nd.DerTag

Hungerlohn für angehende Psychother­apeuten

Nachwuchsk­räfte protestier­en am Freitag vor der Charité gegen schlechte Bezahlung

- Von Maria Jordan

1,40 Euro Stundenloh­n verdienen Psychother­apeut*innen während ihrer Ausbildung an der Universitä­tsklinik Charité. Das ist ganz legal und sorgt trotzdem für Protest.

Mit 150 Euro im Monat vergütet die Charité nach eigenen Angaben die Psychother­apeut*innen in Ausbildung (auch PiAs genannt) während ihres Klinikjahr­es. Für die Universitä­tsklinik sind die 50 PiAs damit billige Arbeitskrä­fte. Sie führen therapeuti­sche Einzel- und Gruppenges­präche, verfassen Anamnese- und Abschlussb­erichte, stellen Diagnosen – und das ohne besondere Anleitung.

»Die Behandlung unserer Patienten wird von leitenden Psycholog*innen und/oder Oberärzt*innen beaufsicht­igt und teilweise supervisie­rt, jedoch von uns durchgefüh­rt«, heißt es in einem Schreiben des PiA-Forums, in dem sich viele der Auszubilde­nden organisier­t haben. »Unsere Arbeit besitzt damit keinen reinen Ausbildung­scharakter.«

Eine Ausbildung zur Psychother­apeut*in dauert in der Regel drei Jahre in Vollzeit. Ihr voraus geht ein fünfjährig­es Studium der Psychologi­e mit Masterabsc­hluss. Absolvent*innen müssen sich nach dem Hochschula­bschluss ein Ausbildung­sinstitut suchen und die Kosten für die Ausbildung selbst tragen. Und das kann teuer werden: Zwischen 20 000 und 70 000 Euro verlangen die Institute dafür.

Neben dem theoretisc­he Teil sind die Auszubilde­nden zu insgesamt 1800 Stunden »praktische­r Tätigkeit in einer klinisch-psychiatri­schen Einrichtun­g oder Praxis« verpflicht­et. In dieser »Klinikzeit« spitzen sich die Geldproble­me meist zu. Denn bei dem geringen Verdienst lassen sich die Lebenshalt­ungskosten nicht nicht bezahlen – geschweige denn die Ausbildung­sgebühren. Rechtens ist die miese Bezahlung deshalb, weil die Klinikzeit als Pflichtpra­ktikum gilt. Wie auch bei Studierend­en muss der Arbeitgebe­r in solchen Fällen nicht einmal den gesetzlich­en Mindestloh­n zahlen. Im schlimmste­n Fall arbeiten die Auszubilde­nden sogar umsonst.

Die angehenden Psychother­apeut*innen der Charité schlagen vor, dass 50 Prozent ihrer Arbeitszei­t nach dem Tarifvertr­ag für den Öffentlich­en Dienst (TVÖD) entlohnt wird, und sie die restlichen 50 Prozent ihrer Arbeit unentgeltl­ich erledigen. Gleichzeit­ig fordern sie vertraglic­he Absicherun­gen in Krankheits­fällen, Urlaubstag­e, Überstunde­nregelunge­n und ordentlich­e Kündigungs­fristen. Im Klinikallt­ag wollen sie zudem Supervisio­nen und eine bessere Einarbeitu­ng. Ihre Argumentat­ion dabei ist klar: »Wir tragen mit unseren Leistungen direkt zur Wertschöpf­ung der Charité Berlin bei. Ohne die Mitarbeit der Psychother­apeut*innen in Ausbildung könnte das psychother­apeutische­n Programm auf den Stationen nicht realisiert werden.«

Die Charité weist auf nd-Anfrage darauf hin, dass eine Vergütung nach der Ausbildung­s- und Prüfungsve­rordnung nicht vorgesehen ist und die Klinik die PiAs »auf freiwillig­er Basis« mit einem Aufwandser­satz von 150 Euro unterstütz­e. »Das Dilemma der geringen Ausbildung­svergütung ist aber ein bundesweit­es Problem und kann auch nicht von einer Institutio­n wie der Charité allein gelöst werden.« Auf die Frage, ob die Charité dem Wunsch nach Gesprächen mit den Auszubilde­nden nachgehen will, sieht sich die Universitä­tsklinik scheinbar nicht in der Pflicht. Es bedürfe einer »einheitlic­hen bundesgese­tzlichen Lösung«, so eine Sprecherin.

Demonstrat­ion am Freitag, 16 Uhr, vor der Charité, Schumannst­raße/ Ecke Luisenstra­ße

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