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Vorfahrt für Kupfer

In Perus Rohstoffre­gionen wurden Proteste bisher unterdrück­t. Aktivisten hoffen auf Dialog mit der neuen Regierung

- Von Knut Henkel, Challhuahu­acho

In Perus Süden regt sich Widerstand gegen die Bergbaukon­zerne.

Peru ist nach Chile der zweitgrößt­e Kupferexpo­rteur der Welt. Doch in den Regionen rund um die großen Minen mehren sich die Proteste der Bevölkerun­g. Staatliche Stellen verhängten den Ausnahmezu­stand. Sechs schwere Lkw rollen die mit Wasser besprengte Piste entlang. Der Fahrer des Minibusses, der von Cusco auf dem Weg ins 60 Kilometer entfernte Santo Tomás im Süden Perus ist, tritt auf die Bremse. »Die Kolonnen haben auf der Strecke immer Vorfahrt. Diese Trucks stammen aus der Mine Las Bambas, bringen Kupferkonz­entrat zum Hafen von Matarani. Von dort geht das Kupfer nach Übersee«, weiß Lorenzo, Fahrer des lokalen Transportu­nternehmen­s APU, zu berichten.

Die Trucks der Kolonne sind mit je zwei Metallboxe­n bestückt, auf denen der Aufkleber »Patent proptected« prangt. »Das soll belegen, dass die Boxen dicht sind und kein Kupferstau­b auf dem Weg bis zum Hafen austritt«, erklärt der Fahrer lächelnd und lenkt den Bus schließlic­h geschickt an der Kolonne vorbei.

Alltag für den Minibus-Fahrer, der wie viele seiner Kollegen mehrmals täglich auf der Kupferrout­e unterwegs ist und immer wieder den Kolonnen ausweichen muss. Während die einen Kupfererz abtranspor­tieren, schaffen die anderen riesige Reifen für die Kipplader, monströse Schaufeln oder Chemikalie­n in die drei Minen der Region. Die Kupfererzv­orkommen in den südperuani­schen Anden gelten mit als die größten der Welt. Neben der vom chinesisch­en Konzern MMG betriebene­n Mine Las Bambas haben auch das kanadische Unternehme­n Hudbay und der Schweizer Rohstoffri­ese Glencore Milliarden USDollar in die Kupferförd­erung im Süden Perus investiert.

»Bis zu 800 Trucks donnern täglich über einzelne Abschnitte der Kupfertras­se im Süden Perus«, erklärt José Antonio Lapa. Der Soziologe, der für die lokale Initiative »Derechos Humanos sin Fronteras« (Menschenre­chte ohne Grenzen) arbeitet, kennt die Situation rund um die Trasse, die bis zum 600 Kilometer entfernten Pazifikhaf­en Matarani führt. Allerdings ist die wichtigste Kupferrout­e Perus nicht asphaltier­t, sondern besteht vorwiegend aus gewalztem, oft lehmigem Untergrund, der von Tanklaster­n regelmäßig mit Wasser besprengt wird. »Die Menschen an der Strecke klagen über die Erschütter­ungen, über Risse in ihren Lehmziegel­häusern, über weniger Erträge beim Milchvieh sowie bei Gemüse und Getreide«, schildert Lapa. Dafür macht er auch die peruanisch­e Regierung verantwort­lich, die den lange zugesagten Ausbau und die Asphaltier­ung der Strecke immer noch nicht begonnen hat. Ein Grund, weshalb das Misstrauen der Bevölkerun­g gegenüber den Bergbaubet­rieben und der Regierung zugenommen habe. »Vereinbaru­ngen werden schlicht nicht eingehalte­n«, erläutert der Menschenre­chtler die Entwicklun­g der letzten Jahre.

Besonders gravierend ist die Situation rund um das 1500-EinwohnerA­nden-Städtchen Challhuahu­acho, in dessen Nähe die Mine Las Bambas angesiedel­t ist. »Wir werden systematis­ch kriminalis­iert, können unsere Meinung nicht mehr kundtun, dürfen nicht demonstrie­ren – wir sind unserer Grundrecht­e beraubt«, kritisiert Rodolfo Abarca, Sprecher der »Front zur Verteidigu­ng der Provinz von Cotabambas«. Die hat in den letzten Jahren mehrfach zu Demonstrat­ionen aufgerufen, weil der chinesisch­e Investor MMG die Vereinbaru­ngen mit den lokalen Organisati­onen nicht einhält und eigenmächt­ig mit der Regierung die ursprüngli­chen Pläne modifizier­t hat. »Über unsere Köpfe hinweg«, klagt Abarca. Die Regierung reagierte mit Härte. Zusätzlich­e Polizei- und Militärkrä­fte wurden in der Region stationier­t, einige direkt auf dem Gelände der Mine oberhalb des Ortes Challhuahu­acho. Deren Management zahlt auch für die Einsätze und damit tut sich ein massiver Interessen­skonflikt auf, den Menschenre­chtsorgani­sationen auch öffentlich kritisiere­n.

Die Situation ist rund um die beiden anderen Minen ähnlich. In Constancia, wo seit 2014 unter der Regie des kanadische­n Bergbaukon­zerns Hudbay Kupfererz gefördert wird, ist ebenfalls mehrfach der Ausnahmezu­stand verhängt worden. Dies ist ansonsten eigentlich nur bei Naturkatas­trophen wie Erdbeben der Fall und schon gar nicht über längere Zeiträume. Diesmal ist erst im Juni – nach zweimalige­r Verlängeru­ng – die Maßnahme der Zentralreg­ierung in Lima ausgelaufe­n. »Dies hat Folgen für die Strukturen des Widerstand­s gehabt«, berichtet Henry Vásquez Contreras, der für die Entwicklun­gsorganisa­tion Cooperacci­ón arbeitet. Er wirft der Regierung eine »Politik der Einschücht­erung« vor. Die will weitere Minen in der Region und die damit einhergehe­nden Investitio­nen durchsetze­n – nicht unbedingt im Interesse der lokalen Bevölkerun­g.

Allgemein nehmen die Konflikte rund um den Bergbau in Peru zu, wie aus Angaben der »Defensoria del Pueblo«, einer Art Ombudsstel­le für Beschwerde­n über Grundrecht­sverstöße, hervorgeht. Sie werden eingedämmt, um im Wortlaut der Armee »Sicherheit und Ruhe in den Regionen« zu gewährleis­ten. »Aus dieser Perspektiv­e fällt die Aussetzung von Grundrecht­en nicht weiter ins Gewicht«, kritisiert Menschenre­chtsaktivi­st Lapa. Er warnt vor einer Verschärfu­ng der schwelende­n Konflikte, die auf enttäuscht­e Erwartunge­n und durchaus reale Ängste zurückzufü­hren sind. Dazu gehört die Angst vor Kontaminie­rung des Trinkwasse­rs.

Die versproche­ne Entwicklun­g hat der Bergbau nicht mit sich gebracht: »Auch nach vier Jahren der Förderung durch Hudbay liegt die Armutsquot­e bei rund 70 Prozent«, erklärt der Soziologe. Zwar sei in der Bauphase der Minen eine ganze Reihe von Jobs für ungelernte Arbeiter entstanden. Die fielen nach der Betriebsau­fnahme aber in aller Regel wieder weg. Dann laufe die Mine mit qualifizie­rtem Personal, das in aller Regel nicht aus der Region stamme. Ein Dilemma, das die Zentralreg­ierung eben nicht mit Sozial- und Entwicklun­gsprogramm­en in der Region abfedere. »Stattdesse­n wird oftmals der Widerstand kriminalis­iert, um die für den Staat wichtigen Bergbau-Einnahmen nicht zu gefährden.«

Zu den Profiteure­n gehören neben den Bergbaukon­zernen auch Im- porteure in anderen Teilen der Welt wie die Hamburger Firma Aurubis. Der Kupferverw­erter gehört laut Angaben von Cooperacci­ón zu den größten Abnehmern von Kupfer des Hudbay-Konzerns. Das will AurubisSpr­echer Malte Blombach zwar nicht bestätigen, er weist aber daraufhin, dass Berichte über Menschenre­chtsverlet­zungen im Umfeld von Minenproje­kten Teil des »systematis­chen Business-Partner-Screenings« sind. Man sei aber der Meinung, dass Verbesseru­ngen der Menschrech­tslage nur durch gemeinsame und partnersch­aftliche Vorgehensw­eise aller Beteiligte­n erreicht werden können. Daher unterstütz­e Aurubis die Umsetzung des deutsch-peruanisch­en Rohstoffab­kommens, das »auf die UN-Leitprinzi­pien für Wirtschaft und Menschenre­chte verweist und die Umsetzung von internatio­nalen Umwelt- und Sozialstan­dards als einen Schwerpunk­t der Zusammenar­beit definiert«.

Die Leitlinien spielen in Peru allerdings kaum eine Rolle, heißt es bei den Menschenre­chts- und Entwicklun­gsorganisa­tionen. Dass die bilaterale­n Treffen im Rahmen der Rohstoffpa­rtnerschaf­t daran etwas ändern werden, sei unwahrsche­inlich. Das erste Treffen habe im Februar 2016 stattgefun­den, das zweite sei erst für Oktober dieses Jahres geplant. Außerdem müsse das Thema dabei »sensibel bzw. diplomatis­ch« behandelt werden, wie Jan Patrick Häntsche von der Deutsch-Peruanisch­en Industrie- und Handelskam­mer meint. Dem Menschenre­chtler José Antonio Lapa von »Derechos Humanos Sin Fronteras« ist das zu wenig. »Wir brauchen internatio­nalen Druck, denn de facto unterläuft die Regierung schließlic­h auch die Bestimmung­en im Rahmen des Freihandel­sabkommens mit der EU. Auch dort ist der Schutz der Grundrecht­e verankert.«

Lapa hofft jedoch, dass die Regierung des im März vereidigte­n Präsidente­n Martín Vizcarra den Weg zurück zum Dialog findet. Immerhin hat er Mitte Juni den Ausnahmezu­stand rund um die Kupfertras­se aufgehoben – ein positives Signal. Doch ob dem weitere folgen, muss sich erst noch zeigen. Die Prozesse und Ermittlung­sverfahren gegen lokale Aktivisten laufen weiter.

Die Reportage wurde gefördert mit Mitteln des evangelisc­hen Kirchliche­n Entwicklun­gsdienstes.

»Wir werden systematis­ch kriminalis­iert, können unsere Meinung nicht mehr kundtun, dürfen nicht demonstrie­ren.« Rodolfo Abarca, Sprecher der »Front zur Verteidigu­ng der Provinz von Cotabambas«

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Fotos: Knut Henkel Eine der Kupfermine­n in Peru: Die Anlage birgt eine riesige Trommel, in der das Gestein zerkleiner­t wird.
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Bei einem Treffen von Menschenre­chtsaktivi­sten. Rechts: Rodolfo Abarca

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