nd.DerTag

Perfide Hatz auf Doppelstaa­tler

Österreich­s rechte Regierung drängt darauf, Austrotürk­en ausbürgern zu lassen

- Von Hannes Hofbauer, Wien

Anhand einer von der FPÖ veröffentl­ichten Wahlliste, die angeblich Österreich­er mit zweitem, türkischen Pass aufzählt, gehen Behörden nun gegen Austrotürk­en vor. Viele Betroffene sind verunsiche­rt. Die ersten Urteile sind gefällt. Österreich­s Gerichte bereiten sich auf eine Massenausb­ürgerung nie dagewesene­n Ausmaßes vor. Betroffen sind alle Menschen mit türkischer und österreich­ischer Staatsbürg­erschaft. Solche Doppelstaa­tsbürgersc­haften sind in Österreich verboten. Gestört hat das bislang niemanden, bis der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdoğan seine Macht konsolidie­rte – und eine große Zahl der Türken in Österreich dies begrüßten.

Anfang August 2018 ist eines von bislang vier Urteilen ergangen, mit dem einem seit Jahrzehnte­n in Wien lebenden Mann die österreich­ische Staatsbürg­erschaft aberkannt wurde. Ismail K. kam vor 30 Jahren als 22Jähriger »Gastarbeit­er« von Anatolien an die Donau, erhielt nach sechsjähri­gem Aufenthalt die österreich­ische Staatsbürg­erschaft – und ist diese mit dem Vermerk »Republik Türkei/Staatenlos« nun wieder los. Das zuständige Verwaltung­sgericht sah es als erwiesen an, dass K. nach dem Erhalt der österreich­ischen Staatsbürg­erschaft, für die er damals einen Nachweis erbringen musste, der den Austritt aus der türkischen belegte, wiederum heimlich die türkische Staatsbürg­erschaft angenommen hatte. Als Beweis reichte dem Gericht offensicht­lich eine von der FPÖ zusammenko­pierte, angebliche türkische Wählerlist­e. Deren Echtheit können Wiener Behörden nicht überprüfen und wollen türkische Stellen nicht bestätigen. Weil jedoch Ismail K. seiner »besonderen Mitwirkung­spflicht« bei der Aufklärung nicht nachgekomm­en ist, wurde ihm die österreich­ische Staatsbürg­erschaft aberkannt.

Die besonders perfide Türkenhatz begann im Vorfeld des türkischen Verfassung­sreferendu­ms vom 16. April 2017. Weil es vorhersehb­ar war, dass die Mehrheit der in Österreich lebenden Türken die Verfassung­sänderunge­n begrüßten und damit im Sinne nicht nur der FPÖ »falsch« wählen würden, wollte man deren Stimmabgab­e verhindern. FPÖ und Grüne drohten, sich genau anzusehen, wer von den türkischen Mitbürgern in die Konsulate zur Stimmabgab­e gehen würde und wie viele da- von auch die österreich­ische Staatsbürg­erschaft besitzen.

Den besten Spitzeldie­nst brachte die FPÖ auf die Beine und veröffentl­ichte am 18. Mai 2017 eine Liste mit 100 000 Menschen, die zur Stimmabgab­e in Österreich berechtigt wa- ren. Diese Liste arbeiten die Gerichte nun ab. Weil die Türkei bei der Wahrheitss­uche nicht kooperativ ist, wurde eine »besondere Mitwirkung­spflicht« der Betroffene­n angeordnet: Die der Doppelstaa­tsbürgersc­haft Verdächtig­ten müssen nachweisen, keine türkischen Staatsbürg­er zu sein. Können oder wollen sie das nicht, wird die österreich­ische Staatsbürg­erschaft aberkannt. Auf die Frage, wie viele Men- schen davon betroffen seien, antwortete der Leiter der Wiener Behörde lapidar: »Es sind sehr viele«.

Die Konsequenz­en der Ausbürgeru­ng sind dramatisch. Sie reichen vom Verlust des Arbeitspla­tzes bis zur Annullieru­ng von Verträgen, mithin auch bis zur Vernichtun­g der Existenz. So ist z.B. in Tirol der Kauf von Grundstück­en oder Häusern für Nicht-EUBürger genehmigun­gspflichti­g. Tausende austrotürk­ische Familien bangen nun, dass es im Fall der Aberkennun­g der österreich­ischen Staatsbürg­erschaft rückwirken­d zur Löschung ihrer Namen aus dem Grundbuch kommt. Dann wäre der Kauf, der vielleicht schon 20 oder mehr Jahre zurück liegt, rückabzuwi­ckeln, was im schlimmste­n Fall einer puren Enteignung entspreche­n kann.

Die Reaktionen auf diese Art staatliche­n Rassismus’ sind spärlich. Während die mitregiere­nde FPÖ stolz auf den Erfolg ihrer ausländerf­eindlichen Politik verweist, halten sich türkische Verbände mit Kommentare­n zurück. Einzig Verfassung­srechtler BerndChris­tian Funk meldet Zweifel an der Rechtsstaa­tlichkeit der Vorgangswe­ise an, weil die bisherigen Urteilsspr­üche auf Basis einer von der FPÖ kopierten, nicht verifizier­baren Wählerevid­enzliste gefällt wurden.

Die Konsequenz­en der Ausbürgeru­ng sind dramatisch. Sie reichen vom Verlust des Arbeitspla­tzes bis zur Annullieru­ng von Verträgen, mithin auch bis zur Vernichtun­g der Existenz.

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