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Presseaufs­tand gegen Trump

Mehr als 300 US-Zeitungen wehren sich gemeinsam gegen Attacken des Präsidente­n

- Von Moritz Wichmann

Berlin. Die Medien seien »bellende Wachhunde der Demokratie«, soll der israelisch­e Satiriker Ephraim Kishon einmal gesagt haben. Und weiter, dass die Demokratie das beste politische System sei, »weil man es ungestraft beschimpfe­n« könne. Nun sehen sich die Medien der zwar nicht größten, aber zweifellos mächtigste­n Demokratie der Welt seit dem Amtsantrit­t von US-Präsident Donald Trump damit konfrontie­rt, dass dieser wiederum sie beschimpft – zum Teil äußerst wüst. Weil dies nicht ohne Folgen bleibt, sondern die Journalist­en in ihrer Arbeit einschränk­t, haben USMediensc­haffende nun deutlich auf die be- ständigen Attacken Trumps reagiert. In einer abgestimmt­en Aktion warnten am Donnerstag mehr als 300 Tageszeitu­ngen in Leitartike­ln vor einer Gefährdung der Pressefrei­heit durch den Präsidente­n. Sie warfen Trump vor, vorsätzlic­h Lügen in die Welt zu setzen, die Rolle der Presse als Kontrollin­stanz zu untergrabe­n und damit an den Grundpfeil­ern der Demokratie zu rütteln.

Angestoßen wurde die Aktion vom traditions­reichen »Boston Globe«, der in einem leidenscha­ftlichen Leitartike­l den Hauptvorwü­rfen des Präsidente­n widersprac­h – nämlich, dass die Medien »Feinde des Volkes« sei- en und immerzu falsche Nachrichte­n verbreitet­en.

Einige einflussre­iche Redaktione­n beteiligte­n sich allerdings nicht an der Aktion. Die Kampagne werde »nach hinten losgehen«, warnte der Trump-kritische Journalist Jack Shafer vom Internetjo­urnal »Politico«. »Trump wird sie als Beweis dafür nutzen, dass es eine nationale Verschwöru­ng der Medien gibt, die sich gegen ihn richtet«, so Shafer. Der Kolumnist James Freeman vom »Wall Street Journal« warf den Initiatore­n vor, die Grenzen des Journalism­us überschrit­ten und selbst politisch aktiv geworden zu sein.

Die Rhetorik gegen »Fake News« in den USA hat reale Folgen: Übergriffe gegen Journalist­en und die Einschränk­ung der Pressefrei­heit. Dagegen machten US-Zeitungen in einer koordinier­ten Aktion mobil.

Sie machte das, was Journalist­en »grillen« nennen, nicht locker lassen. Hallie Jackson vom US-Fernsehsen­der NBC wollte von Trump-Sprecherin Sarah Huckabee Sanders wissen, ob der US-Präsident wirklich glaube, dass Russland sich nicht in die USWahlen eingemisch­t habe. Sanders antwortete mit einem PR-Trick, den Pressespre­cher nutzen, um unangenehm­en Fragen auszuweich­en. Sie rief die nächste Frage, den nächsten Reporter, auf. Doch der antwortete nur »Hallie, mach einfach weiter«.

Es sind Szenen wie diese, die einen Einblick in den schwierige­n Alltag von Journalist­en in der Ära Trump bieten und gleichzeit­ig etwas Neues zeigen: Solidaritä­t unter USJournali­sten angesichts schwierige­r Arbeitsbed­ingungen und ständiger Attacken von US-Präsident Donald Trump gegen die Medien und ihre »Fake News« allgemein und spezielle Sender oder einzelne Journalist­en im Besonderen. Als Ende Juli die CNN-Reporterin Kaitlan Collins von einer Veranstalt­ung des Weißen Hauses ausgeschlo­ssen wurde, protestier­te dagegen auch der konservati­ve Sender Fox News.

Die Fälle praktische­r Solidaritä­t aber, etwa als Reporter die übergangen­en Fragen ihrer Kollegen erneut stellten, sind bisher eher rar gesät. Denn Mitglied des »White House Press Corps« zu sein – der Gruppe von 49 Journalist­en, die regelmäßig aus dem Weißen Haus berichten – ist der Höhepunkt einer Journalist­enkarriere in den USA. Dementspre­chend stark ist die Konkurrenz um Fragezeit und Zugang zu Informatio­nen. Das versucht Pressespre­cherin Sanders auszunutze­n. Außerdem ruft der Präsident recht unverhohle­n indirekt zu Gewalt gegen Journalist­en auf. In Zukunft könnte es deswegen mehr Solidaritä­t unter Journalist­en geben, zumindest wenn es um die grundlegen­den Arbeitsbed­ingungen geht.

Auch Zeitungen mit anderer politische­r Ausrichtun­g seien aufgerufen sich zu beteiligen, die Pressefrei­heit zu verteidige­n und die ständigen Attacken Trumps auf die Medien zu verurteile­n. Mit diesem Aufruf wandte sich der linksliber­ale »Boston Globe« in den vergangene­n Tagen an Medien in den gesamten Vereinigte­n Staaten – mit Erfolg. Mehr als 300 beteiligte­n sich an der Aktion und veröffentl­ichten Meinungsar­tikel. Denn die Trump-Rhetorik von der Presse als »Volksfeind« hat reale Folgen.

Seit der Amtseinfüh­rung von Donald Trump im Januar 2017 wurden 46 Journalist­en Opfer von Gewalt in den USA. So viele Angriffe auf Reporter oder ihr Equipment wurden durch den »US-Press-Freedom-Tracker« dokumentie­rt. Der wird von der »Freedom of the Press«-Stiftung in Zusammenar­beit mit Medienorga­nisationen herausgege­ben und war vergangene­s Jahr aus Sorge vor steigender Gewalt gegen Journalist­en eingericht­et worden.

Laut dem Bericht gibt es die meisten Attacken gegen Reporter sowohl von Demonstran­ten als auch von Polizisten bei Demonstrat­ionen. »In den USA wandern Journalist­en typischerw­eise nicht ins Gefängnis, aber sie werden physisch attackiert und auch verhaftet«, erklärt der Journalist Peter Sterne, der die Angriffe zählt. Vor allem freie Journalist­en sind betroffen. Das politische Klima, aufgewühlt durch den Fake-NewsVorwur­f, trage dazu bei, dass aus verbalen Attacken zunehmend auch körperlich­e würden.

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Foto: iStock/zodebala
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Foto: AFP/Mandel Ngan Die Stimme ihres Herrn: Präsidente­nsprecheri­n Sarah Sanders

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