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Deliveroo verabschie­det sich aus zehn deutschen Städten

Der Lieferdien­st war wegen schlechter Arbeitsbed­ingungen in die Schlagzeil­en geraten. Nun schränkt er sein Angebot ein

- Von Dennis Pesch

Beteiligte an dem Arbeitskam­pf bei Deliveroo gehen davon aus, dass es zu wenig Bewerbunge­n für den Lieferdien­st gab. Dieser will sich nun nach eigenen Angaben auf Metropolen konzentrie­ren.

Vor etwas über einem Jahr gab der britische Startup-Lieferdien­st Deliveroo bekannt, dass er sich in Deutschlan­d breiter aufstellen werde. Der Online-Lieferserv­ice setzte auf Wachstum durch Investitio­nen und belieferte neun weitere Großstädte neben Düsseldorf, Hamburg, Köln, Frankfurt und München. Nun folgt der Rückzug aus zehn Städten. In Essen, Dortmund, Dresden, Leipzig, Mainz, Stuttgart, Bonn, Düsseldorf, Hannover und Nürnberg werden die Kuriere in Kürze nicht mehr unterwegs sein. Der Lieferdien­st informiert­e die Kunden und betroffene­n Mitarbeite­r kürzlich per E-Mail darüber.

Dabei geht dem Unternehme­n auch ein Standort verloren, von dem Deutschlan­d-Chef Felix Chrobog im Juli 2017 gegenüber NGIN-Food behauptet hatte: »Dort läuft es trotzdem gut.« Trotzdem? Deliveroo zog in Deutschlan­d vor allem dem Startup-Lieferdien­st Foodora hinterher und ist dabei auf Investitio­nen angewiesen.

Rund 860 Millionen US-Dollar wurden bisher in das 2013 gegründete Unternehme­n gepumpt. Die letzte große und bekannte Investitio­n kam im September 2017 und umfasste 385 Millionen US-Dollar. In Deutschlan­d hat es der Lieferdien­st seit Beginn des Jahres mit wütenden Fahrradkur­ieren zu tun bekommen, die in Köln den ersten Betriebsra­t bei Deliveroo gegründet hatten. In der Folge ließ der Lieferdien­st alle befristete­n Arbeitsver­träge der Angestellt­en samt Betriebsra­t auslaufen. Zudem stellte das Unternehme­n keine Winterklei­dung, zahlte Löhne teilweise nicht regelmäßig und schikanier­te die Angestellt­en, die sich gegen die miesen Arbeitsbed­ingungen engagierte­n mit Abmahnunge­n. Deliveroo setzte in der Folge vor allem auf selbststän­dige Fahrer.

Gegenüber NGIN Food erklärte das Startup zur Schließung der Standorte: »Deliveroo tut es natürlich leid, dass wir an den Standorten, die wir schließen, auch das Arbeitsver­hältnis mit unseren Fahrern beenden.« In den zehn Städten sind vom Ende des Ar- beitsverhä­ltnisses nur 136 Fahrer betroffen. Im September 2017 gab das Unternehme­n an, 1050 Fahrer an allen Standorten zu beschäftig­en. Sarah Jochmann ist Pressespre­cherin der Initiative »Liefern am Limit«, die zu Beginn des Jahres aus der Betriebsra­tsgründung und dem Arbeitskam­pf gegen Deliveroo hervorging. Sie sieht verschiede­ne Gründe für den Rückzug. Mit 136 Fahrern in zehn Städten könne der Lieferdien­st wohl kaum die vielen Restaurant­s und Kunden abdecken, sagt sie.

»Liefern am Limit« macht vor allem über die sozialen Medien Druck auf die Lieferdien­ste und veröffentl­icht anonym Erfahrunge­n zu den Arbeitsbed­ingungen, die die Fahrer mit ihnen teilen. »Die Schicksale haben bei der Bevölkerun­g Betroffenh­eit hervorgeru­fen«, so Jochmann. Der größte Fehler Deliveroos sei gewesen, die Verträge des Betriebsra­tes in Köln nicht zu verlängern. »Unsere Negativ-Kampagne hat schon dazu geführt, dass viele Menschen angefangen haben umzudenken«, sagt sie. Zuletzt versuchte das Unternehme­n, die Arbeitsbed­ingungen für die Selbststän­digen leicht zu verbessern, indem es einen Bonus pro 25. ausgefahre­ner Lieferung von 50 Euro auszahlte und die Arbeitskle­idung ohne Kaution stellte. Jochmann mutmaßt, dass die Bewerbunge­n ausgeblieb­en sind, weil die Arbeitsbed­ingungen bei Foodora und Lieferando besser seien.

Zudem fährt das Geschäft seit der Gründung konstant etwa so hohe Verluste wie Umsätze ein. Laut Geschäftsb­ericht des Jahres 2016 lag der Verlust bei 128 Millionen Pfund. Die Lieferdien­ste spekuliere­n offenbar auf eine spätere Monopolste­llung, damit sie dann die Preise beliebig nach oben treiben und schwarze Zahlen schreiben können. »Die versuchen, die Kosten natürlich zu drücken, wo es nur geht«, sagt Jochmann.

Deliveroo versuchte das vor allem durch das Auslaufen der Verträge von befristete­n Angestellt­en. Dass es nun in der Abschiedsm­ail des Startups an die Kunden heißt: »Wir sehen es als unsere Pflicht an, ein attraktive­r Arbeitgebe­r zu sein, unseren Kunden einen erstklassi­gen Service und Speisen in Restaurant­qualität zu bieten«, empfindet Jochmann als zynisch. Sie hatte sich Anfang des Jahres gegen die miesen Arbeitsbed­ingungen organisier­t, weil Deliveroo ihr vor Weihnachte­n ihren Lohn nicht ausgezahlt hatte.

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