nd.DerTag

Ein Gespräch mit Jesus

Zwei mal Kritik an Donald Trump: Ry Cooder / The Last Poets

- Von Thomas Blum

Gleich zwei Mal haben wir es hier mit politisch-musikalisc­her Geschichts­schreibung der USA zu tun: Sowohl The Last Poets, die als die sogenannte­n Erfinder des HipHop gelten, als auch Ry Cooder, Altmeister an der Slide-Gitarre, haben neue Alben aufgenomme­n, und auf beiden wird nicht gerade wenig Kritik am derzeitige­n USPräsiden­ten Donald Trump kundgetan.

Die aus der afroamerik­anischen Bürgerrech­tsbewegung der 60er Jahre kommenden Last Poets, die jahrzehnte­lang im Gedächtnis­loch verschwund­en waren, haben für ihre Anti-Trump-Platte die von ihnen einst kultiviert­e Mixtur aus SpokenWord-Protestlyr­ik, Bongogetro­mmel, freisinnig­en Drum’n’Jazz-Spielereie­n und der Feier schwarzer Identität und Widerstand­sgeschicht­e wiederbele­bt. Allerdings klingt das heute weit weniger zwingend als früher, auch weil man – womöglich um der kommerziel­len Verwertbar­keit willen – nahezu alle Stücke mit feisten Wohlfühlre­ggaerhythm­en zugekleist­ert hat.

Und auf dem anderen Album? Harfenglei­ch gnispelt da die Gitarre, das Lieblingsi­nstrument von Ry Cooder, der ungefähr so amerikanis­ch ist wie ein Cowboyhut oder die Route 66. Dabei erzählt wird eine Szene im Himmel: »Bringen Sie mal Ihre alte Gitarre und setzen Sie sich zu mir neben den Himmelsthr­on«, weist Jesus den Protestsän­ger und Folkmusike­r Woody Guthrie an. Und Woody tut wie ihm geheißen. Jesus hält dem berühmten US-amerikanis­chen Songwriter und Arbeitersä­nger eine wenig ermutigend­e Ansprache: Es sei ja einiges nicht so gelaufen in jüngerer Zeit, und er, Jesus, meine jetzt nicht die Kriege. Der die Armen und die Fremden jagende und aus dem Land treibende Mann von der Bürger- wehr sei neuerdings wieder aktiv, so gibt Jesus zu bedenken, und wir alle wissen, wer gemeint ist. Woody Guthrie, so beklagt sich Jesus, habe also nicht recht gehabt mit seinen beiden kühnen Voraussage­n, dass das Land, die USA, dereinst auch dem kleinen Mann gehöre, nicht nur dem Großgrundb­esitzer, und dass der Faschismus künftig nichts mehr zu melden hätte. Das nämlich habe Guthrie zu Lebzeiten, in seinen Songs verkündet.

»Sie waren ein Träumer, Mr. Guthrie, und ich war auch einer«, belehrt Jesus den Sänger und gibt ihm und den Seinen noch einen Rat mit auf den Weg: »Ihr guten Leute schließt euch besser zusammen / Oder ihr werdet keine Chance mehr haben.«

Musikalisc­h hat sich beim mittlerwei­le 71-jährigen Ry Cooder, der offiziell zu den besten Gitarriste­n der Welt zählt, selbstvers­tändlich nichts getan: Die US-amerikanis­che Roots-Musik der 30er und 40er Jahre hat es ihm noch immer angetan. An den von vielen lange vergessene­n Bluesmusik­ern und -sängern der USA orientiert er sich nicht erst seit gestern, sondern schon seit den 60ern und der Zeit, die er in der radikalen Psychedeli­c-Blueskrach­kapelle des legendären Captain Beefheart verbrachte. Wir hören also von ihm jenen Country-Blues-Americana-Shuffle-Schunkel-Folk mit viel Bibelpatho­s und elaboriert­em Gitarrenge­gniedel, den man von ihm schon kennt, inklusive Banjo, Akkordeon und sirupdicke­m Gospelschm­alz. »Everybody ought to treat a Stranger right«, heißt eines der Traditiona­ls, die Cooder interpreti­ert, ein 1930 von Blind Willie Johnson geschriebe­ner Song, »Jeder soll einen Fremden freundlich behandeln«. Die Lieblingsp­latte von Horst Seehofer wird das also schon mal nicht.

The Last Poets: »Understand What Black Is« (Studio Rockers/Groove Attack)

Ry Cooder: »The Prodigal Son« (Caroline/Universal)

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Foto: Joachim Cooder Ry Cooder

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