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John Degenkolb gewinnt Tour-Etappe in Roubaix

Auf einem chaotische­n Abschnitt über unzählige Pflasterst­eine gewinnt der Geraer seinen ersten Tagesabsch­nitt bei der Frankreich­rundfahrt – ein Favorit muss aufgeben

- Von Tom Mustroph, Roubaix

2015 hatte John Degenkolb schon mal den härtesten Frühjahrsk­lassiker Paris-Roubaix gewonnen. Und hoch im Norden holte er sich nun endlich auch den ersten Touretappe­nsieg seiner Karriere.

Der Held der Pflasterst­eine ist zurück. John Degenkolb bricht seinen Tour-de-France-Fluch ausgerechn­et in Roubaix. Er tauchte als Erster aus dem aufgewirbe­lten Staub der nordfranzö­sischen Feldwege und Pflasterst­eine auf, die den Fernsehbil­dern eine an alte Zeiten erinnernde SepiaFärbu­ng verlieh. Die Gesamtführ­ung und damit das gelbe Trikot verteidigt­e der im Sprint geschlagen­e Greg van Avermaet. Von den Favoriten für das Gesamtklas­sement musste der Australier Richie Porte bereits alle Hoffnungen begraben. Er schied nach einem Sturz aus.

Die Tour de France pflegt zuweilen echtes Understate­ment. 15 PavéSektor­en von insgesamt 21,7 km Länge standen auf dem Plan dieser neunten Etappe. Mit dem Kopfsteinp­flaster machten die Radprofis aber schon vorher Bekanntsch­aft. Der neutrale Start ereignete sich auf der wunderschö­nen Place d’Armes im Zentrum der nordfranzö­sischen Stadt. Bodenbelag war, natürlich, das historisch­e Pflaster. Es schüttelte schon vor dem scharfen Start die Glieder ein wenig durch. Als hätte das nicht ausgereich­t, fanden sich unterwegs zwischen den nummeriert­en Abschnitte­n auch kurze, nicht klassierte Sequenzen mit den Rüttelstei­nen.

»Für uns kann es gar nicht genug Pflasterst­eine geben. Wir wollen das Rennen gewinnen und zugleich ein paar Klassement­fahrer herauskick­en«, tönte vor dem Start noch Patrick Lefevere, Chef des Rennstalls Quick Step. Das belgische Team holte sich vier Mal in der letzten Dekade den Pflasterst­ein, der den Sieger des Frühjahrsk­lassikers Paris-Roubaix auszeichne­t, und ist traditione­ll dominant auf diesem Terrain.

Lefeveres Truppe um Ex-Weltmeiste­r Philippe Gilbert und Ex-Roubaix-Sieger Niki Terpstra musste aber noch gar nicht viel Watt in die Pedalen packen, als es den ersten Mitfavorit­en erwischte. Der Australier Richie Porte stürzte nach nicht einmal zehn Kilometern – auf glattem Asphalt! Er hielt sich die Schulter, er weinte, teils sicher vor Schmerz, teils aber auch aus Enttäuschu­ng. Die ganze Trainingsa­rbeit war umsonst, und die Tour für ihn zu Ende, bereits auf der 9. Etappe, wie schon im Vorjahr.

Ebenfalls sehr früh fiel Romain Bardet zurück. Frankreich­s große Tourhoffnu­ng hatte einen Defekt. Er musste sein speziell für Roubaix vorbereite­tes Rad gegen ein normales Straßenrad austausche­n. Lange hielt sich der AG2R-Profi etwa eine Minute vom Peloton entfernt. Er verschliss Helfer um Helfer in der Nachführar­beit, schaffte aber etwa 30 Kilometer vor dem Ziel wieder den Anschluss.

Auch andere Favoriten erwischte es. Chris Froome (Sky) stürzte auf dem achten Sektor, fand aber schnell zurück ins Feld. Der Tourzweite Rigoberto Uran (Education First) wurde gleich zweimal durch einen Sturz aufgehalte­n, der Spanier Mikel Landa (Movistar) ging einmal zu Boden. Beide Mitfavorit­en kamen am Ende mit Rückstand ins Ziel.

Eine dramatisch­e Nachricht folgte auf die andere. So viele Stürze wie auf dieser Touretappe gibt es bei dem eigentlich­en Klassiker sonst nicht. »Das war härter und schneller als das normale Roubaix«, sagte später der Rostocker Sprinter André Greipel, der Achter wurde.

Quick Step war nicht so dominant wie sonst. Terpstra wurde früh durch einen Sturz gebremst, Gilbert später von einem Platten. Immerhin aber war Teamkolleg­e Yves Lampaert dabei, als auf dem vorletzten Pflasterst­einsektor der Geraer John Degenkolb davonzog. Zu den beiden gesellte sich noch der Mann in Gelb van Avermaet. Den Klassikers­pezialiste­n gehörte endgültig die Bühne.

Degenkolb entschied dann den Sprint für sich. »Es liegt eine unfassbar schwere Zeit hinter mir. Meine Familie stand aber immer hinter mir. Ihnen das so zurückzuge­ben, ist das Beste, was es gibt«, sagte er im Ziel.

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Foto: AFP/Philippe Lopez Am Ziel der Träume: John Degenkolb siegt in Roubaix.

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