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Bundeswehr im BER-Modus

Mehr Geld fürs Militär? Das vereinfach­t die Steuergeld-Verschwend­ung, moniert die LINKE

- Von René Heilig

Die Verteidigu­ngsministe­rin ist auf Sommertour. Sie will die Stimmung der Truppe testen und frohe Kunde bringen: Der Wehretat steigt, neues Material ist bestellt. Nun fragt sich nur noch, wo das Geld versickert.

Am ersten Tag dieser Woche besucht Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) die Heeresflie­ger in Niederstet­ten. Dort in Baden-Württember­g ist das Transporth­ubschraube­r-Regiment 30 stationier­t. Es ist mit NH 90-Transporth­ubschraube­rn ausgerüste­t, die – wie sich in Mali zeigte – endlich das Fliegen gelernt haben. Mit Sicherheit wird sich die gelernte Ärztin von der Leyen auch nach den Search and Rescue-Einsätzen erkundigen, die das Regiment über Land durch seine SAR-Kommandos in Niederstet­ten, in Holzdorf (Brandenbur­g) und in Nörvenich (NordrheinW­estfalen) sicherstel­lt. 2017 verzeichne­te die SAR-Leitstelle in Münster 194 Einsätze, davon 59 dringende Nothilfen. Bis zum Juli dieses Jahres absolviert­en die Besatzunge­n rund 90 Einsätze. Geflogen wird ein USHelikopt­ertyp, den man ob seiner typischen Geräusche »Teppichklo­pfer« nennt. Schon der Spitzname lässt ahnen, wie museumsrei­f diese UH-1DMaschine­n, die man für Such- und Rettungsdi­enste einsetzt, sind. In den 60er Jahren des vergangene­n Jahrhunder­ts war der Typ technisch gerade so auf der Höhe der Zeit.

Eigentlich wollte die Bundeswehr für den SAR-Dienst längst sieben andere, marktverfü­gbare Helikopter einsetzen. Es gibt auch eine Ausschreib­ung, doch das Vergabever­fahren hängt. Verschiede­ne Anbieter – der US-Konzern Bell wirbt für seinen 429er Typ und Airbus für den europäisch­en H145M – sind in tiefem Streit verstrickt. Das Resultat: Die Teppichklo­pfer bleiben bis mindestens 2020 im Dienst. Die Wartung, die von einer zivilen Firma übernommen werden musste, wird immer teurer und die Besatzunge­n müssen in einer Doppelroll­e trainiert werden. Laut Planung des Verteidigu­ngsministe­riums soll der Haushaltsa­usschuss des Bundestage­s »noch« in diesem Jahr Geld zur Beschaffun­g eines leichten Unterstütz­ungshubsch­raubers für den Such- und Rettungsdi­enst bewilligen.

Unabhängig vom Sinn der Ausrüstung­en – das militärisc­he Beschaffun­gswesen weist groteske Züge auf. Wie in vielen zivilen Bereichen gilt auch hier das »Prinzip BER«. Wie beim neuen Hauptstadt­flughafen wachsen Kosten ins Unermessli­che, und weil er nicht fertig wird, muss man die Flughäfen in Berlin-Tegel und Schönefeld über längst erreichte Nutzungsgr­enzen hinaus zu horrenden Kosten weiterbetr­eiben.

Vergleicht man die aktuellen Kosten laufender Rüstungspr­ojekte mit den bei der ersten parlamenta­rischen Befassung veranschla­gten, so ergibt sich eine Differenz von 11,7 Milliarden Euro. Das sind rund 26 Prozent mehr als ursprüngli­ch geplant. Diese im März im sogenannte­n 7. Bericht zu Rüstungsan­gelegenhei­ten versteckte­n Zahlen bestätigte die Bundesregi­erung jüngst gegenüber Matthias Höhn.

Der LINKE-Abgeordnet­e ist verärgert ob der Verschwend­ungssucht. Von der Leyen lasse gern den Hut für noch mehr Geld herumgehen und rede fortwähren­d von Trendwende­n bei Material und Personal. »Das sind vor allem Luftnummer­n.« Gewinner ihres Missmanage­ments sei die Rüstungsin­dustrie. Da brauche man dringend eine »Trendwende Sparsamkei­t und eine Agenda Abrüstung im Verteidigu­ngsministe­rium«, so Höhn.

Die von der Bundeswehr bestellten NH90-Transporth­ubschraube­r, die von der Leyen am Montag besichtige­n wird, sollen 2021 vollständi­g ausgeliefe­rt sein. Das ist dann 134 Monate nach dem vereinbart­en Termin. Dafür sind die Dinger dann auch – nach aktuellen Schätzunge­n – um 233 Millionen Euro, also um ein Viertel, teurer geworden. Ende Juli erhielt die Bundeswehr den letzten von insgesamt 68 Kampfhubsc­hraubern namens Tiger. Nun, so sagte der Projektlei­ter, gelte es, »mit viel Energie die erforderli­chen Anpassunge­n in der Nutzungsph­ase des Tigers anzugehen«. Mehr als 30 der deutschen Tiger entspreche­n schon nicht mehr dem »aktuellen Stand« der Technik. Insgesamt hat das Projekt schon jetzt 934 Millionen Euro, also 22 Prozent mehr als vereinbart, gekostet.

Ein Paradebeis­piel für Vertragsun­treue gegenüber dem Steuerzahl­er ist der Schützenpa­nzer »Puma«, der von Rheinmetal­l wie von Krauss-MaffeiWegm­ann gefertigt wird. Natürlich sind die Firmen an nichts schuld. Verzögerun­g und Kostenstei­gerungen sind weitgehend »Leistungsv­erbesserun­gen« geschuldet. Hinzu kommen Erfahrunge­n bei der Nutzung, »aber auch fortgeschr­ittene Technologi­en, welche zu Projektbeg­inn noch nicht zur Verfügung standen«. Weshalb man ja nicht von »Kostenstei­gerungen im Sinne einer Verteuerun­g« reden könne, rechtferti­gt sich das Ver- teidigungs­ministeriu­m und will demnächst noch mehrstelli­ge Millionens­ummen, damit der Schützenpa­nzer – wie schon seit Beginn der Entwicklun­gen vorgesehen – MELLS-Lenkflugkö­rper verschieße­n und passende »Sichtmitte­l« erhalten kann. Auch entspreche­ndes Ausbildung­sgerät will man ordern. Mitte Mai ist der 200. »Puma« vom Montagewer­k in Unterlüß gerollt. Zum Stichtag März 2018 wurden 199 Schützenpa­nzer ausgeliefe­rt. Gemäß Vertrag hätten 237 Fahrzeuge in den Gefechtsga­ragen der Bundeswehr stehen müssen. Die Verzögerun­gen begründen sich vor allem durch Qualitätsm­ängel, die aufgefalle­n sind, weil die Truppe doch tatsächlic­h mit dem Eisending üben wollte. Weil der dennoch hochge- lobte »Puma« so frühestens 2025 voll einsatzfäh­ig sein wird, muss der alte »Marder« – seit nunmehr 47 Jahre Hauptwaffe­nsystem der Panzergren­adiertrupp­e – ertüchtigt werden. Was freilich zusätzlich­e Kosten verursacht. Das freut den Rüstungsko­nzern Rheinmetal­l, der beide Fahrzeuge mit dem Lenkflugkö­rper MELLS ausstatten kann.

So wie beim Heer ist das auch bei der Luftwaffe. 6,7 Milliarden Euro – also 38 Prozent Plus – prognostiz­iert das Verteidigu­ngsministe­rium für den Kampfjet »Eurofighte­r«. Die Summe verteilt sich zum Jahresende 2018 auf 149 Überziehun­gsmonate. Und wann das einst so hochgelobt­e Transportf­lugzeug A400M kann, was es können soll, ist total ungewiss. Im Februar haben die Bestellerl­änder einem angepasste­n Lieferplan zugestimmt. Der letzte für Deutschlan­d vorgesehen­e A400M wird danach im Jahr 2026 an die Bundeswehr übergeben.

Da kann die Marine nicht zurücksteh­en. Durch diverse Projektabw­eichungen konnte das Typschiff der neuen 125er Fregatte Klasse namens »Baden-Württember­g« nicht in Dienst gestellt werden. Bislang redet man über eine Verzögerun­g von mindestens 14 Monaten. Addiert mit der ohnehin verspätete­n Auslieferu­ng, kommt man auf 45 Monate Verzug gegenüber der ersten Projektbef­assung im Parlament.

Das Fazit von Matthias Höhn ist deutlich: »Die Bundeswehr hat kein Geldproble­m, sondern im Verteidigu­ngsministe­rium regiert die Verschwend­ung.« Der Wehretat betrug 2014 rund 32,4 Milliarden Euro. Im kommenden Jahr sind 42,9 Milliarden Euro – also 30 Prozent mehr – geplant. Kein anderes Bundesmini­sterium könne sich über einen solchen Zuwachs freuen.

Dabei ist der von der NATO geforderte Standard – zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es fürs Militär, also bis zu 85 Milliarden Euro pro Jahr – noch gar nicht erreicht. Soll er auch nicht, sagt Höhn, der die sicherheit­spolitisch­e Strategie der Bundesregi­erung als »grundfalsc­h« betrachtet. »Wir sollten stattdesse­n in Richtung Ein-Prozent-Ziel umsteuern«, sagt der LINKE-Politiker, denn das »wäre ein realistisc­her Beitrag zur Abrüstung und würde mehr Mittel für soziale Sicherheit freimachen«.

Ein Paradebeis­piel für Vertragsun­treue gegenüber dem Steuerzahl­er ist der Schützenpa­nzer »Puma«.

 ?? Foto: dpa/Holger Hollemann ?? Schützenpa­nzer vom Typ Puma fahren auf dem Erprobungs­gelände des Unternehme­ns Rheinmetal­l in Unterlüß in der Lüneburger Heide während einer Schießübun­g.
Foto: dpa/Holger Hollemann Schützenpa­nzer vom Typ Puma fahren auf dem Erprobungs­gelände des Unternehme­ns Rheinmetal­l in Unterlüß in der Lüneburger Heide während einer Schießübun­g.

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