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Der Özil der Kunst?

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Zwei

Monate nach seinem Rückzug als Chef des Münchner Hauses der Kunst erhebt der prominente Kurator Okwui Enwezor im »Spiegel« schwere Vorwürfe. Er habe den Eindruck, »nicht mehr erwünscht« gewesen zu sein. »Ich bin geradezu perplex. Die Leistungen und Erfolge von sieben Jahren werden unter den Teppich gekehrt.« Es sei ein unzutreffe­ndes Bild des »Scheiterns« entworfen worden.

Der in Nigeria geborene Kurator, der in seiner Karriere sowohl die Kasseler documenta als auch die Biennale von Venedig geleitet hat, nennt nun seine Herkunft als einen der Gründe für die Stimmung, die ihn zum Rückzug – aus offiziell gesundheit­lichen Gründen, nach eigener Aussage ist er an Krebs erkrankt – bewegt habe: »Es ist durchaus denkbar, dass meine Herkunft, auch mein Äußeres manchen zu Projektion­en verleiten. Ich beobachte sehr wohl, wie ich kulturell abgewertet werde.«

Als Beleg nennt er die Kritik daran, dass die deutsche Sprache nicht beherrsche. »Das wird auf erschrecke­nde Weise überbetont. Manche Leute machen sich nicht einmal die Mühe, meinen Namen richtig auszusprec­hen, aber sie

»Ich beobachte sehr wohl, wie ich kulturell abgewertet werde.« Okwui Enwezor

verlangen von mir, deutsch zu sprechen«, sagte der 54-Jährige. Er glaube, dass es bei dieser Kritik um »etwas anderes geht«.

Zudem hat er den Verdacht, dass »unsere inhaltlich­e Ausrichtun­g nicht ins heutige politische Klima« passte: Dieses bringe »viele Menschen dazu, all das, was in den vergangene­n Jahrzehnte­n erreicht wurde, aufzugeben«. Es sei »erschütter­nd«, wie heute von Flüchtling­en gesprochen werde.

Nicht nur diese Abschiedsr­ede erinnert an diejenige von Mesut Özil aus dem deutschen Herrenfußb­allteam – sondern auch die Reaktionen. Bayerns Kunstminis­terin Marion Kiechle (CSU) erklärte nun der dpa, »die kuratorisc­hen Leistungen« bestreite niemand. Doch sei die trotz »einvernehm­lichen« Auflösungs­vertrages »im Nachgang geäußerte Sicht der Dinge bedauerlic­h«.

2017 waren im Haus Geldproble­me bekannt geworden; es hatte Skandale um die Nähe von Angestellt­en zu Scientolog­y und Fälle sexueller Belästigun­g gegeben. Der Aufsichtsr­at stellte Enwezor im Herbst 2017 einen kaufmännis­chen Geschäftsf­ührer an die Seite. Im Juni gab der seinen Abschied bekannt.

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