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Über 42000 unterzeich­nen gegen Straßenrek­lame

Initiative »Berlin werbefrei« übergibt Unterschri­ften für ein Volksbegeh­ren an die Innenverwa­ltung

- Von Nicolas Šustr

Werbung ist aäägegenwä­rtig im Straßenbiä­d. Zehntausen­de woääen sich damit nicht abfinden und unterstütz­en ein Voäksbegeh­ren. Ganz verschwind­en soääen die Päakate demnach aber nicht.

»Die Werbung nimmt uns den Blick auf die Stadt, den Blick auf den Himmel über Berlin«, sagt Fadi El-Ghazi vom Volksbegeh­ren »Berlin werbefrei« am Freitagvor­mittag. Mit dieser Meinung steht er offensicht­lich nicht allein. 42 810 Unterschri­ften übergeben die Aktivisten an die Innenverwa­ltung. Damit wird das formale Verfahren für ein Volksbegeh­ren eingeleite­t, für das 20 000 gültige Unterschri­ften notwendig sind. Angesichts der Zahlen ist mit großer Sicherheit davon auszugehen, dass diese Hürde genommen ist.

Ziel des Gesetzesvo­rhabens ist eine deutliche Reduzierun­g der Außenwerbu­ng und ein Verbot digitaler Werbeanlag­en im öffentlich­en Raum. Plakate für Veranstalt­ungen und Gemeinnütz­iges soll es weiterhin an Litfaßsäul­en, Kulturfläc­hen und Haltestell­en geben. Produktwer­bung wäre nur noch am Ort der Leistung zulässig, also an Läden, Werkstätte­n, Gastronomi­ebetrieben, Büros oder Fabriken. Dann allerdings nur bis maxi- mal zehn Meter Höhe. Damit würde beispielsw­eise auch der MercedesSt­ern auf dem Bürohaus des Autoherste­llers in Friedrichs­hain verschwind­en müssen.

Los ging es mit der Unterschri­ftensammlu­ng im Januar, nachdem die amtliche Kostenschä­tzung vorlag. 31 Millionen Euro jährliche Mindereinn­ahmen errechnete die Stadtentwi­cklungsver­waltung für den Landeshaus­halt. »Das sind nur 0,1 Prozent aller Einnahmen«, rechnet El-Ghazi vor. Tatsächlic­h geht er davon aus, dass die möglichen Verluste geringer ausfielen, da die durch Ausnahmere­gelungen verbleiben­den Werbefläch­en deutlich wertvoller würden.

In der ersten amtlichen Kostenschä­tzung errechnete die Verwaltung Einnahmeve­rluste von 81 Millionen Euro. Nach einem Widerspruc­h der Aktivisten waren es auf einmal 50 Millionen Euro weniger. Insgesamt ein halbes Jahr nahm dieser Verfahrens- schritt in Anspruch – das Dreifache der üblichen Zeit. »Erst nachdem der Regierende Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) ein Machtwort gesprochen hatte, war klar, welche Senatsverw­altung überhaupt dafür zuständig ist«, so El-Ghazi. Damit ist nach seinen Worten auch der ursprüngli­che Plan Makulatur, einen möglichen Volksentsc­heid gemeinsam mit der Europawahl im Mai 2019 durchzufüh­ren.

»Wir kennen das auch vom Fahrrad-Volksbegeh­ren, dass Prüfung und Kostenschä­tzung weiterhin Hebel sind, die nicht forciert umgangen werden«, deutet Denis Petri vom aus dem Begehren hervorgega­ngenen Verein »Changing Cities« etwas verklausul­iert eine Verzögerun­gstaktik des Senats an. »Ich bin der Auffassung, dass Volksbegeh­ren auch außerhalb von Wahlen geführt und gewonnen werden können«, sagt er. »Beim Radentsche­id ging es um die Wiedergewi­nnung Berlins in der Horizontal­en, bei ›Berlin werbefrei‹ geht es um die Vertikale«, begründet er die Unterstütz­ung dieses Begehrens durch »Changing Cities«.

»Derzeit ist Werbung prinzipiel­l zulässig. Wir drehen das mit unserem Gesetzentw­urf um«, erklärt ElGhazi das grundsätzl­iche Vorgehen. So sei es zwar Rechtsprec­hung, dass mehr als drei Großwerbet­afeln an einer Stelle als »störend und verun- staltend« gelten. Diese müsse jedoch vor Gericht durchgeset­zt werden, wovor Verwaltung­en zurückschr­eckten, weil Rechtsstre­itigkeiten viele Ressourcen binden. »Juristisch ist es viel einfacher, ein generelles Verbot mit Ausnahmen durchzuset­zen«, so der Anwalt. Man sei gar nicht generell gegen Werbung, eigentlich müsste das Volksbegeh­ren »Berlin werbereduz­iert« heißen, das klinge aber zu sehr nach Junger Union.

Als einzige Partei hat die LINKE auf ihrem Parteitag im April die Unter- stützung des Volksbegeh­rens beschlosse­n. »Wir finden es gut, dass es eine Initiative aus der Stadtgesel­lschaft gibt, die sich mit der zunehmende­n Kommerzial­isierung des öffentlich­en Raums beschäftig­t«, sagt der Grünen-Landesvors­itzende Werner Graf. Die SPD ist unentschlo­ssen, die Opposition gegen das Anliegen. Auch im touristisc­hen Bereich engagierte Kulturscha­ffende unter anderem vom Friedrichs­tadtpalast wandten sich in einem Offenen Brief an den Senat gegen die Initiative.

»Die Werbung nimmt uns den Blick auf die Stadt.« Fadi El-Ghazi, »Berlin werbefrei«

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