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Viel Geld für das Wüstenmärc­hen

Bisher zahlen sich die Milliarden­investitio­nen für die Heim-WM nicht aus, und Katar ist von einer wettbewerb­sfähigen Mannschaft weit entfernt

- Von Kristof Stühm SID

Katar droht bei der Heim-WM in vier Jahren ein sportliche­s Desaster. Die Milliarden­investitio­nen zahlen sich bisher nicht aus, deshalb reißen Gerüchte um eine zusammenge­kaufte Mannschaft nicht ab. Zinedine Zidane musste nicht lange auf ein neues Jobangebot warten. Katar lockt den Trainer angeblich für sein WM-Projekt, und Geld spielt, natürlich, keine Rolle. Der Emir Scheich Tamim bin Hamad Al Thani soll bereit sein, Zidane stattliche 200 Millionen Euro zu überweisen, damit der zurückgetr­etene Coach von Real Madrid die lahmende Nationalma­nnschaft des Landes endlich in Form bringt. Schließlic­h droht dem Gastgeber in vier Jahren ein sportliche­s Desaster.

Katar ist das erste Gastgeberl­and der Geschichte, das sich nie zuvor sportlich für eine Endrunde qualifizie­rt hat. Das Team dümpelt auf Platz 98 der Weltrangli­ste – nur einen Rang besser platziert als Palästina. Die Milliarden­investitio­nen in eine überragend­e Infrastruk­tur wie etwa das ultramoder­ne Leistungsz­entrum Aspire Academy zahlen sich bisher nicht aus. Und dennoch sagt Nasser Al-Khater, Vizepräsid­ent des WM-Organisati­onskomitee­s: »Ich denke, wir haben gute Möglichkei­ten, für 2022 eine wettbewerb­sfähige Mannschaft zu stellen.« Doch wie soll das so schnell gelingen? Droht etwa eine Einkaufsto­ur wie zuletzt bei den Handballer­n vor der Heim-WM 2015?

Katar ist als Investor längst ein Riesen-Player im Sport, aber fußballeri­sch immer noch ein Zwerg. Auch die Übernahme der KAS Eupen 2012 hat daran noch nicht viel verändert, der Provinzklu­b in Belgien ist seither die Kaderschmi­ede des Emirats in Europa. Talente, die nach einem aufwendige­n Scouting und viel Training in der hauseigene­n Akademie für gut genug befunden wurden, sollen sich in Eupen den letzten Schliff holen. Allerdings schafften bisher kaum gebürtige Katarer den Sprung nach Europa.

Dafür umso mehr Afrikaner. Die Aspire Academy unterhält im Senegal eine Außenstell­e, Tausende Talente auch aus Mali oder Nigeria werden gesichtet, im Kurzpasssp­iel ausgebilde­t und nach Katar eingeladen oder direkt weiter zu Partnerklu­bs nach Europa geschickt, um es nach oben zu schaffen. Senegals Moussa Wague (Eupen) ist etwa ein Akademie-Absolvent, in der WM-Vorrunde gegen Japan schoss er ein Tor. Kritiker des Modells hegen den Verdacht, dass Katar letztlich bezweckt, Fußballer wie Wague für die WM einzubürge­rn.

Katars Macher wie der Deutsche Andreas Bleicher weisen diese Vorwürfe entschiede­n zurück und erinnern an die Regularien der FIFA, die ein Nationen-Hopping ausschließ­en. Allerdings gibt es längst Strömungen, die gewisse Einschränk­ungen aufweichen wollen. Kap Verde hatte zuletzt einen Antrag gestellt, dass Spieler, die bereits Länderspie­le für eine A-Nationalma­nnschaft absolviert haben, künftig auch für ein anderes Land auflaufen dürfen.

In anderen Sportarten hat sich Katar bereits eine Weltauswah­l zusammenge­kauft, in der Leichtathl­etik etwa werden Talente aus Afrika mit viel Geld gelockt. Bestens in Erinnerung ist auch noch das Beispiel aus dem Handball: Vor drei Jahren sorgte ein aus unterschie­dlichsten Ländern zusammenge­würfeltes Team (zwölf der 16 Spieler wurden vor dem Turnier eingebürge­rt) für ein kleines Wüstenmärc­hen: Katar gewann Silber.

Natürlich spielen auch in anderen Fußball-Nationalma­nnschaften Angreifer, die in einem anderen Land geboren wurden. Aber bei Katar drängt sich eben der Verdacht auf, dies auf die Spitze zu treiben. Rekordnati­onalspiele­r und -torschütze des Landes ist übrigens Sebastian Soria. Geboren in Uruguay.

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