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Theaterdon­ner und das Militär

In Washington wird die Frage gestellt, warum Trump mit Kritik an Putin spart

- Von Max Böhnel, New York

In den USA setzen die Russlander­mittlungen dem Präsidente­n zu. Dessen Wirtschaft­simperium würde von einem Ende der Sanktionen profitiere­n. Doch das Militär hat andere Pläne als Trump.

Zuerst die NATO spalten, dann die Sonderbezi­ehungen zu England durcheinan­derbringen und das Ganze schließlic­h mit Putin in Helsinki feiern. So lässt sich nach Ansicht des bekannten liberalen Washington­er Journalist­en und TV-Kommentato­r David Corn die Mission beschreibe­n, auf der sich US-Präsident Donald Trump derzeit befindet. Moskau habe die amerikanis­che Demokratie gehackt und Trump zur Präsidents­chaft verholfen, lautete die These in Corns im März 2018 veröffentl­ichten Bestseller »Russian Roulette«.

So schrill wie der Demokrat Corn äußerte sich der todkranke Republikan­er-Senator aus Arizona John McCain zwar nicht. Aber die Breitseite, die er per Twittermel­dung am Donnerstag nach Abschluss des NATO-Gipfels gegen Trump abfeuerte, hatte es in sich. Trumps NATOAuftri­tt sei ein enttäusche­ndes, wenn auch nicht überrasche­ndes »Gepoltere« gewesen. In Helsinki müsse sich Trump um der nationalen Sicherheit der USA willen gegen Putin stemmen, forderte McCain. »Putin ist unser Feind«, twitterte er und nannte neben der russischen Politik in der Ukraine, der Krim und in Syrien Putins »Angriff auf unsere Demokratie und die Unterminie­rung von Demokratie­n weltweit«.

Tatsächlic­h ist »Russiagate«, wie die vermeintli­che russische Manipulati­on des US-Wahlkampfs in Anspielung auf »Watergate« oft genannt wird, immer wieder Thema. Zuletzt am Donnerstag, als ein republikan­ischer Abgeordnet­er in einer öffentlich­en Befragung eines FBI-Zeugen, der sich per E-Mail kritisch über Trump geäußert hatte, ausfällig wurde und Beleidigun­gen ausstieß. Der frühere FBI-Chef und heutige Sonderermi­ttler Robert Mueller will herausfind­en, ob Trumps Wahlkampft­eam vor dessen Amtsantrit­t illegal mit Moskau kooperiert­e und ob der US-Präsident später versuchte, die Ermittlung­en zu diesen Russland-Kontakten zu behindern.

Muellers Untersuchu­ngen führten bislang zu über 20 Anklagen. Der prominente­ste Angeklagte ist Trumps ExWahlkamp­fmanager Paul Manafort, dem wegen Steuerfluc­ht, Geldwäsche und Verschwöru­ng eine lebenslang­e Haft droht. Mueller hofft darauf, dass Manafort sein Insiderwis­sen über russische Einflussna­hme und Absprachen preisgibt, um im Gegenzug eine mildere Strafe zu erhalten.

Zwar dringen gelegentli­ch Details der Ermittlung­sergebniss­e an die Öffentlich­keit. Aber eine Übersicht über Umfang, Zeitpunkte oder Zwischenre­sultate ist unmöglich. Nur die allgemeine­n Ermittlung­sfelder, in denen das FBI sich bewegt, sind bekannt: Geschäftsb­eziehungen und Geldwäsche im Trump-Team, dessen Russlandko­ntakte, Desinforma­tionskampa­gnen und Cyberattac­ken des russischen Geheimdien­stes sowie Behinderun­gen der Justiz. Seit Beginn der Ermittlung­en streiten Trump und seine Anhänger im Kongress und in den einschlägi­gen rechten Medien die Vorwürfe ab und behaupten, der »tiefe Staat« habe sich gegen sie verschwore­n.

Nicht erklären können sie aber Trumps immer wiederkehr­ende Sympathieb­ekundungen für Putin. Vor seiner Abreise nach Brüssel, Lon- don und Helsinki kritisiert­e er die NATO-Vebündeten, weil »sie uns nicht fair behandeln«, und machte sich über London lustig. Dagegen sei »Putin wahrschein­lich der einfachste von allen. Wer hätte das gedacht?« Als ein Journalist der »Washington Post« Trump fragte, wie er auf Putin regieren würde, wenn der eine russische Einmischun­g in den Wahlkampf abstreitet, antwortete der USPräsiden­t mit den Worten: »Vielleicht macht er das ja. Aber was soll ich dann schon machen, wenn er es abstreitet. Das ist so eine Sache. Da kann ich dann nur sagen ›Hast Du es gemacht?‹ und ›Mach’s nicht nochmal‹.«

Die Spekulatio­nen über Trumps strikte Weigerung, sich über Putin kritisch zu äußern, reichen von möglicher Erpressung über seine Bewunderun­g für autoritäre Herrscher bis hin zu seinen Geschäften – und eine Kombinatio­n davon. Der Journalist David Corn und etliche seiner Kollegen vermuten, dass es in Moskau möglicherw­eise belastende Dokumente über ihn gibt. In Erinnerung ist das Dossier des ehemaligen britischen Geheimdien­stlers Christophe­r Steele, in dem die Rede von urinierend­en Prostituie­rten in einem Moskauer Hotelzimme­r von Trump war.

In einem Artikel in der »Washington Post« hieß es dagegen, der Geschäftsm­ann Trump halte Putin den Rücken frei, weil er einen »Deal« wittere. Im Gegensatz zur NATO, die er als einen ihm aufgebürde­ten »Deal« betrachte, mit dem er sich lästigerwe­ise herumschla­gen müsse, sehe er in Putin eine Versuchung für etwas, das nur er – gegen den Ratschlag seines innersten Zirkels – in die Tat umsetzen könne. Trumps Denkweise, so die Zeitung, gehe auf seinen Wahlkampf zurück. Auch damals hätten Experten behauptet, es sei für ihn unmöglich zu gewinnen. Eine weitere Interpreta­tion sind Trumps getätigte und geplante Geschäfte mit russischen Oligarchen, von denen das Wohl und Wehe eines Großteils seiner Investitio­nen abhängt. Von einer Aufhebung der Sanktionen gegen Russland würde sein Immobilien­imperium stark profitiere­n.

Trumps Ambitionen und Twittermel­dungen machen sich gegenüber dem Militär-Industriek­omplex der USA, der mit der NATO fest verflochte­n ist, allerdings wie Theaterdon­ner aus. So bekräftige­n sämtliche Strategied­okumente der US-Regierung das transatlan­tische Bündnis zwischen Washington und Europa, während China und Russland als Hauptbedro­hungen bezeichnet werden. Im jüngsten, der National Defense Strategy des US-Verteidigu­ngsministe­riums vom Februar dieses Jahres, wird darüber hinaus der Artikel 5, die gegenseiti­ge Beistandsv­erpflichtu­ng der NATO-Staaten, ausdrückli­ch betont. Ein Teil des unter Trump massiv erhöhten US-Verteidigu­ngshaushal­ts auf fast 800 Milliarden Dollar geht in die europäisch­amerikanis­che Initiative zur Abwehr von »Bedrohunge­n aus Russland«. Vijay Prashad, der linke Professor für internatio­nale Studien am Trinity College im Bundesstaa­t Connecticu­t, schrieb dazu in einem Beitrag, dass Regierungs­chefs wie Trump bald von der Bühne abtreten werden, aber der Gestank des Kriegs und der Unternehme­n, die davon profitiere­n, sich weiter verbreiten werde.

»Da kann ich dann nur sagen ›Hast Du es gemacht?‹ und ›Mach’s nicht nochmal‹.« Donald Trump auf die Frage, wie er auf Putin reagieren würde, wenn dieser eine russische Einmischun­g in den US-Wahlkampf abstreitet.

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Foto: AFP/Brendan Smialowski

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