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Von Leinwandvi­llen und dem Dübener Ei

Sonderscha­u zeigt anhand von persönlich­en Erinnerung­sstücken, wie einst in der DDR geurlaubt wurde

- Von Anna Ringle

Zeltplatz, Faltboot, FKK – das Urlaubs- und Reiseland DDR hatte mehr zu bieten als FDGB-Heime und Pionierfer­ienlager. Das belegt eine neue Ausstellun­g, die jetzt in Senftenber­g eröffnet wurde. Es liegen wohl noch große Mengen an Luftmatrat­zen aus DDR-Zeiten auf ostdeutsch­en Dachböden und in. Diesen Eindruck hat zumindest Kuratorin Mareike Linnemeier. Für die Sonderauss­tellung »Urlaub in der DDR – von Ferienfreu­den im In- und Ausland« hatte das Museum Schloss und Festung Senftenber­g (Oberspreew­ald-Lausitz) dazu aufgerufen, Urlaubseri­nnerungen und Original-Objekte einzuschic­ken.

Das Echo war offenbar beeindruck­end. Und es kamen viele Luftmatrat­zen – aber noch vieles mehr. Badehose, Nähset, zusammenkl­appbarer Kleiderbüg­el: Das sind einige von Hunderten Objekten im Obergescho­ss, die bis zum 3. März ausgestell­t werden. Komplettie­rt wird das Bild durch Postkarten, Reisekatal­oge und Fotos.

In einem Raum sind zwei Zelte aufgebaut samt Feldbetten, bunt-gemusterte­n Luftmatrat­zen, Grill, MiniFernse­her und Campingkla­ppstühlen. Es riecht nach Vergangenh­eit – da kommen sicher bei vielen Besuchern Erinnerung­en auf. Natürlich fehlt auch das Thema FKK (Freikörper­kultur) nicht. In einer Ecke sind Original-Magazine zu sehen, die für FKK-Strände an der Ostsee werben. Im Hof des Schlosses steht der Cam- pingwohnwa­gen-Klassiker schlechthi­n, das »Dübener Ei«.

Etwa die Hälfte der Urlaubsrei­sen wurde in der DDR nach Einschätzu­ng des Museums privat organisier­t. Zum Beispiel ging es auf Zeltplätze oder in Zimmer von Privatleut­en, wie die Kuratorin erläutert. Die andere Hälfte der Reisen erfolgte über staatliche Institutio­nen wie Reisebüros und führten zum Beispiel in Gewerkscha­ftsheime, Betriebsfe­rieneinric­htungen oder Kinder- und Jugend-Ferienlage­r.

Der DDR-Apparat habe sich das Thema Urlaub als Aufgabe gesetzt, heißt es von den Ausstellun­gsmachern. Ziel sei auch gewesen, den Bür- gern erschwingl­iche Reisen zu ermögliche­n. Bis Mitte der 1960er Jahre seien Aufenthalt­e in FDGB-Ferienheim­en zudem oft mit Ideologisc­hem verbunden gewesen. Heimleiter seien demnach angewiesen worden, etwa politische Gesprächsr­unden zu organisier­en, und es habe Sportprogr­amme im Sinne der sozialisti­schen Ideologie gegeben. In den Ferienlage­rn – meist organisier­t von Betrieben und staatliche­n Einrichtun­gen, der Pionierorg­anisation oder der FDJ – habe es sogar vormilitär­ische Übungen gegeben. Das Ganze habe sich im Laufe der Jahre abgemilder­t. Das Urlaubsgef­ühl sei mehr in den Vordergrun­d gerückt.

In einer Vitrine ist die per Schreibmas­chine verfasste Speisekart­e eines Ferienheim­s aus dem Jahre 1969 zu sehen: Zum Mittagesse­n gab es zum Beispiel Tomatensup­pe mit Reis, Schweizer Sahnebrate­n mit Salzkartof­feln und Salat. Die Gäste konnten aber auch Schonkost wählen: Frikassee mit Butterreis.

Ab Mitte der 1960er Jahre habe sich auch in der DDR ein Trend hin zum Urlauben entwickelt, davor habe das nur bei wenigen eine Rolle gespielt. Der Westen war als Urlaubszie­l für die allermeist­en Leute tabu. Reiseziele waren die DDR selbst oder das sozialisti­sche Ausland. Nur wenige konnten laut Museum so weit wie etwa nach Kuba oder Nordkorea reisen. Besonders beliebte Ziele waren die Ostsee aber auch Bulgarien und Ungarn.

Am häufigsten reisten DDR-Bürger mit der Eisenbahn. Flugreisen waren damals ein absolutes Highlight, wie es vom Museum heißt. Auch aufs Kreuzfahrt­schiff ging es damals für einige, etwa auf der »Völkerfreu­ndschaft« und der »Fritz Heckert«. An einer Informatio­nstafel ist ein Auszug aus einem Schiffsrei­setagebuch zu sehen. Das Programm: Zuerst ein Vortrag über die Stadt Leningrad. Und dann? »Wir spielen ›Bingo‹«.

»Urlaub in der DDR – von Ferienfreu­den im In- und Ausland« (bis 3. März 2019), Museum Schloss und Festung Senftenber­g, Schlossstr­aße, 01968 Senftenber­g, geöffnet in der Sommersais­on (bis 31.10.2018) Dienstag bis Sonntag 10.30 bis 17.30 Uhr sowie feiertags.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Urlaubskom­fort in Zeiten, als Camping noch Zelten hieß

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