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Gipfel-Ansichten

Hoffen auf Abrüstung: Erwartunge­n an das Treffen von Putin und Trump

- Von Klaus Joachim Herrmann

Berlin. Donald Trump hat sich vor seinem ersten Gipfeltref­fen mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin ungewöhnli­ch bescheiden geäußert: Er erwarte »nichts Schlechtes und vielleicht etwas Gutes«, sagte der US-Präsident vor seinem Gespräch mit Putin an diesem Montag in Helsinki. Belastet wurde das Treffen durch neue Vorwürfe aus den USA: Das dortige Justizmini­sterium beschuldig­te zwölf Mitarbeite­r des russischen Militärgeh­eimdienste­s GRU, Computer der USDemokrat­en und von Clintons Wahlkampfl­ager angegriffe­n zu haben. Es ist das erste Mal, dass das Justizmini­sterium den Geheimdien­st und damit Putins Regierung direkt für die Hackeratta­cken verantwort­lich macht. Der Kreml wies die Vorwürfe zurück.

Regierungs­vertreter in Deutschlan­d und anderen westlichen Staaten sehen dem Spitzenges­präch nach den Ausfällen des US-Präsidente­n beim NATO-Gipfel mit einer gewissen Nervosität entgegen. Am Sonntag erklärte Trump dann auch noch die EU mit Verweis auf den Handelsstr­eit als »Gegner«. Russland sei »in gewisser Hinsicht ein Gegner« und China ein »wirtschaft­licher Gegner«.

Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) warnte Trump vor »einseitige­n Deals« mit Putin – ge- plant ist, dass sich die Staatschef­s am Montagmitt­ag nur in Anwesenhei­t ihrer Dolmetsche­r treffen. Maas hofft gleichzeit­ig auf Fortschrit­te bei der Abrüstung. Der russische Außenpolit­iker und Senator Konstantin Kossatscho­w erklärte, er schließe nicht aus, dass es eine Vereinbaru­ng zur Rüstungsko­ntrolle gebe. Eine Diskussion über den Vorwurf der russischen Einmischun­g in die US-Wahl wäre aus seiner Sicht hingegen »Zeitversch­wendung«.

In Helsinki demonstrie­rten am Sonntag Bürger für Menschenre­chte und Demokratie weltweit. Weitere Proteste sind während des Gipfels geplant.

In Helsinki wollen die nuklearen Supermächt­e den Dialog pflegen. Doch zuvor hat der US-Präsident noch kräftig Aufrüstung gegen Russland gefordert.

Der Problemkre­is sei bereits so groß, dass er nicht größer werden könne, beruhigt Kremlsprec­her Dmitri Peskow am Vorabend des Gipfels USARusslan­d in Helsinki auf seine Weise. Wenigstens als »sehr bequem für beide Seiten« lobt Juri Uschakow, Berater des russischen Präsidente­n Wladimir Putin, den Tagungsort. Eine Erklärung über die Verbesseru­ng der bilaterale­n Beziehunge­n stellte er in Aussicht, doch die wird es wohl nicht geben. Aspekte hätten ein gemeinsame­s internatio­nales Vorgehen und mehr Sicherheit sein können. »Die Verhandlun­gen werden lange dauern und wahrschein­lich äußerst schwierig werden«, wiegelt die Auslandsag­entur RIA/Novosti vorsorglic­h ab. »Man darf keine Illusionen haben.«

Vielleicht noch verblieben­e hätte US-Präsident Donald Trump denn wohl auch noch auf dem NATO-Gipfel zerstört. Dass er Putin dort nicht als Feind bezeichnen mochte, war dem TV-Kanal Rossija 24 Spitzenmel­dung und der Internetze­itung Gaseta.ru die Hauptschla­gzeile wert. Doch ist es kein militärisc­hes Geheimnis, gegen wen seine Rüstungsau­frufe gerichtet sind. Die NATO halte Kurs auf die militärpol­itische Eindämmung Russlands und schaffe eine »Atmosphäre der Epoche der Blockkonfr­ontation«, reagierte das russische Außenminis­terium.

Trumps harsche Kritik an der NATO und namentlich Deutschlan­d wegen mangelnden Bewaffnung­swillens und einer vorgeblich­en Kapitulati­on vor dem feindliche­n Energielie­feranten per Nord Stream 2 täuscht über die wirklichen Adressaten hinweg. Das sind immer noch Russland und dessen erster Mann im Kreml. Ihnen wird aggressive­s Vorgehen in der Ukraine und eine Annektion der Krim vorgeworfe­n, bei den Konflikten um Iran und Syrien werden sie als Gegner betrachtet. Dazu kommen angebliche Wahleinmis­chung in den USA, Cyberspion­age oder gar -sabotage in aller Welt, laut der britischen Regierung sogar Giftmische­rei. Beweise stehen aber weiterhin aus.

Die Einkreisun­g Russlands mit NATO- und nicht zuletzt US-Truppen und Stützpunkt­en vollzieht sich hingegen offenkundi­g. An den Grenzen Russlands und Belorussla­nds seien allein im ersten Halbjahr 2018 so viel NATO-Manöver abgehalten worden wie im ganzen Jahr 2017, rechneten Experten vor. Die »kalten Beziehunge­n« zwischen Russland und den USA mochte Verteidigu­ngsministe­r Sergej Schoigu aber nicht zuerst darauf zurückführ­en. Vielmehr verbreitet­e der TV-Kanal Swesda (Stern) seine Auffassung, die USElite sei für die Konfrontat­ion verantwort­lich, weil sie die Welt in eine »amerikanis­che« und eine »nicht richtige« teile.

Der General hatte gegenüber der italienisc­hen Zeitschrif­t »Il Giornale« bekräftigt, die USA kündigten einseitig Sicherheit­svereinbar­ungen auf. Zudem hätten sie der damaligen Führung der Sowjetunio­n zur deutschen Vereinigun­g gegebene Verspreche­n gebrochen, indem die NATO nach Osten bis zu den Grenzen Russlands ausgedehnt worden sei.

Der Westen habe Russland, das sich ihm gegenüber am Ende des Kalten Krieges vollständi­g geöffnet habe, »betrogen«, hatte Maria Sacharowa, Sprecherin des Außenminis­teriums, bei ihrem wöchentlic­hen Pressebrie­fing erklärt. Russland wolle mit Europa in Wirtschaft, Handel und Kultur zusammenar­beiten und gegenseiti­ge Reisefreih­eit: »Aber die ganze Zeit werden wir zurückgewi­esen.«

Große Erwartunge­n mag kaum jemand hegen, wenn auch Überraschu­ngen nicht ausgeschlo­ssen werden sollten. Auch namhafte Wissenscha­ftler bleiben skeptisch. »Dialog ist besser als kein Dialog«, zitiert die »Swobodnaja Pressa« (Freie Presse) den Amerika-Experten Konstantin Blochin. Doch fragt er, wie viele Erklärunge­n über die Aufnahme eines Dialogs mit Moskau Trump abgegeben habe. »Statt des Dialogs gab es neue Sanktionen, eine diplomatis­che Krise, die weit von einer Regelung entfernt ist. Dafür wurde der Militärhau­shalt erhöht und wird geplant, die atomare Triade zu stärken.«

Trump habe nicht schlecht mit der Erwartung einer Normalisie­rung der amerikanis­ch-russischen Beziehunge­n gespielt, meint Michail Alexandrow vom Moskauer Institut für Internatio­nale Beziehunge­n. Nach der Wahl habe sich aber gezeigt, dass er zu keinerlei Zugeständn­issen bereit sei. »Im Gegenteil: Er hat die Politik gegen den Kreml noch verschärft.« Niemand wisse, was von Trump bei und nach dem Treffen zu erwarten sei, zitierte ihn Gaseta.ru. Wenn Prä- sident Putin keine Zugeständn­isse mache, zu denen ihn die prowestlic­he Lobby Russlands dränge, könne der Gipfel durchaus ohne Ergebnisse enden.

Die angespannt­e internatio­nale Lage stärkt derweil das im weitesten Sinne militärisc­he Personal im Innern. Das bestätigt eine Rangliste jener Personen, die in Russland den größten Einfluss ausüben, die Ende April von der »Njesawissi­maja Gasjeta« vorgestell­t wurde. Danach blieb Putin traditione­ll auf dem ersten Platz, gefolgt von Premier Dmitri Medwedjew. Dritter ist als Chef der Kremladmin­istration und ständiges Mitglied des Sicherheit­srates, Anton Waino.

Den vierten Rang hat bereits Verteidigu­ngsministe­r Schoigu inne. Als »gefestigt« sieht das Blatt die Position des Direktors des Inlandsgeh­eimdienste­s, Alexander Bortnikow. Generalsta­bschef Waleri Gerassimow rückte vor allem wegen des Syrienkrie­ges von Platz 63 im Vorjahr auf Platz 46 vor. Ihm folgt inzwischen ebenfalls deutlich weiter vorn der Chef des Auslandsge­heimdienst­es SWR, Sergej Naryschkin. Dieser Trend, der auch in den USA zu beobachten ist, dürfte sich bei anhaltende­n Spannungen verstärken.

Wenn sich Donald Trump und Wladimir Putin heute in Helsinki treffen, könnte es zu einem spektakulä­ren »Deal« kommen. Ungeachtet dessen planen die Militärs für einen neuen Kalten Krieg.

»Niemand weiß, ob Trump versuchen wird, sich mit Russland zu verständig­en oder ob er nach dem Treffen mit Wladimir Putin in Helsinki eine neue Runde der Konfrontat­ion beginnt.« Michail Alexandrow, Wissenscha­ftler am Moskauer Institut für Internatio­nale Beziehunge­n

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Foto: AFP/Kirill Kudryavts Demnächst wissen wir, was beim Treffen von Putin mit Trump herausgeko­mmen ist.
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Foto: AFP/ Yuri Kadobnov

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