Kein Wort zur Mauer
Das Verhältnis zwischen Mexiko und den USA steht vor einer Neuausrichtung
Nach dem Wahlsieg von Andrés Manuel López Obrador ist die Beziehung zu Donald Trump bisher sonderbar harmonisch. Bisher blieben die kontroversen Themen jedoch noch ausgespart.
Zwei Wochen nachdem Linkspolitiker Andrés Manuel López Obrador mit einer Mehrheit von 53,19 Prozent der Stimmen zu Mexikos nächstem Präsidenten gewählt wurde, laufen die Vorbereitung für seine Amtsübernahme am 1. Dezember auf Hochtouren. Während López Obrador, der in Mexiko nur AMLO genannt wird, innenpolitisch die Weichen stellt, um seine Wahlkampfversprechen im Kampf gegen Korruption, Armut und Straflosigkeit umzusetzen, sind die außenpolitischen Pläne des sozialdemokratischen Hoffnungsträgers viel unklarer – insbesondere, wenn es um das spannungsgeladene Verhältnis zu den Vereinigten Staaten geht.
Doch obwohl neoliberale und konservative Kräfte während des Wahlkampfs für den Fall eines Sieges von López Obrador vor einer endgültigen Zerrüttung der Beziehung zwischen den beiden Staaten warnten, scheint bisher genau das Gegenteil der Fall zu sein. Schon einen Tag nach dem Wahlsieg López Obradors rief USPräsident Donald Trump an, um dem künftigen Staatsoberhaupt Mexikos zu gratulieren und erste Schnittmengen bei den Themen Handel, Sicherheit und Migration zu erörtern. Danach zeigte sich Trump zuversichtlich, dass eine »sehr gute Beziehung« mit der nächste mexikanischen Regierung möglich sei und wurde von López Obrador sogar zu dessen Amtseinführung eingeladen.
Wie zum Beweis seines guten Willens, schickte das US-Staatsoberhaupt am Freitag eine hochrangige Regierungsdelegation nach MexikoStadt, der neben Außenminister Mike Pompeo auch die Ministerin für Innere Sicherheit Kirstjen Nielsen, Finanzminister Steven Mnuchin sowie Trumps Chefberater und Schwiegersohn Jared Kushner angehörten, um den Dialog um die Neuausrichtung des bilateralen Verhältnisses zu beginnen. Dieser offizielle Besuch noch vor Amtsantritt stellt ein historisches Novum in der Beziehung beider Länder und steht für eine klare Veränderung des Tons des US-Präsidenten gegenüber dem südlichen Nachbarn seit der Wahl am 1. Juli.
Während auf den Straßen vor dem Tagungsort Aktivisten gegen das USGrenzregime und die Familientrennungen an der Südgrenze der USA protestieren, nutzte López Obrador das knapp einstündige Treffen, um den US-Ministern einen Vorschlag mit seinen Vorstellungen zu Freihandel, Migration, Sicherheit und Entwicklungszusammenarbeit zu überreichen. Neu dabei ist vor allem die Idee Migrationsbewegungen in Richtung Norden durch breit angelegte Entwicklungsprojekte nicht nur in Mexiko, sondern auch in den zentralamerikanischen Ländern einzudäm- men. Genaueres zu dem Papier soll frühestens im Laufe der Woche bekannt gegeben werden, wenn USPräsident Trump die Möglichkeit hatte sich mit den Vorschlägen seines zukünftigen Amtskollegen auseinanderzusetzen.
Das erste Fazit beider Seiten viel positiv aus. »Es kam ein offener, respektvoller und freundlicher Dialog zustande. Daher denke ich, dass ein gewisser Optimismus vertretbar ist, dass sich die Beziehungen zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten in den kommenden Jahren verbessern,« sagte Mexikos zukünftiger Außenminister Marcelo Ebrard nach dem Treffen. Allerdings beeilte sich US-Außenminister Pompeo bei aller Harmonie klarzustellen, wo die Prioritäten seiner Regierung liegen. «Amerikaner müssen konkrete Ver- besserungen hinsichtlich des Schutzes unserer nationalen Souveränität und der Sicherheit unserer Bevölkerung sehen können,« sagte er zum Abschluss der Reise.
Ein Grund für den reibungslosen Ablauf des Treffens dürfte auch die Ausklammerung besonders kontroverser Punkte gewesen sein »Von der Mauer wurde nicht gesprochen,« sagte Ebrard nach dem Treffen. Dass es nicht lange dauern dürfte bis US-Präsident Trump auch mit der neuen mexikanischen Regierung auf sein Lieblingsthema zu sprechen kommt, ist klar. Genauso wie, dass die bisher sonderbar harmonische Beziehung zwischen Trump und López Obrador ein jähes Ende finden könnte, wenn es bei der Neuverhandlung des Freihandelsabkommens NAFTA ans Eingemachte geht.