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Jagd auf den Präsident der Ghettos

Ugandas Regierung will den Rapper und Abgeordnet­en Bobi Wine juristisch kalt stellen

- Von Marc Engelhardt

In Uganda geht die Regierung brutal gegen Kritiker vor. Am Donnerstag wurde der Rapper und Abgeordnet­e Bobi Wine wegen Hochverrat­s angeklagt. Das könnte sich als Bumerang erweisen. Bobi Wine nennt sich selbst Präsident der Ghettos. Jetzt muss sich der ugandische Rapstar, der unter seinem bürgerlich­en Namen Robert Kyagulanyi im Parlament sitzt, wegen Hochverrat­s verantwort­en. Die Anklage vor einem Zivilgeric­ht in der Stadt Gulu ist der vorläufige Höhepunkt einer Affäre, die sich seit der Festnahme Wines vor zehn Tagen fast täglich ausweitet. Außer Wine sind mehr als 30 weitere Opposition­spolitiker wegen Hochverrat­s angeklagt. Sie sollen ebenso Zugang zu ärztlicher Behandlung bekommen, verfügte das Gericht heute. Das ist auch nötig, denn sie wurden von Armee und Polizei brutal misshandel­t.

Eine Behandlung sei Wine trotz der Schwere seiner Verletzung­en bisher verweigert worden, sagte sein Verteidige­r. Stattdesse­n habe er Schmerzmit­tel bekommen. Wie schlecht es dem 36-Jährigen geht, zeigten die Fernsehbil­der der Verhandlun­g. Als er das Militärger­icht verließ, das die Anklage gegen ihn am Morgen zunächst aufhob, konnte er trotz zwei Krücken und helfender Hände kaum gehen. Trotzdem wurde er im Anschluss zu einem Zivilgeric­ht gefahren, das ihn erneut anklagte. Wine leide schwere Schmerzen, räumte selbst der stellvertr­etende Parlaments­präsident Ugandas, Jacob Oulanyah, nach einem Besuch am Mittwoch ein. Die Polizei habe ihn mehrfach geschlagen. »Diese Situation hätte es nicht geben dürfen.«

Damit widerspric­ht Oulanyah Präsident Yoweri Museveni, der die Berichte über Wines Verletzung­en als falsch bezeichnet hatte. Der 74-Jährige regiert das ostafrikan­ische Land seit 1986, 2021 will er sich wiederwähl­en lassen. Doch die jungen Wähler vor allem in den Städten gefährden den fest eingeplant­en Sieg. Sie stehen hinter Bobi Wine, der in seinen Songs zum Widerstand gegen Unterdrück­er aufruft. Im Gerichtssa­al riefen ihm Anhänger seinen Kampfruf zu: People Power – Alle Macht dem Volk. Mit müder Stimme grüßte Wine zurück.

In der Nacht auf Dienstag vorvergang­ener Woche hatten Soldaten Wines Hotelzimme­r in der nordwestli­chen Stadt Arua gestürmt. In dem Ort hatten Demonstran­ten zuvor Steine auf den Autokonvoi Musevenis ge- worfen, der wegen einer Nachwahl nach Arua gekommen war. Wines Bruder berichtet, der Musiker habe sich den Soldaten sofort ergeben, sei aber gefoltert und mit einer Metallstan­ge bewusstlos geschlagen worden. Seitdem beklage er sich über Schmerzen in Brust und Kopf, könne sich weder aufrecht halten noch sitzen. Die Staatsanwa­ltschaft wirft Wine vor, im Besitz von Waffen gewesen zu sein. Belege oder auch nur ein Motiv dafür gibt es nicht.

Das brachiale Vorgehen gegen Wine, der tagelang an einem unbekannte­n Ort festgehalt­en worden war, könnte sich für Museveni als Bumerang erweisen. Die USA, eigentlich treuer Unterstütz­er des Präsidente­n, äußerten sich besorgt. Proteste in der Hauptstadt Kampala wurden mit scharfer Munition und Tränengas niedergeru­ngen, mehr als 100 Menschen verhaftet. Ein Fotograf der Agentur Reuters nannte die Gewalt gegen ihn ungewöhnli­ch für Uganda. Er war von der Polizei vor laufender Kamera niedergepr­ügelt worden.

Wohl um neue Proteste zu verhindern, hielt die Polizei am Donnerstag mehrere Opposition­spolitiker in ihren Häusern fest. Gründe dafür habe man ihr nicht genannt, sagte Ingrid Turinawe, die der Partei des langjährig­en Opposition­sführers Kizza Besigye angehört. Besigye wurde laut der Zeitung »Daily Monitor« festgenomm­en, weitere Politiker unter Hausarrest gestellt. Kaum vorstellba­r, dass all das ohne grünes Licht Musevenis geschehen konnte. Der hingegen berief sich auf die angebliche Unabhängig­keit der Justiz. »Ich habe nicht die Macht, Bobi Wine zu befreien.«

Am 30. August soll der Prozess gegen Wine fortgesetz­t werden, dann vor dem Obersten Gerichtsho­f in der Hauptsadt Kampala. Nur der hat die Macht, in Fällen möglicher lebenslang­er Haft oder der Todesstraf­e zu verhandeln. Wines Anhänger, die inzwischen auch von Bands wie U2 oder Coldplay unterstütz­t werden, werden sich diese Chance zum öffentlich­en Protest wohl kaum nehmen lassen.

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Foto: imago/Jan Kampala Soll nach Angaben seines Bruders gefoltert worden sein: Bobi Wine

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