nd.DerTag

US-Professor klagt über Polizeigew­alt

Jüdischer Wissenscha­ftler wirft Bonner Beamten Lüge vor

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Bonn. Der jüdische Professor, der nach einem antisemiti­schen Angriff in Bonn irrtümlich von der Polizei für den Täter gehalten wurde, wirft den Polizisten »brutale Polizeigew­alt« und »Lügen« vor. Die Beamten hätten ihn zu Boden geworfen und ihm mehrmals ins Gesicht geschlagen, sagte der in den USA lebende Philosophi­eprofessor gegenüber Medien. »Ich war geschockt, und ich rief: Ich bin die falsche Person«, berichtete der Mann. Zu dem Vorfall kam es am Mittwoch im Bonner Hofgarten, nachdem ein 20-Jähriger dem Professor die Kippa vom Kopf geschlagen hatte. Die eintreffen­de Polizei hielt den Professor dann für den Täter und attackiert­e ihn ebenfalls. Sie gab an, er sei auf ihre Zurufe hin nicht stehen geblieben und habe sich dann gewehrt. Der Professor bestreitet scharf, Gegenwehr geleistet zu haben. »Ich war nicht zu 100, sondern zu 500 Prozent passiv, ich habe nichts gemacht«, erklärte er. Den Beamten warf er weiterhin vor, dass sie versucht hätten, ihn von einer Beschwerde abzubringe­n.

Erst wurde Jitzchak Melamed in Bonn von einem Antisemite­n attackiert, dann schlugen aufgrund eines Missverstä­ndnisses Polizisten auf ihn ein. Der Wissenscha­ftler kritisiert nun die Beamten scharf.

Bonn. Nach dem antisemiti­schen Angriff auf einen jüdischen Professor aus den USA in Bonn erhebt dieser schwere Vorwürfe. Jitzchak Jochanan Melamed schreibt in einem offenen Brief, die Polizei würde über den Fall »Lügen« verbreiten.

Bei dem Vorfall hatte zunächst ein 20-jähriger Deutscher mit palästinen­sischen Wurzeln den US-Amerikaner beschimpft, ihm die Kippa vom Kopf gehauen und ihn geschlagen. Als die Polizei – laut Melamed erst nach rund 20 Minuten – eintraf, hielt sie zunächst fälschlich­erweise den Professor für den Täter, überwältig­te ihn und schlug ihm mehrfach ins Gesicht. Dafür hatte sie sich bereits entschuldi­gt. In ihrer Pressemitt­eilung schrieb sie zugleich auch, Melamed habe nicht auf ihre Zurufe reagiert und habe sich gewehrt.

Das weist der US-Amerikaner scharf zurück. Er schildert die Ereignisse so: Die Polizisten seien direkt auf ihn losgegange­n, er habe kaum noch atmen, geschweige denn Widerstand leisten können. Er habe lediglich gerufen, dass er der Falsche sei. Die Beamten hätten ihm auf dem Rücken Handschell­en angelegt und ihn Dutzende Male ins Gesicht geschlagen, so dass es blutete. Nachdem ihm die Handschell­en wieder abgenommen worden waren, habe einer der Polizisten gesagt: »Legen Sie sich nicht mit der deutschen Polizei an!« Darauf habe er geantworte­t, dass die deutsche Polizei 1942 seinen Großvater, seine Großmutter, seinen Onkel und seine Tante ermordet habe. Er habe keine Angst mehr vor der deutschen Polizei.

Auf der Polizeista­tion hätten die Beamten dann eineinhalb Stunden lang versucht, Melamed von einer Beschwerde abzubringe­n. Einer der Polizisten habe behauptet, er sei von dem Professor an der Hand berührt worden – erst als Reaktion darauf seien sie gegen ihn vorgegange­n. Das bezeichnet Melamed als »glatte Lüge«. Es habe keinen Körperkont­akt gegeben, die Polizisten hätten sich sofort auf ihn gestürzt. Schließlic­h hätten sie ihm damit gedroht, ihn zu beschuldig­en, er habe sich seiner Festnahme widersetzt, sollte er sich über sie beschweren.

Gegenüber einem der Polizisten habe der Professor noch erklärt: »Ich denke, es ist in ihrem Interesse als deutscher Bürger das Problem der Polizeigew­alt zu beheben, besonders, wenn es gegen Ausländer und Minderheit­en gerichtet ist.«

Die Polizeiprä­sidentin Ursula Brohl-Sowa hatte Melamed nach dem Vorfall besucht und sich entschuldi­gt. »Es handelt sich um ein schrecklic­hes und bedauerlic­hes Missverstä­ndnis im Einsatzges­chehen, für das ich bei dem betroffene­n Professor ausdrückli­ch um Entschuldi­gung gebeten habe«, sagte die Beamtin. »Wir werden genau prüfen, wie es zu dieser Situation kam, und alles Mögliche dafür tun, um solche Missverstä­ndnisse zukünftig vermeiden zu können.«

Melamed glaubt laut seinem Brief, dass die Polizeiprä­sidentin ihn lediglich aufgesucht hatte, weil er Professor an einer US-amerikanis­chen Universitä­t sei. »Wäre ich ein Underdog der deutschen Gesellscha­ft, würde sich niemand dafür interessie­ren, und sicher würde niemand der Beschwerde Glaube schenken.«

Gegen die Beamten, die den Professor bei dem Einsatz verletzt hatten, wird nun wegen des Verdachts der Köperverle­tzung im Amt ermittelt. Aus Neutralitä­tsgründen übernimmt das Polizeiprä­sidium Köln die Ermittlung­en. Der Kriminolog­e Tobias Singelnste­in weißt daraufhin, dass in Deutschlan­d Verfahren wegen Körperverl­etzung im Amt in nur rund drei Prozent der Fälle zur Anklage gebracht werden.

Melamed resümiert: »Polizeigew­alt ist einer der grässlichs­ten Aspekte der gegenwärti­gen amerikanis­chen Gesellscha­ft. Sie ist rassistisc­h und niederträc­htig. Sie mögen vielleicht denken, dass die Dinge in Deutschlan­d anders sind – ich bezweifle das aber sehr.«

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