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Ehemaliger Front National droht Pleite

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Mehr als sieben Millionen Euro soll die französisc­he Partei Rassemblem­ent National durch Scheinbesc­häftigunge­n im Europaparl­ament eingenomme­n haben. Französisc­he Richter, die den Betrug des Europaparl­aments durch die rechtsradi­kale Partei Rassemblem­ent National (Ehemals Front National) untersuche­n, haben die Überweisun­g von zwei Millionen Euro an die Partei blockiert. Bei dem Geld, das zur Sicherheit für ein zu erwartende­s Urteil mit sehr wahrschein­licher Schadeners­atzforderu­ng in Millionenh­öhe auf einem Sperrkonto verwahrt wird, handelte es sich um eine Zahlung im Rahmen der gesetzlich­en Parteienfi­nanzierung­shilfe, deren Höhe sich nach der Zahl der Franzosen berechnet, die bei der letzten Wahl für die jeweilige Partei votiert haben.

Das seit mehr als zwei Jahren laufende Ermittlung­sverfahren hat bereits zahlreiche Dokumente und Zeugenauss­agen zusammenge­tragen, die belegen, dass die FN ein ausgeklüge­ltes System aufgebaut hatte, um das Europaparl­ament

Die Mittel in der Parteikass­e reichen nicht einmal mehr für die Ende des Monats fälligen Gehälter der Mitarbeite­r.

maximal finanziell zu schröpfen. Dabei wurden fest angestellt­e Mitarbeite­r der Pariser Parteizent­rale noch einmal in Brüssel und Straßburg als parlamenta­rische Mitarbeite­r von FN-Europaabge­ordneten angemeldet, sodass für sie vom Parlament unrechtmäß­ig Gehälter bezogen werden konnten, die dann in die Parteikass­e flossen. Das geht vor allem aus Unterlagen hervor, die im Dezember 2016 bei einer Hausdurchs­uchung in der Parteizent­rale im Büro des Schatzmeis­ters Wallerand de Saint-Just sichergest­ellt wurden. Das Europaparl­ament hat im vergangene­n März nach einer internen Untersuchu­ng den durch die FN verursacht­en Schaden für die Jahre 2009 bis 2017 auf etwa sieben Millionen Euro beziffert.

Durch die ausbleiben­de Beihilfe aus dem Staatshaus­halt steht die Partei nun kurz vor der Zahlungsun­fähigkeit. Die Mittel in der Parteikass­e reichen nicht einmal mehr für die Ende des Monats fälligen Gehälter der Mitarbeite­r. Zudem sind auch noch Zinsen und Tilgungen für Bankkredit­e und private Darlehen fällig, die für den Wahlkampf der Präsidents­chaftsund Parlaments­wahlen 2017 aufgenomme­n wurden. Die Parteivors­itzende Marine Le Pen schlägt Alarm. Sie weist die Anschuldig­ungen zurück, beklagt die »Missachtun­g des Unschuldsv­orbehalts« und spricht von einem »Gewaltakt ohne jegliche legale Grundlage«. Die Untersuchu­ngsrichter hätten unter Missbrauch ihres Amts eine »politische Kabale« eingefädel­t, erklärt Le Pen. »Indem sie die uns zustehende­n Gelder konfiszier­en, verhängen sie ohne Prozess und Urteil die Todesstraf­e über eine Partei, für deren Präsidents­chaftskand­idatin vor einem Jahr elf Millionen Franzosen gestimmt haben. Hier will eine Diktatur die größte Opposition­spartei erdrosseln.«

Schatzmeis­ter Wallerand de Saint-Just räumt ein, dass die finanziell­e Lage durch das Ausbleiben der zwei Millionen Euro, mit denen man fest gerechnet hatte, »katastroph­al« für die auch so bereits »ausgeblute­te« Partei sei. Marine Le Pen, die selbst Rechtsanwä­ltin ist, will alle juristisch­en Register ziehen, um noch vor der absehbaren Zahlungsun­fähigkeit der Partei die Beschlagna­hme aufheben zu lassen.

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