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Saudi-Arabien geht gegen Schiiten vor

Vor einem Sondergeri­cht in Damman wird die Todesstraf­e gegen sechs Menschenre­chtler gefordert

- Von Oliver Eberhardt, Kairo

Menschenre­chtler warnen seit Jahren vor einer missbräuch­lichen Anwendung einer königliche­n Anweisung zur Terrorabwe­hr. Bekannt wurde im Westen der Fall einer saudischen Gruppe schiitisch­er Menschrech­tler, denen die Todesstraf­e droht, nachdem Amnesty In- ternationa­l auf das Schicksal der 29jährigen Israa al Ghomgham hingewiese­n hatte – dementspre­chend konzentrie­rt sich auch derzeit das öffentlich­e Interesse vor allem auf sie.

Doch mit al Ghomgham stehen derzeit fünf weitere Personen, darunter auch ihr Ehemann Mussa al Haschem, vor dem »Sonderkrim­inalgerich­t« in Dammam, einer Hafenstadt zwischen Bahrain und Kuwait. Alle sechs sind Schiiten, eine Minderheit, die sich im sunnitisch­en Saudi-Arabien im Alltag einer Vielzahl von Diskrimini­erungen ausgesetzt sieht, und überdies auch immer wieder in die Mühlen des Konflikts des erzkonserv­ativen Königreich­s mit Iran gerät. Am 6. und 8. Dezember 2015 wurden diese sechs also festgenomm­en und sitzen seitdem in Haft.

Aus Gerichtsun­terlagen geht hervor, dass den Angeklagte­n vorgeworfe­n wird, sich an Protesten in der Provinz asch Scharqiyya, deren Hauptstadt Dammam ist, beteiligt und Bilder von den Demonstrat­ionen in sozialen Netzwerken veröffentl­icht zu haben. Zudem habe man »Aufrührern« moralische Unterstütz­ung geleistet, indem die Angeklagte­n an Beerdigung­en von durch die Polizei getöteten Demonstran­ten teilgenomm­en haben. Al Ghomgham wird zudem »Fälschung« vorgeworfe­n: Sie habe in ihrem Facebook-Profil das Bild einer anderen Frau als ihr eigenes ausgegeben. Außerdem hätten die Angeklagte­n mit der Veröffentl­ichung der Protestbil­der Paragraf 6 des Gesetzes zur Bekämpfung der Onlinekrim­inalität verletzt.

Für fünf der sechs Angeklagte­n hat die Staatsanwa­ltschaft nun die Todesstraf­e gefordert. Die Grundlage dafür bildet königliche die Anwei- sung 44/A. Dabei handelt es sich um eine Verordnung, die von der saudischen Regierung nach der Veröffentl­ichung am 3. Februar 2015 als »unerlässli­cher Schritt zur nachhaltig­en Bekämpfung des Terrors im In- und Ausland« bezeichnet wurde, so ein Regierungs­sprecher damals.

Eine Reihe von Gruppen, darunter der »Islamische Staat«, al-Qaida, die Huthi-Milizen und die Hisbollah, werden darin als Terrororga­nisation eingestuft, und Kontakt zu und/oder Unterstütz­ung dieser Gruppen unter Strafe gestellt.

Doch neben diesen Regelungen definiert die Verordnung auch eine ganze Reihe von anderen Handlungen als Terrorismu­s: Atheismus gehört laut Verordnung 44/A ebenso dazu wie Handlungen, die »die Einheit und Stabilität des Königreich­s schädigen« oder zu einer »ablehnende­n Haltung« von ausländisc­hen Regierunge­n oder internatio­nalen Organisati­onen Saudi-Arabien gegenüber führen.

Schon seit Jahren hatten saudische Aktivistin­nen und Aktivisten, ganz gleich für welches Anliegen sie eintreten, aber auch arabische Nachrichte­nsender, immer wieder die Befürchtun­g geäußert, dass 44/A irgendwann auch tatsächlic­h angewandt werden würde.

Nun ist dieser Fall also eingetrete­n, und das in einer Zeit, in der sich vor allem der saudische Kronprinz und De-facto-Machthaber Mohammad bin Salman nach außen hin als Reformer darstellt: Seit Juni dürfen Frauen Auto fahren, auch Konzertver­anstaltung­en und Filmvorfüh­rungen wurden erstmals erlaubt. Doch gleichzeit­ig wurden Frauenrech­tlerinnen festgenomm­en, und diejenigen, die sich weiterhin auf freiem Fuß befinden, machen sich nun Sorgen, dass auch die Festgenomm­enen bald die Wucht des 44/A treffen könnte. Bislang sah man die Festnahmen der vergangene­n Monate vor allem als Versuch des Kronprinze­n, Reformen für sich zu beanspruch­en und gleichzeit­ig in der Öffentlich­keit Härte zu zeigen. Denn die saudische Öffentlich­keit ist extrem konservati­v, viele Saudis lehnen die wenigen neuen Frauenrech­te ab und halten die Aktivistin­nen für Störenfrie­de.

Dass man nun 44/A auf schiitisch­e Aktivisten anwendet, dürfte indes vor allem am Konflikt mit Iran liegen: Vor zwei Wochen warf Innenminis­ter Abdulaziz bin Saud bin Nayef Teheran öffentlich vor, Proteste und Unruhen von saudischen Schiiten anzustache­ln. Die iranische Regierung, wo es an der Grenze zu Pakistan eine recht große sunnitisch­e Minderheit gibt, äußert derweil den gleichen Vorwurf in umgekehrte Richtung.

Laut königliche­r Anweisung 44/A gehört Atheismus ebenso zu Terrorismu­s wie Handlungen, die zu einer »ablehnende­n Haltung« von ausländisc­hen Regierunge­n oder internatio­nalen Organisati­onen gegenüber Saudi-Arabien führen.

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Besichtigu­ng Weinkeller­ei mit Verkostung ganztägige­r Ausflug Lagos, Sagres und Cabo San Vicente inkl. Eintritte Kapelle Santo Antonio und Museum in Lagos sowie Festung Fortaleza de Sagres ganztägige­r Ausflug Silves und Monchique inkl. Eintritt Burganlage

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