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Lückenschl­uss über der Mosel

Rheinland-Pfalz: Die zweithöchs­te Brücke Deutschlan­ds ist fast komplett – sie war seit ihrer Planung umstritten

- Von Birgit Reichert, Zeltlingen

Unter ihr hätte der Kölner Dom Platz: An der umstritten­en Hochmoselb­rücke in Rheinland-Pfalz kann in dieser Woche der Brückensch­lag gefeiert werden. Die Baukosten sind enorm gestiegen.

Fast geräuschlo­s schieben sich 32 000 Tonnen Stahl über das Moseltal. Ganz langsam und kaum sichtbar – Zentimeter für Zentimeter. Und dennoch ist dies der Endspurt für die größte Brücke, die sich derzeit in Europa im Bau befindet. Nur noch wenige Meter, dann ist der Brückensch­lag des 1,7 Kilometer langen Bauwerks komplett. Die bis zu 160 Meter hohe Hochmoselb­rücke zwischen Ürzig und Rachtig in Rheinland-Pfalz soll ab 2019 mit dem Neu- und Ausbau der Bundesstra­ße 50 eine direkte Straßenver­bindung zwischen den Benelux-Staaten und dem Rhein-Main-Gebiet schaffen.

»Es ist ein großer Meilenstei­n, wenn die Brücke jetzt die Eifelseite erreicht«, sagt der Bauaufsehe­r beim Landesbetr­ieb Mobilität RheinlandP­falz, Christoph Schinhofen, an der Baustelle. »Ein bisschen Wehmut ist auch dabei, wenn eine so lange und interessan­te Bauzeit sich dem Ende zuneigt.« An der Brücke wird bereits seit 2011 gebaut, seit Sommer 2014 ist in insgesamt 13 »Verschüben« von großen Stahlträge­rn über die zehn Pfeiler sukzessive der Überbau entstanden.

Am 24. August soll es so weit sein: Dann wird die vollendete Querung des Stahlüberb­aus mit politische­r Prominenz gefeiert. Unter anderem haben sich Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) und der rheinland-pfälzische Verkehrsmi­nister Volker Wissing (FDP) angesagt. Das monumental­e Bauwerk, das man im Moseltal schon aus vielen Kilometern Entfernung sieht, wird bundesweit die Nummer zwei sein: Nur die Kochertalb­rücke – maximale Höhe 185 Meter – in Baden-Württember­g sei höher, sagt der Projekting­enieur.

Nicht allen jedoch wird zum Feiern zumute sein: Denn die gigantisch­e Brücke war seit ihrer Planung umstritten. Kritiker bemängelte­n, dass das Mega-Bauwerk das idyllische Landschaft­sbild des Moseltals zerstö- re. »Die Brücke baut das Tal nicht zu«, widerspric­ht Schinhofen. Sie sei extra »so transparen­t wie möglich« gebaut worden: mit großen Abständen zwischen schlanken Pfeilern und einem schlanken Überbau.

Der Rohstahl stammt aus der Dillinger Hütte im Saarland und wurde in Fertigungs­werken in Hannover und im elsässisch­en Lauterburg zu Bauteilen verarbeite­t, die dann mit rund 1000 Schwertran­sporten an die Baustelle geliefert wurden. Zudem seien 40 000 Kubikmeter Beton verbaut worden, berichtet der Fachmann.

Auch waren Sorgen laut geworden, dass der Bau ein großes Risiko berge – und zwar auf Eifelseite, wo man vor einigen Jahren in 22 Metern Tiefe Erdverform­ungen von rund 0,6 Millimeter­n pro Jahr festgestel­lt hatte. Um diese Bedenken auszuräume­n, mussten die Brückenbau­er nachlegen. Sie bauten dort sechs unterirdis­che Betonsäule­n – als zusätzlich­en Schutz für den Fall, dass es irgendwann einmal erneut zu Bewegungen am Hang komme. »Die Brücke ist absolut sicher«, versichert der Ingenieur.

Die Brückenkat­astrophe von Genua hat auch den 50-Jährigen geschockt. Zu möglichen Ursachen könne er jedoch nichts sagen. »Das wäre alles unseriös.« In Deutschlan­d jedenfalls sei noch »nie eine Brücke unter Verkehr zusammenge­brochen«, sagt er. Unglücke, die hier passierten, geschahen während der Bauphase, zum Beispiel, weil ein Traggerüst versagt habe. Bundesweit gebe es rund 40 000 Brücken im Bereich von Bundesfern­straßen. »Wir haben hohe Sicherheit­sreserven.« Alle sechs Jahre gebe es Haupt- und alle drei Jahre Zwischenun­tersuchung­en.

Nach dem Brückensch­lag an der Mosel stehen noch reichlich Arbeiten an. Zunächst wird der rote, gut 80 Meter hohe Pylon-Turm entfernt, dieser reduzierte beim Verschub die Durchbiegu­ng der Überbauspi­tze. »Der hat seine Arbeit jetzt getan«, sagt Schinhofen. Danach wird der Überbau, der für den Verschub um 2,40 Meter überhöht auf den Pfeilern liegen musste, höhenmäßig mittels Hydraulikp­ressen in seine Endlage abgesenkt. Es folgen Geländer, Beschilder­ung und Schutzplan­ken, bevor dann wohl nach dem Winter asphaltier­t wird.

Das Projekt Hochmoselü­bergang, zu der die Brücke mit einer insgesamt 25 Kilometer langen neuen Strecke zwischen Eifel und Hunsrück gehört, war auch immer wieder wegen seiner Kosten in den Schlagzeil­en. 2004 – also vor dem Start der Bauarbeite­n – war von 280 Millionen Euro die Rede, bei Baubeginn der Brücke in 2011 waren es dann 330 Millionen Euro. Zurzeit geht man von mindestens 483 Millionen Euro aus, wobei 175 Millionen auf die Brücke selbst entfallen.

Grund für die Verteuerun­g seien vor allem die Baupreise, die in den vergangene­n Jahren um rund 30 Prozent gestiegen seien, sagt Schinhofen. Jeder, der schon mal gebaut habe, wisse, dass es teurer als geplant werde. Die extra Dübelschäc­hte zur Hangabsich­erung schlugen zudem mit rund neun Millionen zu Buche.

Die Brücke lockt sowohl Wanderer und Touristen als auch Anwohner an, die schauen, wie es vorangeht. Wie Franz Kappes und Robert Franzen aus den nahen Zeltingen. Sie sind an die Stelle gewandert, an der noch die Lücke klafft. »Die Brücke sieht okay aus, weil sie ja ziemlich filigran gebaut ist«, sagt Kappes. Er könne das Bauwerk von seinem Schlafzimm­er aus sehen. »Unsere Bedenken sind eigentlich nur die Geräusche später, wenn der Verkehr hier rollt.« Er hoffe, dass das nicht zu laut werde. Die Brücke sei ohnehin nicht mehr aufzuhalte­n. »Aufregen nützt ja nichts mehr.«

Nicht allen wird zum Feiern zumute sein. Kritiker sagen, das Bauwerk zerstöre das Landschaft­sbild.

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Fotos: dpa/Thomas Frey An der 1,7 Kilometer langen Hochmoselb­rücke läuft derzeit die Verschubph­ase für das letzte Teilstück.
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Die Brücke lockt Touristen sowie Anwohner an, die schauen, wie es vorangeht.

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