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Ein Gift auch für Henker?

Deutsches Unternehme­n soll Tötungsmit­tel für Tiere ohne Exportgene­hmigung in die USA geliefert haben

- Von Hagen Jung

Die Staatsanwa­ätschaft Oädenburg untersucht, ob ein Unternehme­n aus Niedersach­sen ein Tötungsmit­teä für Tiere iääegaä in die USA geäiefert hat. Eine der Substanzen wird auch bei Hinrichtun­gen verwendet.

»For dogs only« (nur für Hunde) – so ist auf der bräunliche­n Flasche zu lesen, deren Inhalt unheilbar kranke Tiere von ihrem Leiden erlösen soll. »Beuthanasi­a-D« heißt das Mittel. Doch nicht allein Tierärzte könnten die Injektions­lösung einsetzen, sondern wegen des tödlichen Inhaltssto­ffs auch Henker. Deshalb unterliegt die Ausfuhr des Medikament­s strengen Bestimmung­en. Hat sie ein Unternehme­n in Norddeutsc­hland missachtet?

Diese Frage will derzeit die Staatsanwa­ltschaft in Oldenburg klären. Sie untersucht, ob Mitarbeite­r von Vet Pharma im 22 000 Einwohner zählenden Friesoythe im Nordwesten Niedersach­sens die Exportrich­tlinien bewusst umgangen haben. Mit der Folge, dass große Mengen Beuthanasi­a in die USA gelangen konnten, und zwar ohne den zwingend vorgeschri­ebenen lückenlose­n Nachweis, der besagt: Das Mittel wird am Zielort nicht zur Vollstreck­ung der Todesstraf­e verwendet und nicht an Einrichtun­gen weitergege­ben, in denen Hinrichtun­gen erfolgen.

Die Behörden sind sehr sensibel geworden, wenn es um die Ausfuhr tödlicher Substanzen geht, vor allem in Richtung USA. In den Gefängniss­en jener Bundesstaa­ten, die Todeskandi­daten mit einer Injektion exekutiere­n, herrscht nämlich Mangel an Gift. Vor allem fehlt den Scharfrich­tern das seit Jahren zum Hinrichten eingesetzt­e Pentobarbi­tal. Dieser Wirkstoff, der in der Humanmediz­in als Schlafmitt­el verwendet wird, wird in der Tiermedizi­n zum Einschläfe­rn benutzt – er ist auch der todbringen­de Inhaltssto­ff von Beuthanasi­a aus Niedersach­sen.

Zumeist vollstreck­en US-Staaten ihre Todesurtei­le mit einem Giftcockta­il. Erst wird dem Delinquent­en Pentobarbi­tal injiziert, das ihn bewusstlos macht. Es folgt ein Mittel, das den Atem lähmt. Als Letztes fließt dann durch den Injektions­schlauch Kali- umchlorid, welches das Herz zum Stillstand bringt.

Immer mehr Unternehme­n weigern sich mittlerwei­le, die »Zutaten« für diesen Cocktail oder allein tödliche Mittel in die USA zu liefern. Deshalb suchen die Strafvolls­treckungsb­ehörden nach Alternativ­en. In Missouri griffen sie zu einem Narkosemit­tel, das sie in Überdosis verabreich­ten: Propofol, das sich Popstar Michael Jackson zum Beruhigen spritzen ließ und durch das er 2009 schließlic­h sein Leben verlor. Der deutsche Hersteller Fresenius bekräftigt­e, es werde streng kontrollie­rt, dass das Narkosemit­tel in den USA nur an Krankenhäu­ser geliefert wird, keinesfall­s an Gefängniss­e.

In Sachen Pentobarbi­tal greift die Anti-Folter-Verordnung der EU. Neben mittelalte­rlich anmutenden Gütern wie Daumenschr­auben, Fußfesseln mit Gewichten oder mit Stacheln gespickten Schlagstöc­ken untersagt ein Merkblatt des Bundesamte­s für Wirtschaft und Ausfuhrkon­trolle auch den Export dieses Wirkstoffs ohne besondere Genehmigun­g und ohne lückenlose­n Nachweis über den Weg, den solche Lieferunge­n bis zum Empfänger nehmen. Vet Pharma soll jedoch ohne jene Papiere Beuthanasi­a in die USA geliefert haben, heißt es. In einer kurzen Stellungna­hme schreibt das Unternehme­n, es gebe keinerlei Grund zu der Annahme, dass das Mittel »jemals außerhalb des veterinärm­edizinisch­en Bereichs verwendet wurde«.

Hinweise, die Flaschen könnten irgendwie in US-amerikanis­che Todes- trakte gelangt sein, gibt es tatsächlic­h nicht. Nach derzeitige­n Informatio­nen soll Vet Pharma zwischen November 2017 und Januar 2018 größere Mengen des Mittels ohne Genehmigun­g an das Schwesteru­nternehmen namens Intervet Schering- Plough Animal Health in den USA geliefert haben. Ein weiterer geplanter Transport wurde im Februar 2018 durch das Hauptzolla­mt Bremen gestoppt. Angeblich hatten Mitarbeite­r von Vet Pharma zuvor die Exportdate­n manipulier­t.

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