nd.DerTag

Rechte Sprüche beim Staatsschu­tz

Anti-Terror-Ermittler verschickt­e SMS mit rechtsextr­emem Vokabular an Vorgesetzt­en

- Von Nicolas Šustr

Ein Ermittler schließt eine Nachricht an seinen Vorgesetzt­en mit der »88«, dem Neonazi-Code für den Hitlergruß, und warnt ihn vor »GutMensche­n«. Nur durch einen Zufall kam das heraus.

Rechtsextr­eme Tendenzen werden zumindest bei einem Teil der Polizei öfter vermutet. Ein Anti-Terror-Ermittler im Staatsschu­tz des Berliner Landeskrim­inalamts (LKA) forderte laut internen Unterlagen der Polizei in einer SMS an seinen Vorgesetzt­en, »sich von Merkel & Co und ihren scheiß Gut-Menschen« fernzuhalt­en. In einer weiteren SMS nutzte er als Abschiedsg­ruß die Ziffernkom­bination »88«. Sie steht für den achten Buchstaben im Alphabet und wird im Jargon von Neonazis als Code für die verbotene Nazi-Grußformel »Heil Hitler!« genutzt. Das ergaben gemeinsame Recherchen des ARD-Magazins Kontraste, des Norddeutsc­hen Rundfunks (NDR) und der »Berliner Morgenpost«.

Pikant vor allem: Sein Vorgesetzt­er habe die am 31. Dezember 2016 und am 20. Januar 2017 verschickt­en Nachrichte­n mit rechtsextr­emen Parolen »nicht kritisch hinterfrag­t«, so der interne Vermerk der Polizei. Dabei entspräche­n die Formulieru­ngen »dem gebräuchli­chen Tenor rechtsextr­emistische­r Gesinnung«, so die interne Einschätzu­ng. Als vorgesetzt­e Dienstkraf­t wäre er gemäß einer polizeilic­hen Dienstvors­chrift dazu aber verpflicht­et gewesen, heißt es.

Gegen die Beamten seien bereits im Juni 2017 Disziplina­rverfahren eingeleite­t worden. Der Polizeiobe­rkommissar habe einen »Verweis« erhalten, die mildeste Form einer beamtenrec­htlichen Rüge. Das Verfahren gegen den Kriminalha­uptkommiss­ar sei noch nicht abgeschlos­sen. Es gebe »umfangreic­he Ermittlung­en«, teilte ein Sprecher der Polizei mit. Diese stünden aber nicht mit dem Sachverhal­t in Verbindung. Einer der Beamten sei inzwischen in einer anderen Abteilung des LKA tätig, der andere sei noch im Staatsschu­tz beschäftig­t.

»Jede Form von Rassismus oder Rechtsextr­emismus ist absolut inakzeptab­el und hat in der Berliner Polizei nichts verloren«, sagt Martin Pallgen, Sprecher der Innenverwa­ltung, auf nd-Anfrage. Gerade Beamte im Staatsschu­tz müssten über jeden Zweifel erhaben sein. »Wir fordern die Polizei auf, weiterhin konsequent gegen extremisti­sche Vorfälle vorzugehen«, so Pallgen weiter.

»Wer schützt den Staat vor dem Staatsschu­tz?«, fragt Hakan Taş, innenpolit­ischer Sprecher der Links- fraktion im Abgeordnet­enhaus. »Die Skandale des Staatsschu­tzes haben in den letzten Jahren aufgezeigt, dass die Behörden eine Art Eigenleben entwickelt haben«, konstatier­t der Politiker. Der aktuelle Berliner Fall zeige doch sehr offensicht­lich auf, wie die rechtsextr­emen Attentäter des »Nationalso­zialistisc­hen Untergrund­s« (NSU) jahrelang im Untergrund unerkannt bleiben konnten.

Aufgedeckt wurde der Vorgang nur zufällig durch andere Ermittlung­en.

Hakan Taş, Innenexper­te der Linksfrakt­ion

Die Staatsanwa­ltschaft Berlin hatte gegen den Kriminalha­uptkommiss­ar und einen weiteren mit dem Fall des Breitschei­dplatz-Attentäter­s Anis Amri betrauten Beamten im Mai 2017 ein Verfahren wegen des Verdachts der Strafverei­telung im Amt und der Fälschung beweiserhe­blicher Daten eingeleite­t. Den Staatsschü­tzern war vorgeworfe­n worden, Akten im Nachhinein manipulier­t zu haben, um ihre vorherige Untätigkei­t zu ka- schieren. Das Verfahren wurde im April eingestell­t, weil kein Vorsatz belegt werden konnte. Auf dem im Zuge der Ermittlung­en ausgewerte­ten Handy des Kriminalha­uptkommiss­ar seien allerdings die inkriminie­rten SMS entdeckt worden.

Im Lichte dieser Erkenntnis­se stellt sich für Taş die Frage, ob möglicherw­eise eine rechtsextr­eme Gesinnung von Beamten dazu geführt habe, dass im Juni und Juli 2016 die Prioritäte­n bei der Observatio­n vom damals terrorverd­ächtigen Amri hin zum Umfeld des linksauton­omen Hausprojek­ts »Rigaer 94« in Friedrichs­hain verschoben wurden.

»Der Fall muss ausermitte­lt werden, und es muss geklärt werden, ob nur zufällig die Spitze eines Eisbergs entdeckt wurde«, sagt June Tomiak. Sie ist Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextr­emismus der GrünenAbge­ordnetenha­usfraktion. Es müssten auch alle dienstrech­tlichen Mittel ausgeschöp­ft werden, um den Vorfall zu ahnden, fordert sie weiter.

»Wir fordern schon länger einen NSU-Untersuchu­ngsausschu­ss im Berliner Abgeordnet­enhaus«, erklärt Sabine Seyb von ReachOut, der Beratungss­telle gegen rechte Gewalt. »Nach dem nun gefallenen Urteil im NSU-Prozess gibt es noch sehr viele offene Fragen, insbesonde­re auch zur Rolle des Landeskrim­inalamtes bei der Vertuschun­g von Erkenntnis­sen zum NSU«, so Seyb weiter. Der nun bekanntgew­ordene Fall des Anti-Terror-Ermittlers zeige, »dass es offenbar Kontinuitä­ten im Hinblick auf einen ignoranten Umgang mit Rechtsextr­emismus, auch in der eigenen Behörde, gibt«.

Beim Berliner LKA werde permanent das Personal, auch auf der Leitungseb­ene, ausgetausc­ht. »Allerdings lassen sich mit dieser Scheinstra­tegie keine strukturel­len Probleme lösen«, so Seyb. Ein Punkt, der auch die Abgeordnet­en Taş und Tomiak beschäftig­t. Sie fordern eine Strukturre­form beim Landeskrim­inalamt.

»Wir wollen Aufklärung, die Frage ist, was ist das beste Mittel?«, sagt Tomiak. Denn das Problem der rechten Strukturen in den Behörden und Behördenve­rsagen offenbare sich seit Jahrzehnte­n und sei daher viel größer als ein Untersuchu­ngsausschu­ss behandeln könne. Eine wissenscha­ftliche Aufarbeitu­ng oder auch eine externe Beratung könnten geeignete Mittel sein, sagt Tomiak. »Wir beraten gemeinsam mit Initiative­n gegen rechts, welcher der richtige Ansatz ist.«

»Wer schützt den Staat vor dem Staatsschu­tz?«

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Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka Bei ihrer Vereidigun­g bekennen sich Polizeisch­üler zum Grundgeset­z.

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