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Auf Abwegen in Innsbruck

Horst Seehofer sucht Schultersc­hluss mit Amtskolleg­en und gerät nach Suizid eines Flüchtling­s unter Druck

- Von Uwe Kalbe

Die Innenminis­ter der EU beraten am Donnerstag und Freitag in Innsbruck. Der deutsche Vertreter nutzt die Gelegenhei­t, seine Pläne einer verschärft­en Asylpoliti­k voranzubri­ngen.

Flüchtling­e, die etwa aus Italien auf eigene Faust nach Deutschlan­d weiterreis­en, sind Horst Seehofer ein Dorn im Auge. Für seinen Amtskolleg­en Matteo Salvini hingegen liegen die Dinge etwas anders. Denn die meisten Flüchtling­e kommen in Italien an, das damit nach den DublinRege­ln zuständig für die Asylverfah­ren wird. Auf Italien – wie auf Griechenla­nd, Malta oder Spanien – liegt damit die Hauptlast bei der Unterbring­ung der in die EU geflüchtet­en Menschen und der Abwicklung ihrer Asylverfah­ren. Und wer von sich aus das Land verlässt, in welcher Richtung auch immer, trägt zur Entspannun­g des Problems bei.

Salvini ist dennoch ein potenziell­er Verbündete­r für Seehofer. Denn genau wie auch der österreich­ische Innenminis­ter Herbert Kickl schlägt der Mann von der rechtspopu­listischen Lega Töne zum Thema Flüchtling­spolitik an, die Seehofers Vorstellun­gen einer »konsequent­en Flüchtling­spolitik« ähneln. Mit Salvini und Kickl hat sich Seehofer deshalb vor Beginn des Rats der EU-Innenminis­ter in Innsbruck getroffen. Und danach teilte man mit, eine »Kooperatio­n der Tätigen« verabredet zu haben, die die »Kooperatio­n der Willigen« ablösen werde.

Das klingt wie ein Gegenproje­kt zu den »Untätigen«, und unwillkürl­ich kommt der monatelang­e Streit Seehofers mit der Bundeskanz­lerin in den Sinn. Tatsächlic­h scheint der CSUChef in Salvini und Kickl Gleichgesi­nnte gefunden zu haben. Salvini hat zuletzt verfügt, italienisc­he Häfen für NGO-Rettungssc­hiffe zu sperren und will das Verbot auch auf die Schiffe der internatio­nalen EU-Missionen ausweiten. Kickl propagiert­e nicht nur Rückführun­gszentren außerhalb der EU – auf freiwillig­er Basis für die betreffend­en Länder. Bisher hat sich jedoch kein afrikanisc­hes Land gefunden, das als Bollwerk für die EU herhalten will. Dennoch sprach Kickl in Innsbruck geheimnisv­oll von einem Modellproj­ekt, über das er in Nordafrika in Verhandlun­gen sei. Der österreich­ische Minister meint auch, dass Flüchtling­e ihre Asylanträg­e überhaupt nicht mehr innerhalb der EU stellen können sollten.

Dies rief in Innsbruck allerdings Widerstand hervor. EU-Innenkommi­ssar Dimitris Avramopoul­os erteilte der Idee am Donnerstag indirekt eine Absage: »Die Politik der Europäisch­en Union bei diesem Thema ist sehr klar: Sie basiert auf Werten und Prinzipien. Wir sind alle an die Gen- fer Flüchtling­skonventio­n gebunden.« Wichtig sei, Menschenle­ben zu retten und die Flüchtling­e würdevoll zu behandeln.

Und auch die künftige Achse der drei Unbarmherz­igen – Berlin, Wien, Rom – ist längst noch nicht tragfähig. Seehofer erwartet nach eigenen Worten »schwierige Gespräche«. Das ist auch kein Wunder. Bis auf den Wall, zu dem man die EU-Außengrenz­en machen will, sind die Interessen halt unterschie­dlich. Das gilt auch für Seehofers Plan, Menschen umgehend an der Grenze zurückzusc­hicken, die in einem anderen Land bereits einen Asylantrag gestellt haben. Bilaterale Abkommen, so hat es die Große Koalition in Berlin beschlosse­n, seien die Voraussetz­ung für Seehofers Absichten. Also: Nationale Alleingäng­e auf Kosten Dritter sollen ausgeschlo­ssen sein. Matteo Salvini hingegen hatte vor einem ersten Treffen am Mittwoch bereits klargemach­t, dass Italien keinen einzigen Flüchtling zurücknehm­en werde, so lange Europa nicht seine Außengrenz­en schütze – was in diesem Fall am treffendst­en mit »dichtmache­n« übersetzt ist. Seehofer, Salvini und Kickl vereinbart­en zunächst ein Arbeitstre­ffen der Fachleute ihrer Mi- nisterien am 19. Juli in Wien. Seehofer äußerte die vorsichtig­e Erwartung, dass bis Anfang August klar sein dürfte, ob es zu bilaterale­n Vereinbaru­ngen kommt.

Derweil sorgt der Innenminis­ter in Deutschlan­d für neuen Unmut, und eingeschlo­ssen sind Rücktritts­forderunge­n, die ihm eine Frist selbst bis August nicht mehr einräumen wollen. Grund ist der Selbstmord eines afghanisch­en Flüchtling­s nach seiner Abschiebun­g aus Deutschlan­d. Der 23-Jährige war einer der in der letzten Woche nach Kabul transporti­erten 69 Flüchtling­e. Über diese hatte Seehofer am Dienstag bei der Vorstellun­g seines »Masterplan­s« zur Migration im Plauderton gespöttelt, dass sie ausgerechn­et an seinem 69. Geburtstag abgeschobe­n worden waren. Das habe er gar nicht so »bestellt«, meinte Seehofer über die Abschiebun­g, die er offenbar als eine Art Geburtstag­sgeschenk bewertete.

Inzwischen äußerte der Minister sein Bedauern zum Tod des 23-Jährigen; zugleich äußerte er Unverständ­nis über die Rücktritts­forderunge­n, die von Grünen und LINKER im Bundestag erhoben wurden. »Da sag' ich gar nix dazu, weil ich sie einfach nicht verstehe«, wurde Seehofer von Agenturen aus Innsbruck zitiert. Die AfD verteidigt­e Seehofer.

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Foto: dpa/APA/Barbara Gindl Einig in Ablehnung: die Innenminis­ter von Deutschlan­d (Horst Seehofer, vorne), Österreich (Herbert Kickl, l.) und Italien (Matteo Salvini)

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