strom für Abnehmer unbezahlbar
Ohne massive staatliche Förderung wäre die Atomkraftnutzung nicht konkurrenzfähig. Das gilt für Deutschland und auch für Länder, die diese Hochrisikotechnologie noch weiterbetreiben wollen.
Der European Pressurized Reactor (EPR) war in den 1990er Jahren das große Heilsversprechen der Atomlobby in Europa. Der Druckwasserreaktor neuen Typs werde nicht nur »inhärent sicher« sein, wurde seinerzeit verkündet, sondern auch wirtschaftlich günstig Energie erzeugen. Tatsächlich hat sich der EPR als technisches und finanzielles Desaster erwiesen. Bei allen seither in Angriff genommenen Pilotprojekten in Großbritannien, Frankreich und Finnland gibt es enorme zeitliche Verzögerungen, explodierende Baukosten und massive technische Probleme.
Jahre nach der geplanten Inbetriebnahme hat noch keiner der EPR auch nur eine Kilowattstunde Strom produziert. Das finnische AKW Olkiluoto liegt schon zwölf Jahre hinter dem geplanten Beginn der Energieproduktion. Im nordwestfranzösischen Flamanville rückte der Termin für die Inbetriebnahme von 2012 auf 2020. Beim britischen Atomkraftwerk Hinkley Point C verschob sich der Starttermin zuletzt auf 2027. Die ursprünglichen Baukosten haben sich von je drei auf rund 10,5 Milliarden Euro bei Flamanville bzw. auf 8,5 Milliarden bei Olkiluoto vervielfacht.
Die Atomindustrie kann diese Ausgaben schon längst nicht mehr stemmen. Der französische Konzern Areva – kürzlich in Orano umbenannt –, der den EPR entwickelt hat, sitzt auf Schulden in Höhe von zehn Milliarden Euro; der Staat musste dem Unternehmen kürzlich mit 4,5 Milliarden Euro aus der Klemme helfen. Die staatlich kontrollierte französische Energiegesellschaft EDF, die seit Jahrzehnten auf Atomstrom setzt, soll bei den Banken sogar mit mehr als 60 Milliarden Euro in der Kreide stehen.
Schon in der Vergangenheit konnte die Nukleargemeinde das Märchen vom billigen Atomstrom nur verbreiten, weil ihre Kosten mit Hilfe von Subventionen künstlich niedrig gehalten wurden. Das betrifft bis heute die ganze Bandbreite öffentlicher Unterstützung: Staat und Steuerzahler übernahmen weitgehend die Kosten für die Atomforschung und die Entwicklung der Reaktoren. Sie leisteten direkte Zuschüsse, gewährten indirekte Vergünstigungen beim Bau und Betrieb der Meiler und kommen auch für einen großen Teil der kaum absehbaren Folgekosten auf.
In der Bundesrepublik Deutschland war bereits bei Beginn der »zivilen Atomkraftnutzung« Ende der 1950er Jahre klar, dass die Industrie die AKW nicht alleine würde finanzieren können. Die zunächst informell vereinbarte Aufteilung der Ausgaben – ein Drittel trug die Wirtschaft, zwei Drittel der Staat – konnte bei den ersten Kernkraftwerken noch eingehalten werden. Bei der Planung und dem Bau der als »fortgeschritten« gepriesenen Reaktortypen Schneller Brüter und ThoriumHochtemperaturreaktor (THTR) übernahm der Bund bereits neun Zehntel der Investitionen und des Betriebsrisikos. Beide Projekte verschlangen Milliarden. Der Brüter in Kalkar ging bekanntlich nie ans Netz, der THTR in Hamm wurde nach wenigen Monaten und vielen Pannen stillgelegt.
Zwar liegt eine vollständige Übersicht über das Ausmaß der staatlichen Atomkraftförderung in Deutschland bis heute nicht vor. Einige Zahlen verdeutlichen aber deren Ausmaß. So bezifferte ein Be- richt des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung vom Mai 2007 die realen Ausgaben des Bundes für Atomenergie im Zeitraum von 1956 bis 2007 auf rund 50 Milliarden Euro.
Nach einer im Jahr 2010 veröffentlichten Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag von Greenpeace ist die Atomkraft in Deutschland von 1950 bis 2010 sogar insgesamt mit etwa 204 Milliarden Euro subventioniert worden. In der Summe sind Steuervergünstigungen, die Stilllegungen von Meilern, die Forschung inklusive der über Kernfusion, die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen wie Euratom sowie die Sanierung der Uranbergbauanlagen in der ehemaligen DDR enthalten. Auch die auf zehn Milliarden Euro taxierte Sanierung des maroden Atommülllagers Asse in Niedersachsen, in das zwischen 1967 und 1978 rund 126 000 Fässer mit radioaktiven Abfällen vor allem aus Atomkraftwerken gekippt wurden, berücksichtigte das FÖS in seiner Kalkulation.
In einer späteren Untersuchung errechnete das Forum, dass Atomund Kohlestrom allein im Jahr 2012 in Deutschland mit 40 Milliarden Euro subventioniert wurden, die erneuerbaren Energien dagegen nur mit 17 Milliarden Euro. Wörtlich hieß es darin: »Im Ergebnis trägt die Gesellschaft im Jahr 2012 bei einer Kilowattstunde Windstrom ungerechnet Kosten von 8,1 Cent und bei Wasserstrom 7,6 Cent. Die Gesamtkosten für Strom aus Braun- und Steinkohlekraftwerken summieren sich hingegen auf 15,6 bzw. 14,8 Cent und für Atomenergie sogar auf mindestens 16,4 Cent je Kilowattstunde. Die Kosten für Erdgasstrom liegen bei 9,0 Cent.« Atomkraft wurde von allen Energieträgern also am höchsten subventioniert.