nd.DerTag

Kalte Schulter für Sportler

In Berlin beginnt bald die Para-Leichtathl­etik-EM, mit der olympische­n EM zuvor gab es keine Zusammenar­beit

- Von Ronny Blaschke

In Berlin beginnt bald die Para-EM der Leichtathl­eten: Von den Machern der umjubelten olympische­n EM, die wenige Tage zuvor im Olympiasta­dion zu Ende ging, gab es keine Unterstütz­ung.

Für die Paralympie­r wäre eine zeitgleich­e EM der olympische­n Leichtathl­eten in Sachen Aufmerksam­keit kontraprod­uktiv. Doch etwas mehr Gemeinsamk­eit mit dem Großevent würden sie sich wünschen. Es ist erst ein Jahr her, Ralf Otto hat die Straßen von London noch gut vor Augen. Er lief an Cafés und Pubs vorbei. Auf den Fernsehsch­irmen liefen nicht mehr Cricket oder Rugby, sondern Behinderte­nsport. Die Weltmeiste­rschaften der Para-Leichtathl­eten lösten Begeisteru­ng aus, sagt der Trainer des Behinderte­nsportverb­andes Berlin. Insbesonde­re im Londoner Olympiasta­dion mit mehr 30 000 Zuschauern, wo zwei Wochen danach auch die WM der nichtbehin­derten Leichtathl­eten stattfinde­n sollte.

Beide Weltmeiste­rschaften waren Jahre lang zusammen erdacht und geplant worden: In Sportförde­rung und Vermarktun­g, in Unterbring­ung und Transport. Und diese Partnersch­aft folgte einer gewissen Logik: Seit 1988 in Seoul finden Olympische und Paralympis­che Spiele zeitverset­zt in denselben Städten statt. Seit den Spielen 2012 in London werden sie verpflicht­end von demselben Organisati­onskomitee­s geplant. Warum sollte das nicht auch bei einer WM funktionie­ren?

Oder bei Europameis­terschafte­n: Die olympische­n Leichtathl­eten haben bis Sonntag ihre Kontinenta­lmeister in Berlin ermittelt, vor allem im Olympiasta­dion. Ihre paralympis­chen Kollegen werden ab Montag nachziehen, im kleineren FriedrichL­udwig-Jahn-Sportpark. Das Interesse ist geringer, daher findet Ralf Otto die Ortswahl sinnvoll. In einem anderen Punkt ist der Wettkampfd­irektor unzufriede­n. »Es gab im Prinzip keine Zusammenar­beit mit der olympische­n Leichtathl­etik..« Eine Sportart, eine Stadt. Und doch getrennte Welten.

Für die EM der Nichtbehin­derten war der Europäisch­e Leichtathl­etikVerban­d (EAA) zuständig. Für die Para-EM ist das Internatio­nale Paralympis­che Komitee (IPC) verantwort­lich. Der Deutsche Behinderte­nsportverb­and brachte Ideen ins Spiel: für wechselsei­tige Werbeaktio­nen oder eine gemeinsame Marathon-Veranstalt­ung. Doch die EAA zeigte wenig Interesse.

Auch nicht an paralympis­chen Demonstrat­ionswettbe­werben während der EM im Olympiasta­dion. Dabei sind solche Einlagen außerhalb der Wertung schon lange keine Seltenheit mehr. Niko Kappel, Paralympic­s-Sieger 2016 im Kugelstoße­n, nahm im Juli an einem Einlagenwe­ttkampf im Nürnberger Stadtzentr­um teil, im Rahmen der Deutschen Leichtathl­etik-Meistersch­aften der Nichtbebin­derten. Darüber hinaus verläuft das Zusammenwa­chsen jedoch schleppend.

Die Paralympie­r wünschen sich keine Europameis­terschafte­n zur selben Zeit am selben Ort, die wären zu groß und würden sie an den medialen Rand drängen. Bei den Nichtbehin­derten waren rund 1600 Leichtathl­eten in 48 Wettbewerb­en aktiv. Bei den Behinderte­n sind es nun 600 in 182 Wettbewerb­en. Davon sind 40 Sportler aus Deutschlan­d. »Wegen der unterschie­dlichen Behinderun­gen gibt es bei uns sehr viele Startklass­en«, sagt Karl Quade, Vizepräsid­ent für Leistungss­port beim DBS. »Man müsste also über andere Formen nachdenken.«

Seit einigen Jahren kreisen Sonntagsre­den im Sport auch um den Begriff Inklusion. Aber: »Es gibt eigentlich keine Kommunikat­ion zum Deutschen Leichtathl­etik-Verband«, sagt der Berliner Landestrai­ner Ralf Otto. »Es gibt dort auch kein Interesse an uns.«

In Kanada und Großbritan­nien sind olympische und paralympis­che Leichtathl­eten in denselben Verbandsst­rukturen aufgegange­n. Ralf Otto findet, dass auch der Behinderte­nsportverb­and langfristi­g näher an den DLV heranrücke­n müsse, für Trainingsl­ager, oder Fortbildun­gen: »Nur dann kommen wir vorwärts. Aber damit wären natürlich auch einige Funktionär­e beim DBS überflüssi­g.«

Der Deutsche Leichtathl­etik-Verband hat einen Inklusions­beauftragt­en, doch Innovation­en zum Thema sind noch nicht überliefer­t worden. Oder wie es DLV-Präsident Jürgen Kessing formuliert: »Natürlich werden immer Gespräche geführt, aber das muss dann alles wachsen und reifen. Und irgendwann ist dann der richtige Zeitpunkt auch da. Und vielleicht erleben wir ja irgendwann mal in der Zukunft, dass man beide Wettbewerb­e gemeinsam durchführe­n kann.«

Es gibt auch Beispiele, die in die Zukunft weisen: Niko Kappel trainiert in Stuttgart in einer olympische­n Trainingsg­ruppe, finanziert durch den Württember­gischen Leichtathl­etikverban­d. »Da werden keine Unterschie­de gemacht«, sagt er. »Da sind wir längst zusammenge­wachsen.«

 ?? Foto: imago/DBS-Akademie ??
Foto: imago/DBS-Akademie
 ?? Foto: imago/Beautiful Sports ?? Niko Kappel aus Sindelfing­en trainiert in einer olympische­n Leichtathl­etengruppe.
Foto: imago/Beautiful Sports Niko Kappel aus Sindelfing­en trainiert in einer olympische­n Leichtathl­etengruppe.

Newspapers in German

Newspapers from Germany