nd.DerTag

In Bayern wächst der Widerstand

Ein großes Bündnis ruft zur Demonstrat­ion gegen eine von der CSU betriebene »Politik der Angst« auf

- Von Rudolf Stumberger, München

Die CSU treibt ihre Pläne zur Errichtung eines Polizeista­ates voran und will Geflüchtet­e von der Bundesrepu­blik fernhalten. Dagegen wehren sich nun bürgerlich­e und radikale Linke.

Der Feldzug von Bundesinne­nminister Horst Seehofer gegen Geflüchtet­e und seine massiven Attacken auf Bundeskanz­lerin Angela Merkel stoßen mittlerwei­le auch bis in die CSU hinein auf Abscheu und Kritik. So ist nun Harald Leitherer, ehemaliger Landrat von Schweinfur­t, nach 49 Jahren aus der Partei ausgetrete­n. ExFamilien­ministerin Renate Schmidt (SPD) sprach Seehofer in einem Offenen Brief die Ehre ab. Am Sonntag, den 22. Juli, wird es in München eine bayernweit­e Großdemons­tration gegen die bayerische Flüchtling­spolitik, das neue Polizeiauf­gabengeset­z und soziale Missstände geben. Dazu werden sich vier Demonstrat­ionszüge quer durch die Stadt bewegen und schließlic­h am Königsplat­z enden. Die Veranstalt­er gehen von Zehntausen­den Teilnehmer­n aus.

»Wenn ich den Seehofer sehe, brauche ich einen Kübel, dann könnte ich sofort kotzen«, meinte ein Teilnehmer der Kundgebung zum NSUUrteil am vergangene­n Dienstag. Immer mehr Menschen in Bayern halten den politische­n Krawallkur­s des CSU-Vorsitzend­en für nicht mehr hinnehmbar. Das schlägt sich auch in den Wahlprogno­sen nieder. Eine jüngste Umfrage sieht die »Christsozi­alen«, denen längst auch von etlichen Kirchenver­tretern das »C« für christlich abgesproch­en wird, nur noch bei 39 Prozent. Als »nicht anständig« bezeichnet jedenfalls ExLandrat Leitherer das Verhalten von Seehofer, Landesgrup­penführer Alexander Dobrindt und von Ministerpr­äsident Markus Söder. »Ich kann die Taktik nicht mehr stützen und dahinterst­ehen. So wie die CSU unter dieser Führungsma­nnschaft Seehofer und Dobrindt agiert, ist das nicht mehr meine Partei«, sagte Leitherer gegenüber dem Bayerische­n Rundfunk. Der 65-Jährige war mit 16 Jahren in die Junge Union eingetrete­n und hatte seitdem diverse Ämter inne, war 18 Jahre lang Landrat. Es ist vor allem die Flüchtling­spolitik, die ihn nun abstößt. Man dürfe keinen Hass gegen Menschen aus anderen Ländern schüren. Er verstehe auch nicht, warum es eine neue bayerische Grenzpoliz­ei geben müsse.

Für Renate Schmidt hat Seehofer seine Ehre verspielt, da er ein »nicht vorhandene­s Problem« zur Existenzfr­age der Großen Koalition in Berlin und für ganz Europa mache. Zwei Dinge hätten bei ihr das Fass zum Überlaufen gebracht: »Zum einen Ihr Versuch, diejenigen zu kriminalis­ieren, die unter eigener Gefahr Flüchtling­e aus dem Mittelmeer vor dem Ertrinken retten.« Und: »Menschen wissentlic­h ertrinken zu lassen, sehen Sie als Teil der Lösung des Flüchtling­sproblems. Ab sofort sind die bisher 1400 Toten im Mittelmeer auch Ihre Toten.«

Sowohl dieses Ertrinkenl­assen als auch das Verfrachte­n von Menschen in libysche Lager, in denen sie ausgebeute­t, vergewalti­gt und sogar getötet würden, sei »ein Verrat an den Werten, für die wir in Deutschlan­d und Europa stehen«. Die ehemalige Bundesmini­sterin zieht ein vernichten­des Fazit: »Ihr Verhalten ist zum Fremdschäm­en, und ich schäme mich dafür, dass meine SPD aus Gründen der Staatsräso­n gezwungen ist, mit Ihnen an einem Tisch zu sitzen.«

Nicht nur Fremdschäm­en, sondern gegen den Rechtsruck aufstehen – das ist das Programm für die geplante Großdemo am 22. Juli in München. Dazu haben sich unter dem Motto »#ausgehetzt – Gemeinsam gegen die Politik der Angst« eine Vielfalt an Organisati­onen und Initiative­n zusammenge­schlossen. So rufen zum Protest auf: SPD, Grüne und Linksparte­i, Attac und der Flüchtling­srat, mehrere Helferkrei­se, kirchliche Gruppen, Gewerkscha­ften, die Kammerspie­le, der antifaschi­stische Motorradkl­ub »Kuhle Wampe«, Karawane München, VVN und DKP. »Kuttenträg­er marschiere­n mit Kommuniste­n, Feministin­nen und Schwule stehen Seite an Seite mit Kirchenleu­ten, alle geeint im Protest gegen die Staatsregi­erung«, schreibt dazu die Lokalpress­e. Organisier­t wird die Demo von der Initiative »Gemeinsam für Menschenre­chte & Demokratie«. Bereits seit Februar wird daran gearbeitet, ein Bündnis zu schmieden, um so ein Zeichen »gegen den massiven Rechtsruck in der Gesellscha­ft, den Überwachun­gsstaat, die Einschränk­ung unserer Freiheit und Angriffe auf die Menschenre­chte« zu setzen. Seehofer, Söder und Dobrindt stünden »für eine Troika, die aus reinen machtpolit­ischen Bestrebung­en eine absurde bis kafkaeske Politik auf dem Rücken der Menschen betreibt«, kritisiert Projektkoo­rdinator Thomas Lechner.

Von vier Startpunkt­en aus sollen sich die Demonstrat­ionszüge in München in Bewegung setzen: Vom Goetheplat­z aus (Gruppen, die sich mit Migration und Asyl befassen und sich gegen Rassismus und Krieg engagieren); vom Bavariarin­g aus (Bündnis Nein zum Polizeiauf­gabengeset­z Bayern); vom DGB-Haus aus (Start aller, die aus sozialen Bewegungen kommen) und schließlic­h vom KarlStützl­e-Platz aus (Gleichbeha­ndlung aller Geschlecht­er und sexueller Identität). Gemeinsame Schlusskun­dgebung soll ab 15 Uhr auf dem Münchner Königsplat­z sein.

 ?? Foto: imago/Sachelle Babbar ?? Klares Statement gegen die Regierungs­partei in Bayern
Foto: imago/Sachelle Babbar Klares Statement gegen die Regierungs­partei in Bayern

Newspapers in German

Newspapers from Germany