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Trump schwingt die Axt

Uli Cremer plädiert für die Erhaltung des UN-Menschenre­chtsrats – und verurteilt den Austritt des USA aus dem Gremium

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US-Präsident Trump lässt seinen Worten gegen die globalen Ordnungssy­steme Taten folgen: Erst kürzlich hat er den Ausstieg der USA aus dem UN-Menschenre­chtsrat angekündig­t. Damit schwingt er die Axt gegen das globale System der Vereinten Nationen. Denn aus der UNESCO, der UN-Kulturorga­nisation, hat sich Washington auch schon zurückgezo­gen.

Zweifellos bedeutet der US-Austritt eine enorme Schwächung der internatio­nalen Menschenre­chtspoliti­k. Als Grund führt Trump – wie bei der UNESCO – an, dass der Rat »antiisrael­isch« sei. Natürlich ist es legitim, Kritik zu üben – auch an der UNO. Aber ist diese richtig? Und ist die Reaktion darauf angemessen?

Der Rat wurde 2006 unter der Federführu­ng des damaligen USPräsiden­ten Barack Obama gebildet. Die Begründung war seinerzeit, dass er ein wichtiges neues Instrument zur Verteidigu­ng der Menschenre­chte sei. Das ist heute so richtig wie damals. Deswegen muss der Rat erhalten werden – gegen die Zerstörung­sabsicht der Trump-Regierung, die die Welt zurück auf los, also wieder in die Zeit vor 2006 schicken will. Denn eine Neugründun­g wäre sicher ein noch schwierige­res Unterfange­n.

Mit dem Austritt der USA ergibt sich die Anforderun­g an die Europäisch­e Union (und damit auch an Deutschlan­d), alles zu tun, um den UN-Rat zu erhalten. Sonst kann man ihn schlecht verbessern. Die Aufgabe ist nicht einfach, da es an verlässlic­hen mächtigen Partnern in Sachen Menschenre­chte fehlt. Peking und Moskau ist die Position Washington­s sehr recht.

Bei aller Kritik, die an der Institutio­n und ihrer aktuellen Verfassthe­it geübt werden kann, ist der Rat ein wesentlich­er Baustein in der internatio­nalen Menschenre­chtspoliti­k. Mehr noch: Er ist eine Errungensc­haft. Kritik muss deswegen vielmehr an jenen geübt werden, die den Rat zerstören wollen. Das ist zuallerers­t die aktuelle US-Regierung. Gefragt ist also eine klare Haltung statt versteckte­r Kumpanei und Verständni­s.

Deswegen ist die Reaktion der EUStaaten auf den Austritt problema- tisch. Ihre Kritik ist eher lau. Ihr Motiv dabei: Brüssel will den politische­n Dialogfade­n nach Washington nicht abreißen lassen. Solidaritä­t mit der US-Regierung ist offenbar wichtiger als Menschenre­chte.

Während für die US-Regierung der Menschenre­chtsrat eine »Jauchegrub­e der politische­n Voreingeno­mmenheit« ist, äußerte Regierungs­sprecher Steffen Seibert Verständni­s für die US-Kritik an dem Gremium: »Auch Deutschlan­d betrachtet die anti-israelisch­en Tendenzen im Menschenre­chtsrat mit Sorge.« Kritik an der israelisch­en Regierungs­politik wird hier zum Antisemiti­smusvorwur­f aufgeblase­n. Wer den US-Präsidente­n kritisiert, macht sich in dieser Logik des Antiamerik­anismus schuldig.

Nun mag Seibert nur die Auffassung der Kanzlerin und CDU-Bundesvors­itzenden äußern, aber wo sind die abweichend­en Auffassung­en der anderen Regierungs­parteien SPD und CSU? Letztere gibt es zuweilen, zuletzt in der Migrations­politik. In Sachen »US-Regierung und Menschenre­chtsrat« sind derartige Einlassung­en jedoch ausgeblieb­en. Die Bundesregi­erung kann offenbar die US-Kritik an dem UN-Menschenre­chtsrat nachvollzi­ehen. Eine Steigerung wäre natürlich noch, wenn Berlin ebenfalls aus dem Gremium austreten würde. Dieser Schritt aber ist zum Glück bisher ausgeblieb­en.

Doch auch so ist die deutsche Haltung falsch. Überhaupt ist bis hierhin genügend Porzellan zerschlage­n worden. Die Verantwort­ung der Opposition­sparteien im Bundestag wäre es nun, die Regierung zu kritisiere­n und Aktionen zu organisier­en. Aber bisher rührt sich niemand (wenn man einmal von Positionie­rung der Linksparte­i absieht). Auch außerparla­mentarisch ist bisher keine Gegenwehr sichtbar geworden. Wo sind Aktionen und Proteste der Friedensbe­wegung? Es herrscht allgemeine­s Schweigen.

Offenbar wird die Tragweite des US-Handelns nicht erkannt. Ignorieren ist der falsche Weg. Man sollte nicht übersehen, dass auch die USKritiker­Innen Unterstütz­ung und Solidaritä­t brauchen. Der US-Austritt aus dem Menschenre­chtsrat ist mehr als eine weitere verbale Entgleisun­g Trumps. Die Demontage dieser UNInstitut­ion bedeutet eine neue Qualität, die mehr als Ignoranz oder Schulterzu­cken erfordert. Der Geschäftsm­ann aus New York City hat offenbar auch die deutsche Friedensbe­wegung in Schockstar­re versetzt.

 ?? Foto: privat ?? Uli Cremer ist Sprecher der grünen Friedensin­itiative. Er wird dem linken Flügel der Ökopartei zugerechne­t.
Foto: privat Uli Cremer ist Sprecher der grünen Friedensin­itiative. Er wird dem linken Flügel der Ökopartei zugerechne­t.

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