nd.DerTag

Zurück nach China

Google und Facebook wollen ihre Dienste trotz Zensur wieder anbieten

- Von Finn Mayer-Kuckuk, Peking

Google lässt eine Suchmaschi­ne eigens für den zensierten Internetma­rkt in China entwickeln. Zahlreiche Führungskr­äfte begehren nun auf. Auch Facebook will zurück auf den lukrativen Markt.

Das Projekt »Libelle« sollte Google auf den größten Internetma­rkt der Welt zurückbrin­gen: China. Doch gegen das umstritten­e Vorhaben begehren nun sogar die eigenen Beschäftig­ten auf. »Dringende moralische und ethische Fragen« melden über 1000 Google-Führungskr­äfte und Techniker in einem aktuellen Brief an Firmenchef Sundar Pichai an. Anfang August war durchgesic­kert, dass Pichai eine eigene, zensierte Suchmaschi­ne für den chinesisch­en Markt entwickeln lässt. Er hatte sich mit Mitglieder­n der chinesisch­en Führung getroffen und dabei offenbar eine Rückkehr auf den lukrativen chinesisch­en Markt diskutiert.

Google hatte sich 2010 mit fast allen Diensten aus China zurückgezo­gen. Die Regierung des Landes hatte eine immer striktere Beschränku­ng der Suchergebn­isse auf politisch genehme Inhalte verlangt. Eine Suche nach »Tiananmen-Zwischenfa­ll« geht in China beispielsw­eise zuverlässi­g ins Leere oder liefert nur unverfängl­iche Ergebnisse. Andere Anbieter wie Bing von Microsoft unterwerfe­n sich bereits den Vorgaben und bieten eine gereinigte Suche an. Google wollte damals jedoch höhere moralische Standards einhalten.

Die Familie von Google-Mitgründer Sergey Brin war 1979 nach zahlreiche­n Schikanen aus der Sowjetunio­n ausgereist. Brin wollte daher nicht, dass sich sein Unternehme­n an Zensur und Menschenre­chtsverlet­zungen beteiligt. Das steht sogar in den Statuten des Unternehme­ns, dessen Motto damals noch »Don’t be evil« lautete.

Genau dieses Motto hat Google in seinem Firmenhand­buch im Mai die- ses Jahres abgeschaff­t und die globale Lage auf dem Markt für Internetwe­rbung hat sich ebenfalls verändert. Der Umsatz mit Online-Anzeigen liegt in China inzwischen bei knapp 500 Milliarden Yuan (65 Milliarden Euro). Wenn Google weiter wachsen will und die Geschäfte des Unternehme­ns wirklich die ganze Welt umspannen sollen, dann müsste China mit dabei sein. Deshalb hat Pichai begonnen, die Haltung gegenüber dem Land aufzuweich­en. Statt jedoch mit der Kernmarke Google ins Reich der Mitte zurückzuke­hren, wollte er dort eine neue Seite mit Namen »Libelle« aufbauen lassen.

Auch andere Internetfi­rmen flirten mit China. Der Aktienkurs von Facebook ist Ende Juli um 20 Prozent abgestürzt, weil das Unternehme­n zugeben musste, dass die Zahl der Nutzer nicht mehr so schnell wächst wie früher. Damit hat die simple Feststellu­ng, dass das Wachstum einmal abflacht, den Wert des Unternehme­ns um 120 Milliarden Dollar verringert. In China finden sich indes noch eine Milliarde Internetnu­tzer, die noch nicht bei Facebook sind – weil die Seite dort blockiert ist. Firmenchef Mark Zuckerberg hat zudem – anders als Sergey Brin – nur

Fragt sich, ob die beiden Unternehme­n in China überhaupt willkommen sind. Der Regierung war ihre Abwesenhei­t völlig recht.

wenig Berührungs­ängste mit China. Seine Frau ist Chinesin. Auch Facebook stochert derzeit nach Möglichkei­ten, dort Dienste anzubieten.

Fragt sich, ob die beiden Unternehme­n in China überhaupt willkommen sind. Der Regierung war ihre Abwesenhei­t völlig recht – und zwar gleich aus zwei Gründen. Einerseits lässt sich lückenlose Netzkontro­lle mit einheimisc­hen Firmen leichter umsetzen. Sie sind von Anfang an auf Zensur getrimmt. Peking hat Facebook auch prompt rausgeschm­issen, nachdem sich Aktivisten bei Ausschreit­ungen in der Unruheprov­inz Xinjiang 2009 auf der Plattform abgesproch­en hatten. Anderersei­ts hat der Ausschluss der internatio­nalen Marken den Aufbau eigener chinesisch­er Netzfirmen ermöglicht. In Abwesenhei­t der globalen Konkurrenz sind dort Namen wie Baidu, Sina, QQ, WeChat oder Alibaba hochgekomm­en. Mit denen sind die Chinesen auch völlig zufrieden.

Der jüngste Anlauf von Facebook in China landete schon nach einem Tag im Graben. Eine Tochterges­ellschaft hatte dort zwar auf Provinzebe­ne in der Stadt Hangzhou eine Geschäftsl­izenz für die Förderung von Start-ups erhalten. Nur 24 Stunden später kassierte die Zentralreg­ierung in Peking die Genehmigun­g jedoch wieder. Ohne Begründung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany