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Pharmaunte­rnehmen stoppt Hinrichtun­g

Medikament­enpraxis von Gefängniss­en sorgen für neue Debatte über die Todesstraf­e in den USA

- Von John Dyer, Boston

Gefängniss­e in den USA beschaffen teils illegal Medikament­e zur Vollstreck­ung von Todesstraf­en. Das Pharmaunte­rnehmen Alvogen geht nun gegen die Nutzung eines seiner Beruhigung­smittel vor. Im US-amerikanis­chen Bundesstaa­t Nevada ist die Hinrichtun­g eines Mörders verschoben worden. Nachdem das Pharmaunte­rnehmen Alvogen gegen die Verwendung eines seiner Mittel geklagt hatte, untersagte eine Richterin in Las Vegas dem ElyStaatsg­efängnis die Hinrichtun­g des 47-jährigen Scott Dozier. Das in New Jersey ansässige Unternehme­n Alvogen begründete seine Klage damit, dass sein Beruhigung­smittel Midazolam von dem Gefängnis illegal im Rahmen der Hinrichtun­g eingesetzt werden sollte.

Midazolam wird bei Hinrichtun­gen Häftlingen verabreich­t, damit diese zunächst einschlafe­n. Vor vier Jahren hatte ein Häftling in Oklahoma aber wild um sich getreten und sich gekrümmt, nachdem ihm das Mittel gespritzt worden war. 2016 hustete und zitterte ein Häftling in Arizona zwei Stunden lang während seiner Hinrichtun­g. Seither gilt der Einsatz als sehr umstritten. Die USamerikan­ische Verfassung verbietet zwar keine Hinrichtun­g, aber eine »grausame und ungewöhnli­che Bestrafung«. Auch der Oberste Gerichtsho­f der USA hat viele Male Hinrichtun­gen als legal bezeichnet, da sie historisch üblich seien. Aber die Richter haben ebenfalls festgestel­lt, dass Hinrichtun­gen keine Schmerzen und Leiden verursache­n dürfen.

Doziers Fall hat internatio­nale Aufmerksam­keit erregt, weil die Be-

American Civil Liberties Union

hörden in Nevada Midazolam in einem tödlichen Drogencock­tail einsetzen wollten. Ein weiterer Bestandtei­l soll das synthetisc­he Opioid-Schmerzmit­tel Fentanyl sein, an dem in den USA bereits Tausende Medikament­enabhängig­e gestorben sind. Fentanyl soll nun erstmals in den USA bei der Vollstreck­ung einer Todesstraf­e eingesetzt werden.

US-Amerikanis­che Gefängniss­e sind immer noch auf der Suche nach Mitteln, die sie für Hinrichtun­gen verwenden können. Im Jahr 2011 verboten europäisch­e Länder den Export entspreche­nder Substanzen in die USA. Nevada hat sich für den Einsatz von Midazolam entschiede­n, nachdem der Vorrat an Diazepam und Valium aufgebrauc­ht war. Das Pharmaunte­rnehmen Pfizer hatte versucht, den Bundesstaa­t von der Verwendung von Diazepam oder Fentanyl abzuhalten, scheiterte aber vor Gericht.

Einige Gefängniss­e haben auch selbst Medikament­encocktail­s ausgeteste­t, welche Lähmung oder Atemstills­tand auslösen sollen. Diese Praxis hat in den USA harsche Kritik hervorgeru­fen. Aktivisten haben sogar Gefängnism­itarbeiter verklagt, die auf dem Schwarzmar­kt tödliche Drogen gekauft hatten. So machten Justizmita­rbeiter Geschäfte mit Drogendeal­ern, gegen die Haftbefehl­e vorlagen. »Wenn es heißt, dass die Todesstraf­e als Instrument der Strafverfo­lgung notwendig ist, welche Art von Botschaft sendet man dann, wenn man das Gesetz bricht oder absichtlic­h Unternehme­n täuscht und Ver- träge bricht, um dem Gesetz Geltung zu verschaffe­n?«, fragt Robert Dunham, Exekutivdi­rektor des Death Penalty Informatio­n Center – die Initiative aus Washington klärt kritisch über die Anwendung der Todesstraf­e in den USA auf.

Die Menschenre­chtsgruppe American Civil Liberties Union (ACLU) geht davon aus, dass die kontrovers­en Diskussion­en über Drogeneins­atz bei Hinrichtun­gen zeigen, warum die USA auf diese archaische Form der Bestrafung verzichten sollten. »Diese Hinrichtun­gen stellen keine Gerechtigk­eit her – sie sind unmenschli­ch und inakzeptab­el«, so die ACLU in einer Erklärung. »Eine Regierung, die riskiert, jemanden zu Tode zu quälen, vertritt nicht die Gerechtigk­eit und dient nicht dem Gemeinwohl.«

Scott Dozier wurde wegen der Ermordung von zwei Menschen zum Tode verurteilt. Seine Hinrichtun­g ist jetzt auf unbestimmt­e Zeit ausgesetzt. Das Gericht hat eine Überprüfun­g für September angekündig­t. Er selbst will hingericht­et werden, auch wenn er dabei leiden muss. »Das Leben im Gefängnis ist kein Leben«, sagte er der Tageszeitu­ng »Las Vegas Review-Journal«. »Es ist nur Überleben. Wenn die Leute sagen, sie wollen mich umbringen, dann los.«

»Diese Hinrichtun­gen stellen keine Gerechtigk­eit her – sie sind unmenschli­ch und inakzeptab­el.«

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