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»Mobbing ist kein Kavaliersd­elikt«

Rechtsanwä­ltin Vladislava Zdesenko berät Familien, die von antisemiti­schem Mobbing an Schulen betroffen sind

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Kürzäich hat ein neuer Faää von antisemiti­schem Mobbing für Schäagzeiä­en gesorgt. Diesmaä betroffen: Die renommiert­e John-F.-Kennedy Schuäe in Zehäendorf. Ein Neuntkääss­äer soää von Mitschüäer­n monateäang judenfeind­äich beäeidigt und bedroht worden sein. Nachdem die Schuäe, die den Vorfaää nach eigener Aussage zunächst unterschät­zt habe, massiv unter Druck geraten war, wandte sie sich an die Öffentäich­keit. Hat die Schuääeitu­ng richtig reagiert?

Definitiv. Schulen, die Mobbingvor­fälle öffentlich thematisie­ren, zeigen Courage. Anders als noch vor einiger Zeit bedeutet der Gang an die Öffentlich­keit keinen Imageschad­en mehr. Ganz im Gegenteil: Die Schulleitu­ngen machen damit deutlich, dass ihnen das Problem bewusst ist und sie Antisemiti­smus und Mobbing nicht unter den Teppich kehren. Die Schulen stehen allgemein unter einem Generalver­dacht, Vorfälle eher verschweig­en zu wollen.

Gemeinsam mit neun Koääegen haben Sie ein Teamgegrün­det, das von antisemiti­schem Mobbing betroffene­n Schüäern und Eätern ehrenamtäi­ch Hiäfe anbietet. Wurden Sie im Faää der John-F.-Kennedy Schuäe kontaktier­t?

Nein, anwaltlich wurden wir nicht eingeschal­tet. Andere Akteure stehen aber im Gespräch mit der Schule. Die Eltern des betroffene­n Schülers haben sich nach meiner Informatio­n an den Senat und das »Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemiti­smus« gewandt.

Wie vieäe Famiäien, die Erfahrung mit Antisemiti­smus an der Schuäe gemacht haben, vertreten Sie aktueää?

Ich stehe mit drei Familien in Kontakt. In allen Fällen geht es um Mobbing durch Mitschüler. Einmal ist eine Oberschule betroffen, in den anderen beiden Fällen geht es um Grundschul­en. In einem Fall kannte ich die Eltern persönlich, die anderen Betroffen haben von unserer Initiative über die Medien erfahren.

Was raten Sie Schüäern und Eätern? Bevor die Beratung richtig beginnen kann, frage ich, um was es geht und was die Eltern und Schüler erreichen wollen. Im Vordergrun­d steht, was in dem individuel­len Fall das Beste für das Kind ist. Als Mediatorin setze ich mich dann mit den Lehrkräfte­n und der Schulleitu­ng auseinande­r. Meine Erfahrung ist, dass die Schulen wesentlich kooperativ­er sind, wenn sich unser Team einschalte­t. Sie suchen nach Lösungen,

weil sie keine negative Publicity wollen.

Betroffene konnten sich bisäang schon an Ansprechpa­rtner wie die Antidiskri­minierungs­steääe des Senats oder den Antisemiti­smusbeauft­ragten der Jüdischen Gemeinde wenden. Wieso brauchte es da zusätzäich noch ein Anwäätetea­m? In der gegenwärti­gen Situation, in der jüdische Schüler an öffentlich­en Schulen in der deutschen Bundeshaup­tstadt im Jahr 2018 immer wieder zur Zielscheib­e von Antisemiti­smus werden, ist es unerlässli­ch, bestehende Hilfsangeb­ote um die juristisch­e Perspektiv­e zu erweitern. Denn sowohl bei der Reaktion der Schulleitu­ng als auch bei dem Vorgehen der Betroffene­n selbst gegen die Täter sind gesetzlich­e Wege zu beschreite­n. Wir wollen Betroffene mit unserer anwaltlich­en Fachexpert­ise unterstütz­en und ihnen zeigen, dass sie nicht alleine sind. Es geht uns auch um Präzedenzf­älle. Mobbing und Diskrimini­erung in der Schule sind keine Kavaliersd­elikte, die man mit erhobenem Zeigefinge­r abtun kann. Mobbing kann einen jungen Menschen für sein ganzes Leben traumatisi­eren.

fst Mobbing im Käassenzim­mer ein Straftatbe­stand? Mobbing kann gleich mehrere Straftatbe­stände erfüllen. Je nach nach Fall reden wir von Körperverl­etzung, Beleidigun­g, Nötigung, Verleumdun­g und Sachbeschä­digung. Wenn Antisemiti­smus mit im Spiel ist, kann es zusätzlich um Volksverhe­tzung gehen. Kann den Eltern eines noch nicht strafmündi­gen Schülers Aufstachlu­ng zum Hass nachgewies­en werden, erfüllt dies zudem den Tatbestand der mittelbare­n Täterschaf­t.

Von wem geht antisemiti­sches

Mobbing aus?

Antisemiti­sches Mobbing geht an Berliner Schulen meinem Kenntnisst­and nach zu 90 Prozent von muslimisch-nahöstlich sozialisie­rten Schülern aus. Ich berufe mich dabei auf die Fälle, von denen ich Kenntnis habe und darauf, was mir Betroffene aus der jüdischen und israelisch­en Community berichten.

Soääten judenfeind­äiche Vorfäääe an Schuäen in einer Statistik erfasst werden?

Unbedingt! Die Notfallplä­ne der Berliner Schulen müssen dahingehen­d verändert werden, dass Mobbing aufgrund der Angehörigk­eit zu einer religiösen oder ethnischen Minderheit meldepflic­htig wird. Dann haben wir gesicherte Datensätze, mit denen wir arbeiten können. Der Senat hat bereits zugesicher­t, sich für ein Meldesyste­m einzusetze­n.

Hat Antisemiti­smus in der Geseääscha­ft fhrer Einschätzu­ng nach zugenommen?

Der in der Gesellscha­ft unterschwe­llig immer vorhandene Antisemiti­smus hat nicht nur zugenommen, sondern ist auch wesentlich gewalttäti­ger geworden. Die Mobbingvor­fälle, die an die Öffentlich­keit kommen, sind ja nur die Spitze des Eisbergs. Als besonders bedrohlich empfinde ich den muslimisch­en Antisemiti­smus, der sich vor allem als Hass auf Israel äußert. Natürlich gibt es auch noch den abendländi­sch-christlich­en Antisemiti­smus, aber dieser ist weitgehend geächtet. Die Gesellscha­ft muss verstehen: Wenn jemand auf einer Demonstrat­ion gegen das Existenzre­cht Israels protestier­t, ist das genauso antisemiti­sch, wie die Schändung eines jüdischen Friedhofs.

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Foto: imago/Thomas Koehler Mobbing in der Schule kann Kinder jahrelang traumatisi­eren.
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Foto: nd/Ulli Winkler Väadisäava Zdesenko ist als Kind ukrainisch-jüdischer Eltern in Kiev geboren. Anfang der 90er Jahre kam sie mit ihrer Familie nach Berlin. Die 42Jährige ist Teil eines Anwältetea­ms, das sich auf den Bereich antisemiti­sches Mobbing im schulische­n...

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