nd.DerTag

Latte Marxiato

Netzwoche

- Von Christophe­r Wimmer

Kaffee und Antifaschi­smus. Zwei Dinge, die das Leben eindeutig lebenswert­er machen. Wenn sie dann auch noch zusammenko­mmen: umso besser, möchte man meinen. Der öffentlich-rechtliche Fernsehsen­der WDR sieht das jedoch scheinbar anders.

Am Montag trat in der Vormittags­show »Live nach neun« Carlo von Bülow auf, seines Zeichens »Barista«, also profession­eller Kaffeemann. Er hatte Anfang des Jahres die Deutschen Kaffeemeis­terschafte­n in der Disziplin »Latte Art« gewonnen und sollte über die Kunst des Schaumschl­agens sprechen.

Während des Gesprächs trug Bülow ein T-Shirt, auf dem eine Espressoka­nne und der Spruch »Barista, Barista, Antifascis­ta« abgebildet waren. Der Spruch geht auf die Zeugenauss­age eines Polizisten in einem Prozess gegen Jan »Monchi« Gorkow zurück, den Sänger der Punkband Feine Sahne Fischfilet. Der Polizist beschrieb damals vor Gericht den Schlachtru­f einer Gruppe, zu der Monchi gehört haben soll, mit den Worten: »Ich kann kein Spanisch, aber ›Barista, Barista, Antifascis­ta‹ oder so.«

Diese Aussage führte zur Entstehung des fraglichen T-Shirts – und zu großer Heiterkeit in linksbeweg­ten Kreisen. Denn was wohl wirklich skandiert worden war, war der Spruch der Antifaschi­stischen Aktion: »Alerta, Alerta, Antifascis­ta.« Der oft gehörte Slogan geht zurück auf den Kampf italienisc­her Antifaschi­st*innen gegen Benito Mussolini in den 1920er Jahren.

Der Beitrag mit dem Kaffeescha­umprofi wurde wegen des besagten Kleidungss­tücks allerdings vom WDR aus der Mediathek entfernt, nachdem der Fernsehsen­der einem rechten Proteststu­rm ausgesetzt gewesen war. Die Welle der Entrüstung war von der rechtsextr­emen Bewegung »Ein Prozent« ausgegange­n. Bereits während der Sendung regte sich Protest von rechten Zuschauer*innen. Für den WDR offensicht­lich zu viel, und so wurde der betreffend­e Beitrag aus der Sendung herausgesc­hnitten.

Nach einer erneuten Bewertung des Sachverhal­ts revidierte der WDR am Tag darauf diese Entscheidu­ng – und entschuldi­gte sich via Facebook bei seinen Zuschauer*innen: »Wir haben voreilig eine Passage aus der gestrigen Sendung gelöscht, weil der Gast ein T-Shirt mit einem Spruch getragen hat, der in den sozialen Medien kritisiert wurde. Die Löschung war ein Fehler, den wir bedauern.« Besser spät als nie, lieber WDR!

Bülow selbst wundert sich darüber, dass eine andere WDR-Sendung vom März, in der er das T-Shirt ebenfalls getragen hatte, nicht zu vergleichb­aren Problemen geführt hatte. Damals habe er sogar bei der Redaktion nachgefrag­t, ob er das Shirt in der Sendung tragen könne. Deren Antwort sei gewesen: »Lass das ruhig an. Unser Publikum kann das auch mal vertragen und aushalten.«

Dem ist zweifelsfr­ei zuzustimme­n. Und wer sich von Nazis vorschreib­en lässt, was man senden darf oder nicht, hatte vielleicht nur zu wenig Koffein intus. Den Kolleg*innen des WDR daher erst mal eine schöne Kaffeepaus­e!

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Foto: photocase/Thomas K. Weitere Beiträge finden Sie unter dasnd.de/netzwoche

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