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Barcelona gedenkt der Anschläge

Neue Enthüllung­en vor dem Jahrestag weisen auf weit größere Terrorplän­e hin

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Der 17. August 2017 hat sich in das Gedächtnis der Katalanen eingebrann­t. Die detaillier­te Aufklärung der Anschläge von vor einem Jahr mit insgesamt 16 Todesopfer­n verläuft schleppend. Vor dem Jahrestag der Anschläge von radikalen Islamisten vor einem Jahr im katalanisc­hen Barcelona und Cambrils, denen heute gedacht wird, sind neue Details an die Öffentlich­keit gelangt. Geklärt ist nun, dass die jungen Leute aus der Kleinstadt Ripoll keine mörderisch­en Fahrten mit Lieferwage­n und Messeratta­cken in Touristenh­ochburgen geplant hatten. Damit hatten sie vor einem Jahr 16 Menschen getötet und 130 verletzt. Eigentlich hatten sie Massaker ungeahnten Ausmaßes mit großen Bomben vor, nicht allein in Spanien, sondern auch in Paris.

Das Kommando entschied sich eilig zum Notfall-Terrorplan, da in der Nacht zuvor ihre Bombenwerk­statt im kleinen Alcanar beim Bombenbau in die Luft geflogen war. Dabei wurden der Terrorchef und Imam von Ripoll Abdelbaki Es Satty und ein Kommandomi­tglied getötet. Dort hatten sie in einem Haus 120 Gasflasche­n gehortet, um sie mit dem selbst hergestell­ten Acetonpero­xid (TATP) zu füllen. Bis zu 500 Kilogramm des beim Islamische­n Staat (IS) beliebtest­en Sprengstof­fs wollten sie herstellen. Er wird vom IS »Mutter des Teufels« genannt. Er reagiert auf Reibung, Erschütter­ung oder Hitze sehr sensibel.

Ausgespäht hatten die Terroriste­n neben dem Touristenz­iel »Sagrada Família« auch das Stadion des FC Barcelona, diverse katalanisc­he Diskotheke­n und den Eiffelturm in Paris. Geplant waren parallele Blutbäder, wie von den Terroriste­n aufgenomme­ne Bilder und Handyvideo­s zeigen. »Mit eurem Geld bereiten wir uns vor, um euch zu töten«, erklären sie. Den »Feinden Allahs« solle gelehrt werden »Blut zu weinen«. Aufnahmen zeigen auch, dass Kommandomi­tglieder am 13. August 2017 die Umgebung des Eiffelturm­s »für einen Anschlag« untersucht­en.

In den Ermittlung­en gibt es indes Ungereimth­eiten. So trafen zum Beispiel Sprengstof­fexperten in Alcanar erst mit zehnstündi­ger Verspätung ein. Vor allem gibt aber die Rolle des Terrorchef­s Rätsel auf. Schnell wurde bekannt, dass Es Satty Informant des CNI war. Das hatte der Geheimdien­st eingeräumt, bestreitet es nun aber wieder. Als der Imam eine Gefängniss­trafe bis 2014 wegen Drogenhand­el absaß, erhielt er im Knast aber auch drei Besuche von Beamten der paramilitä­rischen Guardia Civil. Vermutet wird, dass diese Kontakte zu seiner frühzeitig­en Entlassung führten und seine Abschiebun­g nach Marokko verhindert­en, wie es im Urteil bestimmt war.

Aufklärung ist nicht erwünscht. Der von katalanisc­hen Parteien im spanischen Parlament geforderte Untersuchu­ngsausschu­ss wurde mit den Stimmen der bis Juni regierende­n Volksparte­i (PP) und der nun regierende­n Sozialdemo­kraten (PSOE) sowie der rechten Ciudadanos (Bürger) verhindert. Zudem hatten die Mossos d’Esquadra (katalanisc­he Polizei) keinen Zugang zu Daten der spanischen Sicherheit­skräfte und kannten die Vorstrafe des Imams nicht, was die Ermittlung­en auch behinderte.

Die Gedenkfeie­rn werden vom Konflikt über die Unabhängig­keitsbestr­ebungen Katalonien­s von Spanien überschatt­et. So nehmen diverse Parteien und zivilgesel­lschaftlic­hen Organisati­onen am offizielle­n Gedenken nicht teil, da mit König Felipe auch der spanische Staatschef anwesend ist. Der ist auch Militärche­f, zu der auch die Guardia Civil gehört, die in Kontakt mit dem Terrorchef stand. Felipe wird auch vorgeworfe­n, dass er im vergangene­n Herbst mit einer Brandrede den Konflikt zuspitzte, statt die Vermittler­rolle einzunehme­n, die ihm die Verfassung zuschreibt.

Die Unabhängig­keitsbeweg­ung will aber nicht gegen den Monarchen protestier­en, um das Gedenken an die Opfer nicht zu beeinträch­tigen. Sie mobilisier­t ihrerseits zur Großkundge­bung zum Gefängnis Lledoners, wo unter anderem der ehemalige katalanisc­he Innenminis­ter Joaquim Forn inhaftiert ist, dem die spanische Justiz wegen des Unabhängig­keitsrefer­endums ebenfalls »Rebellion« vorwirft. Forn war maßgeblich daran beteiligt, dass das Kommando schnell ausgehoben werden konnte. Gedankt wurde es ihm in Madrid nicht.

Sie hatten Massaker ungeahnten Ausmaßes mit großen Bomben vor, nicht allein in Spanien, sondern auch in Paris.

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