Tolu: Rückkehr ohne Freude
Prozess gegen die Journalistin wird in der Türkei fortgesetzt
Stuttgart. Die in der Türkei angeklagte Journalistin Meşale Tolu ist am Sonntagmittag, 16 Monate nach ihrer Festnahme, mit ihrem dreijährigen Sohn auf dem Stuttgarter Flughafen gelandet. »Ich freue mich aber nicht wirklich über die Ausreise«, so Tolu. Sie wisse, dass sich in der Türkei nichts verändert habe. Kollegen, Oppositionelle, Anwälte und Studenten seien weiter eingesperrt. Für deren Freilassung wolle sie sich einsetzen.
Ein türkisches Gericht hatte die Ausreisesperre für Tolu aufgehoben. Der Prozess soll aber fortgesetzt werden. Tolu steht wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vor Gericht. Ihr drohen bis zu 20 Jahre Haft. Tolu hat vor ihrer Verhaftung für die linke Nachrichtenagentur Etkin News Agency (ETHA) gearbeitet. Mit ihr ist ihr Ehemann Suat Çorlu angeklagt. Seine Ausreisesperre besteht weiter.
Im Februar wurde »Welt«-Korrespondent Deniz Yücel freigelassen, der Menschenrechtler Peter Steudtner im Oktober 2017. Beide Verfahren dauern an.
Am Sonntagnachmittag landete Meşale Tolu in Stuttgart, nachdem die Ausreisesperre gegen sie in der Türkei aufgehoben worden war. Sie will sich nun für die Freiheit von in der Türkei Inhaftierten einsetzen. Sieben Monate musste die deutsche Journalistin Meşale Tolu mit ihrem Sohn in türkischer Untersuchungshaft verbringen. Bei ihrer Verhaftung war er gerade einmal zwei Jahre alt. Weitere zehn Monate sollte es dauern, bis Tolu nun endlich auch die Türkei verlassen durfte. Am Sonntagmittag landete sie gemeinsam mit ihrem Kind am Stuttgarter Flughafen. Seit mehr als 17 Monaten läuft das Gerichtsverfahren gegen die Ulmer Journalistin. Auf dem Weg zum Flugzeug hatte Tolu getwittert: »Nach 17 Monaten geht es zurück nach Hau- se.« Ein Wermutstropfen trübt das Bild jedoch: Ihr Mann Suat Çorlu, der ebenfalls in der Türkei angeklagt ist, kann die beiden nicht begleiten. Das gegen ihn verhängte Ausreiseverbot wurde nicht aufgehoben.
Am Flughafen wurden Meşale Tolu und ihr Sohn von Familie, Freunden und ihrem Unterstützerkreis empfangen. »Ich bin zwar heute hier, aber Hunderte Journalisten nicht. Ich kann mich daher nicht wirklich freuen, es hat sich in der Türkei, in der ich eingesperrt war, nichts verändert«, so Tolu bei einer Pressekonferenz nach ihrer Ankunft in Deutschland. Vielmehr sei laut Tolu Recep Tayyip Erdoğan zum Alleinherrscher geworden, was für die Menschen noch mehr Repression bedeute.
»Mir geht es gut, aber ich denke, ich werde Zeit brauchen, das Ganze zu verarbeiten«, beschreibt Tolu ihre Gefühle nach der Landung. Sie sei vor allem nach Deutschland zurückgekehrt, damit ihr Sohn in Deutschland in Sicherheit leben kann.
Tolu stellte nochmals klar, dass sie die Vorwürfe der Türkei gegen sie zurückweist und sich keiner Schuld bewusst sei. Sie kündigte an, für ihre kommenden Gerichtsverhandlungen wieder in die Türkei zu reisen. »Man mag das für naiv halten, aber ich denke, dass ich im Recht bin.« Ebenso betonte Tolu, dass die Vorwürfe, die der türkische Staat gegen sie erhebt, nichts besonderes seien, sondern in ähnlicher Form gegen Zehntausende Menschen benutzt werden.
Das Vorgehen der türkischen Behörden gegen Journalisten und Oppositionelle bezeichnete Tolu als willkürlich. Dass ihr Mann die Türkei weiterhin nicht verlassen darf, sieht sie als einen Beweis für eben diese Willkür. »Ich werde mich auch weiter für die Freiheit der in der Türkei Verhafteten einsetzen«, bekräftigt Tolu ihre Absichten. »Die Solidarität und Unterstützung aus Deutschland hat mir sehr viel Kraft gegeben.« Vor allem während der Zeit im Gefängnis seien die Unterstützung und die Medienberichte in Deutschland extrem wichtig für sie gewiesen, so Tolu. Nach einiger Zeit mit ihrer Familie und der Eingewöhnung in Deutschland, will Meşale Tolu weiter als kritische Journalistin arbeiten. In der Türkei sei ihr das nicht mehr möglich gewesen, doch hier wolle sie ihrem Beruf wieder nachgehen, so die 33-Jährige.
Ebenso wie Tolu ist auch der Kölner Adil Demirci in der Türkei wegen »Terrorpropaganda und Unterstützung« angeklagt. Tolu und Demirci arbeiteten beide bei der linken türkischen Nachrichtenagentur ETHA. Auch Demirci sitzt nun bereits seit fast vier Monaten in türkischer Untersuchungshaft. Ein erster Prozesstermin gegen ihn ist für den 20. November angesetzt worden.