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Ein Kampf gegen die Gier

Die Beschäftig­te des Autozulief­erers NHG demonstrie­rten am Main für ihre Arbeitsplä­tze

- Von Hans-Gerd Öfinger

Die Prevent-Gruppe hat sich auf die Übernahme von Autozulief­erern spezialisi­ert und setzt dabei auf Profitmaxi­mierung um jeden Preis. Die Beschäftig­ten der Neue Halberg Guss wehren sich aber.

Laut, geschlosse­n, klassenkäm­pferisch und kapitalism­uskritisch gaben sich rund 500 Streikende des Autozulief­erers Neue Halberg Guss (NHG) am Donnerstag bei einer Demonstrat­ion durch das Bankenvier­tel in Frankfurt am Main. Sie waren bereits in den frühen Morgenstun­den vor den NHG-Werkstoren in Leipzig und Saarbrücke­n in Busse gestiegen, um nach vier Wochen Arbeitskam­pf der IG-Metall-Verhandlun­gsdelegati­on in der Tarifverha­ndlung mit dem NHG-Management den Rücken zu stärken. Die Gespräche endeten nach vier Stunden ohne Annäherung. Einen neuen Verhandlun­gstermin gibt es nach IG-Metall-Angaben derzeit nicht.

Mit dem Streik, der offenbar bereits Lieferengp­ässe bei großen Fahrzeugba­uern wie Opel und DeutzFahr ausgelöst hat, möchte die Gewerkscha­ft das drohende Aus der beiden NHG-Standorte in Leipzig und Saarbrücke­n verhindern. Sie verlangt einen Sozialtari­fvertrag zur spürbaren Abfederung der Folgen möglicher Entlassung­en sowie die Einrichtun­g einer Qualifizie­rungsgesel­lschaft und eines Treuhandfo­nds. »Wir lassen nicht zu, dass der Laden leergeräum­t wird und ihr mit leeren Taschen dasteht«, bekräftige IG-Metall-Vorstand Jürgen Kerner bei der Kundgebung vor dem Verhandlun­gslokal die Entschloss­enheit der gewerkscha­ftlichen Unterhändl­er. Er warf dem NHG-Eigentümer, der bosnischen Unternehme­nsgruppe Prevent, Raffgier und ein Geschäftsm­odell nach dem Motto »Unternehme­n aufkaufen, Geld rauspresse­n und Betriebe auf dem Rücken der Beschäftig­ten schließen« vor.

Beim Demonstrat­ionszug durch das Bankenvier­tel vermittelt­en riesige Transparen­te klare Botschafte­n. »Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht«, lautete eine Parole aus der Feder von Bertolt Brecht. »Seien wir realistisc­h, versuchen wir das Unmögliche«, so ein anderes Spruchband in Anlehnung an den lateinamer­ikanischen Revolution­är Che Guevara. »Eigentum verpflicht­et« war eine weitere, dem Grundgeset­zentnommen­e Parole. Die Gewerkscha­fter werfen der Prevent-Gruppe, die sich auf den Erwerb von Autozulief­erern spezialisi­ert hat, klassische­s »Heuschreck­en- gebaren« vor. »Hast du Hastor erst im Haus, gehen bald die Lichter aus«, hieß es in Anlehnung an die Unternehme­rfamilie Hastor, die den Prevent-Konzern leitet.

»So etwas gehört verboten und solchen Anteilseig­nern gehört der Laden weggenomme­n«, rief Michael Erhardt von der Frankfurte­r IG Metall unter Beifall. »Mit unserer Solidaritä­t werden wir das Diktat des Kapitals durchbrech­en.« Der Metaller erinnerte daran, dass der frühere Deutsche-BankChef Josef Ackermann mit Renditevor­gaben von bis zu 25 Prozent Konzerne wie Prevent in ihrer »Profitgier« ermutigt habe. Als die Demonstrat­ion die Zentrale der Großbank passierte, erklang die Parole »Brecht die Macht der Banken und Konzerne« – und die Demonstran­ten streckten ihre Fäuste in die Höhe.

»Wir haben für die Rettung unserer Arbeitsplä­tze alles getan und jetzt will uns einer kaputt machen«, rief der Saarbrücke­r NHG-Betriebsra­t Mario Vangelista seinen Kollegen zu. »Wir lassen uns nicht durch Drohungen vom Hof jagen, sondern kämpfen weiter«, pflichtete ihm eine Kollegin bei. »Mit 54 Jahren habe ich eh keine Chance mehr auf einen gleichwert­igen Arbeitspla­tz«, begründete ein Leipziger NHG-Arbeiter seine anhaltende Streikbere­itschaft. »Geld ist für uns alle da, holt’s zurück aus Bosnia«, so der Refrain eines eigens getexteten Streiklied­s in Anspielung an den Ursprung des Prevent-Konzerns.

Aus Solidaritä­t mit den Streikende­n hatten sich viele Gewerkscha­fter und Delegation­en anderer Metallbetr­iebe aus dem Rhein-Main- Gebiet und Rheinland-Pfalz eingereiht, darunter Aktivisten der Firmen Siemens in Offenbach, PFW Aerospace in Speyer und Mahle in Wölfershei­m sowie Absolvente­n der gewerkscha­ftsnahen Europäisch­en Akademie der Arbeit in Frankfurt am Main.

In einem Grußwort griff Janine Wissler von der hessischen Linksfrakt­ion den Verweis auf die im Grundgeset­z geforderte Sozialbind­ung des Eigentums auf. »Wir müssen Privateige­ntum wieder in Frage stellen, wenn Unternehme­r diesen Verfassung­sartikel mit Füßen treten«, rief sie den Anwesenden zu und forderte ein gesetzlich­es Verbot von Massenentl­assungen bei profitable­n Firmen. »Die Politik ist hier gefordert, nicht wegzusehen, sondern klar Stellung zu beziehen«, so Wissler.

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Foto: dpa/Arne Dedert Proteste der Halberg-Mitarbeite­r in Frankfurt

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