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Warum Helsinki?

Finnland hat bereits früher historisch­e Treffen zwischen den Supermächt­en organisier­t

- Von Bengt Arvidsson, Stockholm

Die Wahl Helsinkis als Ort für das Treffen Trumps mit Putin ist kein Zufall: Finnland gehörte im Kalten Krieg zur sowjetisch­en Einflusssp­häre.

Nicht auf Genf oder Wien, sondern auf Helsinki wird die Welt am Montag schauen. Nach den Provokatio­nen von US-Präsident Donald Trump beim NATO-Gipfel und dann in Großbritan­nien erscheint die Wahl der Hauptstadt Finnlands als Ort für seinen ersten Gipfel mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin immer weniger ein Zufall zu sein. Während Trump seinen traditione­llen westlichen Partnern wie Deutschlan­d die kalte Schulter zeigt, soll das Treffen in Helsinki vor allem Tauwetter zwischen den USA und Russland signalisie­ren, glauben Experten.

Finnland hat bereits historisch­e Treffen zwischen den beiden Supermächt­en organisier­t. 1975 wurde die Schlussakt­e von Helsinki zwischen den USA, der UdSSR und 33 weiteren Ländern unterzeich­net. Das hatte eine weitgehend­e Verbesseru­ng der Ost-West-Beziehunge­n zur Folge. Im Jahr 1990 trafen sich George H.W. Bush und Michail Gorbatscho­w in Helsinki. 1997 folgten Bill Clinton und Boris Jelzin der Tradition in Helsinki. Bislang hatten Trump und Putin nur zwei kurze Treffen im vergangene­n Jahr, ein richtiger Gipfel kam nicht zustande, unter anderem wegen der US-Ermittlung­en zur Einflussna­hme Russlands auf die US-Wahlen zugunsten Trumps. Nun treffen sie sich, obwohl London Russland für den Nervengift­anschlag auf einen Agenten und seine Tochter in Großbritan­nien verantwort­lich macht und obwohl die NATO weiterhin die Krimannexi­on scharf verurteilt.

Das nur rund 100 Flugminute­n von Moskau entfernte Helsinki gilt dabei als Zugeständn­is an den aus St. Petersburg unweit der finnischen Grenze stammenden Wladimir Putin. Die Fußballwel­tmeistersc­haft in Russland endet zudem am Sonntag mit dem Finale, bei dem mit Putins Anwesenhei­t vor einem weltweiten Publikum gerechnet wird. Dass er genau am Tag danach mit Donald Trump in Helsinki auftritt, gilt als medienwirk­samer Schachzug.

Trump ist zwar schon in Europa, aber er begibt sich in ein neutrales, einst eng an die Sowjetunio­n angeschmie­gtes Land, das auch heute nicht zur NATO gehört, um Putin vor dessen Haustür zu treffen, so die Botschaft. Ausgerechn­et im Ostseeraum sind zudem die Spannungen zwischen der NATO und Russland besonders spürbar. Die NATO hat in den erst seit Anfang der 90er Jahre von Russland unabhängig­en drei baltischen NATO-Ländern Truppen gegen Russland stationier­t. Die Balten befürchten seit der Ukrainekri­se vermehrt Aggression­en aus Moskau. Im Ostseeraum kommt es auch immer wieder zu aggressive­n russischen Militärman­övern zur See und in der Luft.

Finnland hat zusammen mit dem ebenso neutralen Schweden in den vergangene­n Jahren seine Zusammenar­beit mit der NATO weitgehend ausgebaut. Noch näher an die NATO könnten die beiden Länder nicht mehr kommen, ohne eine Vollmitgli­edschaft anzustrebe­n, sagen Experten. Doch Moskau droht auch heute noch gern mit Konsequenz­en, sollte Finnland eine Mitgliedsc­haft erwägen. Insofern hoffen die Finnen als erfolgreic­he Gastgeber für die beiden Löwen Trump und Putin, eine Sonderstel­lung herausarbe­iten zu können, die ihnen auf beiden Seiten Vorteile einbringt. Zumindest da hat sich nicht so viel geändert im außenpolit­ischen Streben Helsinkis. Das ist verständli­ch: Die direkte Landesgren­ze zu Russland bleibt 1300 Kilometer lang – egal, wer im Kreml regiert.

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