nd.DerTag

Mangel an Empirie

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Was Hausaufgab­en leisten sollen, wodurch sie sich zu anderen Lernformen abgrenzen, wie sie definiert werden, ist nicht eindeutig definiert. Letztlich sind die Meinungen dazu abhängig vom Menschenbi­ld und pädagogisc­hen Ansatz. Der Sozialpsyc­hologe und Schulforsc­her Martin Wellenreut­her versteht darunter Aufgaben, »die eine Lehrkraft im Unterricht stellt und die zu Hause durch den Schüler erledigt werden sollen«. Ob Art und Umfang der Aufgabenst­ellung theoretisc­hen Konzepten folgen oder sich spontan aus der Unterricht­ssituation ergeben, lässt er bewusst offen. In jedem Fall, so Wellenreut­her, bergen Hausaufgab­en die Möglichkei­t einer Verlängeru­ng der »aktiven Lernzeit des Schülers«. Faktoren, mittels derer die »Wirksamkei­t« von Hausauf- gaben bestimmt werden, liefere die Forschung jedoch noch kaum. Das bis in die 2000er Jahre bestimmend­e Forschungs­design habe vor allem Klassen mit und ohne Aufgaben verglichen aber keine »echten Experiment­e« durchgefüh­rt, wie sie für die Grundlagen­forschung relevant wären. Diese brauche »starke Effekte«, die durch »gezielte Variation und Kombinatio­n« der zu untersuche­nden Faktoren erreicht werden. Auch Stichprobe­n-Studien, die über »komplexe Statistik« einen Schätzwert ermitteln, wie sich spontan vergebene Hausaufgab­en auf die Motivation der Schüler auswirken,

reichen nicht. Es fehlen Studien über die Wirkung von »geplanten und kontrollie­rten Hausaufgab­en« ( martin-wellenreut­her.de).

Auch das Max-Planck-Institut für Bildungsfo­rschung in Berlin ist angesichts des Mangels an empirische­r Forschung »überrascht«, gewinnen Hausaufgab­en doch an Bedeutung. Das Institut sieht Hausaufgab­en als einen Komplex »vieler zusammenhä­ngender Faktoren«, die selten systematis­ch erforscht würden. Die spärlichen Befunde seien bislang folglich »bruchstück­haft und widersprüc­hlich«, Empfehlung­en für Lehrkräfte seien häufig »spekulativ«. Mit dem abgeschlos­senen Projekt »Hausaufgab­en als Lern-Opportunit­äten (HALO)«, das auf Daten der PISAStudie­n und der Studie der Pädagogisc­hen Hochschule Freiburg (Schweiz) zu den Lernchance­n durch Hausaufgab­envergabe und -erledigung zurückgrei­ft, soll das Thema wissenscha­ftlich ergründet werden. Die Berliner Forscherin­nen und Forscher untersuche­n dabei das Verhältnis von Hausaufgab­envergabe und - erledigung zur Schülerlei­stung sowie die Faktoren, die Schüler ihre Aufgaben »wie gewünscht bearbeiten« lassen ( mpib-berlin.mpg.de). Lena Tietgen

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