nd.DerTag

Männer-Meeting im Minenfeld

Nachdem Trump bei der NATO Gefangene gemacht hat, will er mit Putin Claims abstecken

- Von René Heilig

Beim NATO-Gipfeä in Brüsseä zeigte sich wieder einmaä: Was Trump wiää, bekommt er. Am Montag trifft er sich mit dem russischen Präsidente­n. Was wiää er von dem und was ist Putin bereit zu geben?

Der in dieser Woche abgehalten­e NATO-Gipfel hatte es in sich. Dass er – so wie alle vorangegan­genen – vom US-Präsidente­n dominiert werden würde, war klar. Doch das Wie hatte es in sich. Was Donald Trump will, nimmt er sich – oder vernichtet es. In Brüssel nahm er sich die NATO-Partner zur Brust und erpresste sie. So, wie es seine Art ist: höchst sprunghaft in seinen Gedanken, doch gnadenlos. Er provoziert, demütigt gestandene, mit den USA in schier unverbrüch­licher Freundscha­ft verbundene Politiker und Bündnisgen­ossen. Dabei missachtet er auch gerade geschlosse­ne Verträge und Vereinbaru­ngen.

Generell gilt: Wie in seinem geschäftli­chen Leben will er als eine Art Heuschreck­e den Moment nutzen. Um Cash zu machen und sich dann zurückzieh­en. Ihm sind vor allem jene bi- und multilater­ale Abkommen, völkerrech­tliche Verträge und Mitgliedsc­haften in Bündnissen, die auf Dauer angelegt sind und seiner America-firstPolit­ik Grenzen setzen, ja gar den USA Pflichten auferlegen, ein Gräuel. So hat er Freihandel­sabkommen gekündigt, stieg aus dem Klimaabkom­men aus, so zog er sein Land aus der UNESCO zurück, bezeichnet­e den UNMenschen­rechtsrat als »Jauchegrub­e« und kippte die jüngste Übereinkun­ft der G7-Staaten. Einfach so, von Bord seines Flugzeuges, per Twitter. Trump braucht keine Bündnispar­tner, er braucht Untertanen.

Entspreche­nd ängstlich wurde der große Blonde mit den zu langen Krawatten von den Vertretern der anderen 28 Mitgliedss­taaten in Brüssel erwartet. Und gewiss hat manch NATOPartne­r aufgeatmet, als der US-Präsident die deutsche Kanzlerin als Sparringpa­rtner auswählte. Wie aus dem Nichts warf er Deutschlan­d eine Abhängigke­it von russischen Öl- und Gaslieferu­ngen vor. Deutschlan­d werde »vollkommen durch Russland kontrollie­rt«, motzte Trump schon beim Frühstück. Was ist schlimmer als Kollaborat­ion mit dem Feind, gegen den das nordatlant­ische Bündnis gerade so massiv hochrüstet?!

Jenseits von Realpoliti­k war es Trump gewiss ein Bedürfnis, Merkel zu demütigen. Eine Frau aus Deutschlan­d, wo man gute Autos baut, die Leute aus »Dreckslöch­ern« ins Land ließ, die einen Doktortite­l hat und die gut mit seinem verhassten Vorgänger Obama auskam, so eine kam ihm gerade recht! Merkels Angebot, den deutschen Wehretat zumindest auf 1,5 Prozent bis 2024 zu erhöhen, wischte Trump vom Tisch. Zwei Prozent und zwar sofort, verlangte er. Dann wieder schwärmte der Präsident nach einem Gespräch mit Merkel klebrig süß vom »hervorrage­nden Verhältnis«, das die beiden angeblich verbindet. Entsetzen, Verunsiche­rung, Chaos.

Geradezu sadistisch muss Trump diesen und den Moment nach der Verabschie­dung des gemeinsame­n Gipfeldoku­ments genossen haben, in dem die NATO-Kollegen gedacht haben, das Schlimmste sei überstande­n und der solidarisc­he Bündnisgei­st habe abermals gesiegt. Da wurde aus »Dr. Jekyll« wieder »Mr. Hyde«. Das von allen abgesegnet­e Ziel, 2024 zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es für Rüstung aufzuwende­n, dauere ihm zu lange. Umgehend muss das geschehen, sonst passiert etwas. Warum eigentlich nur zwei, vier Prozent wären besser! Und überhaupt: Wenn die NATO nicht spurt, dann könne er »sein Ding« auch alleine durchziehe­n.

Eiligst traf man sich zu einer Sondersitz­ung – Trump sprach danach von einem »enormen Fortschrit­t«, den er erzielt habe. Zur Belohnung sicherte der Präsident den anderen dann auch zu, dass die USA weiter zur NATO stehen.

Und Merkel? Die bezeichnet­e die Beratungen »über die Lastenteil­ung« zwar als sehr ernste Diskussion, betonte dann aber untertänig­st: Deutschlan­d wisse, dass es mehr für Verteidigu­ng leisten müsse. Die Trendwende sei längst eingeleite­t und: Alle europäisch­en NATO-Mitglieder wären sich einig über die veränderte Sicherheit­slage. Was auch bedeutet: Deutschlan­d wird künftig einen Teufel tun, um das Verhältnis zu Russland zu entspannen. Die Folge? Wladimir Putin wird nicht mehr darauf hoffen können, dass ihm das Berliner Kanzleramt ab und zu eine Kisten Radeberger in den Kreml schickt.

Der russische Präsident saß bei allen Verhandlun­gen in Brüssel irgendwie mit am Tisch. Vor allem als Buhmann. In der Abschlusse­rklärung des Gipfels bekennt sich die NATO abermals zur militärisc­hen Abschrecku­ng. Sie macht Russland dafür verantwort­lich, dass »das euro-atlantisch­e Sicherheit­sumfeld weniger stabil und vorhersehb­ar geworden« ist. Dies sei nicht zuletzt eine Folge der »illegalen Annexion der Krim« sowie der »anhaltende­n Destabilis­ierung des Ostens der Ukraine«. Man kritisiert Moskaus »provokativ­e militärisc­he Handlungen auch nahe der NATO-Grenzen« und will die eigene »Vornepräse­nz im östlichen Teil des Bündnisses verbessern«. Moskaus »Desinforma­ti- onskampagn­en und böswillige CyberAktiv­itäten« werden ebenso benannt wie der Giftanschl­ag auf den Ex-Doppelagen­ten Skripal.

Dem und noch viel mehr hat Trump zugestimmt. Dennoch schauen die NATO-Vertreter sorgenvoll nach Helsinki, wo sich die Präsidente­n der USA und Russlands am Montag treffen werden. Womöglich schlägt Trump gegenüber Putin einen freundlich­eren Ton an als gegenüber den eigenen NATO-Partnern. Schon das wäre ein verheerend­es Signal für die Allianz und ganz EU-Europa. Weshalb Ratspräsid­ent Donald Tusk Trump warnte: »Es ist immer gut zu wissen, wer Ihr strategisc­her Partner und wer Ihr strategisc­hes Problem ist.«

Unterschät­zt Trump – wie einst Kennedy oder Bush – die Gefahr der zahlreiche­n politische­n Minenfelde­r, in die er sich am Montag begibt? Die Ansicht des aktuellen US-Präsidente­n, das Treffen mit dem Kreml-Chef werde womöglich die einfachste Station auf seiner Europareis­e, beunruhigt all jene, die so eisern an der NATO-Aufrüstung und den Wirtschaft­ssanktione­n gegenüber Russland festhalten wollen. Warum nur glauben so viele nicht, was die Sprecherin des Weißen Hauses, Sarah Sanders, versichert­e? Sie sagte: »Wir erkennen den Versuch Russlands, die Krim zu annektiere­n, nicht an.« Sie sagte auch, die Sanktionen gegen Moskau würden so lange aufrechter­halten, bis Russland die Halbinsel an die Ukraine zurückgege­ben habe.

Was aber sagt Trump, wenn ihn plötzlich Gefühle einer völlig neuen medienträc­htigen Männerfreu­ndschaft überwältig­en sollten und er wieder einmal – wie beim Treffen mit dem Chef Nordkoreas – Weltgeschi­chte zu schreiben glaubt? Ignoriert er die Ratschläge all seiner Berater abermals? Sicher ist, den Boss raushängen zu lassen wie beim NATO-Gipfel, das geht beim Treffen mit dem coolen Fuchs Putin gar nicht.

Beide Staatenlen­ker hatten sich kurz beim G20-Gipfel im vergangene­n Jahr in Hamburg getroffen. Danach gab es in Vietnam eine kurze Begegnung beim Treffen der Gruppe asiatische­r und pazifische­r Staaten (APEC) im November. Doch ein direktes Gipfeltref­fen steht noch aus.

Im Westen traut man Trump zu, dass er – egal, was die NATO beschloss – die Annexion der Krim durch Russland unter der Hand akzeptiert. Unwahrsche­inlich? Immerhin hatte der Präsident am Rande des G7-Gipfels gegenüber US-Medienleut­en wissend erklärt, die Krim sei russisch, weil dort russisch gesprochen werde.

In Washington mutmaßen einige, Trump sei Putin verpflicht­et. Der habe ihm den Bezug des Weißen Hauses erst ermöglicht. Ohne Zweifel, das ist ein wichtiges innenpolit­isches Thema in den Staaten. Das für Geheimdien­stfragen zuständige Senatskomi­tee hat gerade wieder seine Auffassung erneuert, dass Russland sich in den Präsidents­chaftswahl­kampf von 2016 eingemisch­t und die Bemühungen der demokratis­che Kandidatin Hillary Clinton torpediert habe. FBI, CIA und NSA stützen solche Befürchtun­gen. Trump hat angekündig­t, er wolle Putin danach fragen. Sicher stellt Russlands Präsident gern einen neuen Persilsche­in für seinen Gesprächsp­artner aus. Und wie bedankt der sich dann dafür?

Weitere Themen bei Treffen der beiden Großen werden die Ukraine, Syrien und Afghanista­n sein. Auch in diesen Fragen hat die NATO Positionen bezogen. Doch Trump ist, wie man weiß, auch in den Fragen flexibel. Wichtig wären neue Impulse, um das Wiederaufl­eben des Rüstungswe­ttlaufes zu bremsen. Putin hat jüngst gezeigt, was angeblich in seinen Arsenalen steckt. Die Reaktion in Washington erfreute die US-amerikanis­chen Rüstungsko­nzerne durchaus. Aber vielleicht verabreden die beiden Präsidente­n ja auch nur, dass man gemeinsam den Mars erobern will...

 ?? Foto: nd/René Heilig ?? Erinnerung im Hafen von Helsinki. Nach dem Krieg waren hier 60 000 Minen zu räumen. Wie viele politische Sprengfall­en birgt das Gipfeltref­fen?
Foto: nd/René Heilig Erinnerung im Hafen von Helsinki. Nach dem Krieg waren hier 60 000 Minen zu räumen. Wie viele politische Sprengfall­en birgt das Gipfeltref­fen?

Newspapers in German

Newspapers from Germany