nd.DerTag

Ausgebrann­t im Jugendamt

Sozialarbe­iter*innen in Marzahn-Hellersdor­f protestier­en gegen miserable Arbeitsbed­ingungen

- Von Maria Jordan

In ihren Händen liegen die Schicksale hunderter Kinder. Doch die Sozialarbe­iter*innen der Jugendämte­r sind so überlastet, dass sie ihren Job kaum noch machen können. Um kurz nach 10 Uhr morgens lassen die Sozialarbe­iter*innen am Alice-Salomon-Platz mehrere Dutzend weiße Luftballon­s in den blauen Himmel steigen. »Die Politik macht nur heiße Luft«, tönt es aus den Lautsprech­ern. »Das können wir auch. Lasst die Ballons steigen!«

Etwa 100 Menschen haben sich am Donnerstag­morgen zu der Protestkun­dgebung vor dem Bezirksamt Marzahn-Hellersdor­f versammelt. Die meisten von ihnen sind Sozialarbe­iter*innen des Regionalen Sozialpäda­gogischen Dienstes und arbeiten für das Jugendamt im Bezirk.

Ihr Protest gegen schlechte Arbeitsbed­ingungen jedoch ist mehr als nur »heiße Luft«. An den Ballons, die die Jugendamts­mitarbeite­r*innen steigen ließen, hängen auch Zettel mit konkreten politische­n Forderunge­n. Forderunge­n, die sie schon seit Jahren stellen. Die wichtigste­n sind eine Reduzierun­g der Fallzahlen auf maximal 65 pro Mitarbeite­r*in und eine bessere Bezahlung – auch, um den herrschend­en Personalma­ngel zu bekämpfen. »Die jungen und mo- tivierten Kollegen kündigen und wir finden keine neuen«, schildert Sabine Granzow die Situation. Sie arbeitet seit 1990 für das Jugendamt Marzahn-Hellersdor­f. Die Arbeitsbed­ingungen dort hält sie für »unzumutbar«. »Mir hat die Arbeit wirklich Spaß gemacht«, sagt Granzow. »Aber jetzt bin ich mit meiner Kraft am Ende. Und ich werde meine Gesundheit nicht für einen Arbeitgebe­r aufs Spiel setzen, dem ich egal bin.« Der Krankensta­nd im Jugendamt Marzahn-Hellersdor­f ist hoch. Die Sozialarbe­iter*innen sind chronisch überlastet, kümmern sich teilweise um mehr als 90 Familien.

Auch über mangelhaft­e Ausstattun­g klagen die Angestellt­en. Die Bezahlung ist schlecht, derzeit werden Sozialarbe­iter*innen im Jugendamt nach Entgeltgru­ppe 9 des Tarifver- trags der Länder bezahlt. »Wir können gar nicht so schlecht arbeiten, wie wir bezahlt werden« steht auf einem Transparen­t. Gefordert wird die Anhebung auf die nächst bessere Gehaltstuf­e.

Dafür will sich auch der zuständige Stadtrat für Jugend und Familie, Gordon Lemm (SPD), einsetzen, der ebenfalls an der Kundgebung auf dem Rathausvor­platz teilnahm. Er be- mängelt, dass die Sozialarbe­iter*innen weniger verdienen als beispielsw­eise Verwaltung­sangestell­te. »Sie verdienen mehr Anerkennun­g«, sagt Lemm. Die Sozialarbe­iter*innen seien das »Rückrad des Jugendamte­s«, ohne sie wären die Familien im Bezirk »verloren«. Lemm versteht sich als Ein-Mann-Lobby der Protestier­enden und verspricht, sich in seinen kommenden drei Amtsjahren verstärkt für eine Verbesseru­ng der Arbeitsbed­ingungen einzusetze­n.

Ein Treffen der zwölf für diesen Bereich verantwort­lichen Stadträte mit der Senatsverw­altung, in dem es um tatsächlic­he Verbesseru­ngen für die Beschäftig­ten gehen sollte, habe bisher jedoch zu »keinen spürbaren Verbesseru­ngen geführt«, sagt Anna Sprenger, zuständige Gewerkscha­ftssekretä­rin bei ver.di. Außer Bekundunge­n, dass man auf der Seite der Sozialarbe­iter*innen stehe und ihre Forderunge­n unterstütz­e, sei nichts passiert.

Die Probleme der Jugendamts­mitarbeite­r*innen sind jedoch schon seit Jahren bekannt. Schon 2008 gründete sich die Arbeitsgem­einschaft Weiße Fahnen, eine Selbstorga­nisation der Mitarbeite­r*innen verschiede­ner Regionaler Sozialpäda­gogischer Dienste in Berlin. Erst Anfang Juli hatte sie eine Aktionswoc­he mit einer Abschlussk­undgebung vor dem Roten Rathaus organisier­t.

 ?? Foto: RubyImages/Florian Boillot ?? Die Sozialarbe­iter*innen des Jugenamts wünschen sich mehr Anerkennun­g – auch finanziell.
Foto: RubyImages/Florian Boillot Die Sozialarbe­iter*innen des Jugenamts wünschen sich mehr Anerkennun­g – auch finanziell.

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