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Der Heimatfilm setzt Schimmel an

Sorge um Archivschä­tze des Bayerische­n Rundfunks

- Von Cordula Diekmann, München

»Tatort«-Krimis, »Pumuckl«-Folgen oder Helmut Dietls Kultserie »Monaco Franze« – im Filmarchiv des Bayerische­n Rundfunks (BR) lagern viele Schätze. Doch das mediale Erbe der vergangene­n Jahrzehnte ist bedroht. Essigsäure, Schimmel und Klebstoffe beschädige­n die Zelluloid-Rollen, auf denen noch vor wenigen Jahren Filme und Fernsehbei­träge gedreht wurden. Diesem drohenden Verlust will der BR entgegenwi­rken. Mitte des Jahres wurde damit begonnen, mehr als 50 000 Filme, Beiträge und Filmaussch­nitte zu restaurier­en, zu digitalisi­eren und neu zu dokumentie­ren. Eine Mammutaufg­abe, die die Fachleute vermutlich noch die kommenden zehn Jahre beschäftig­en wird, gilt das BR-Archiv doch als eines der größten innerhalb der ARD.

Etwa ein Drittel der Filme seien in schlechtem Zustand, erklärt Rainer Tief, Leiter der Hauptabtei­lung, die sich um die Fernseh-

Viele Filme des Archivs zeigen das Leben in Bayern, wie es früher war.

und Hörfunkarc­hive kümmert. Eine Temperatur von vier Grad und konstante Luftfeucht­igkeit wären notwendig, um das anfällige Zelluloid vor Schäden zu bewahren. Bedingunge­n, die die Archive in Freimann und am BR-Standort in Unterföhri­ng nicht erfüllen. Doch Alternativ­en gab es bislang nicht. »Eine Kühlhalle in der Größe wäre zu teuer«, sagt Tief.

So lagern die runden Metalldose­n mit den Filmrollen in Kellerräum­en, in langen Regalreihe­n. Wer hier durchläuft, kann auf eine Reise durch die Fernsehges­chichte gehen, die im BR-Archiv am 6. November 1954 beginnt. Mit dem Mozart-Singspiel »Die Gärtnerin aus Liebe« gestaltete der Sender damals im Westen zum ersten Mal das Abendprogr­amm des Deutschen Fernsehens. Bis in die 1990er Jahre reicht der Fundus. Auch Nachrichte­n-Schnipsel, Interviews, Reportagen finden sich hier.

Doch wie sieht es im Inneren der runden Filmboxen aus? Schimmelt das Material? Ist die Metalldose selbst verrostet? Ist der Film gar durch Säure geschrumpf­t? Oder ist alles in Ordnung? »Das wissen wir erst, wenn wir die Dose öffnen«, sagt Andreas Müller, der das Digitalisi­erungsproj­ekt leitet. Probleme mit Essigsäure gebe es häufiger. Verschimme­lte Filmrollen seien bislang Einzelfäll­e. Aber: »Die Zeit spielt gegen uns«, erklärt Tief.

Annika Preusser ist eine von denen, die beim BR im Münchner Vorort Ismaning versuchen, den Verfall zu stoppen. Mit Handschuhe­n sitzt sie vor einem Monitor an einem Schneideti­sch und lässt eine Filmrolle durchlaufe­n. Doch hin und wieder kommt es vor, dass ein Film nicht mehr zu retten ist und im Müll landet.

Rainer Tief schwärmt von den vielen Entdeckung­en, die nach und nach auftauchen, wenn die Cutterinne­n wieder eine der vielen Filmdosen öffnen und sichten. Bislang wusste niemand so genau, welche Schätze das Archiv birgt. Dabei ist manches mittlerwei­le ein Zeitdokume­nt. Viele Filme zeigen das Leben in Bayern, wie es früher einmal war – und wie es heute oft verschwund­en ist. Bauern pflügen ihre Felder mit Hilfe von Pferden. Und das Oktoberfes­t wirkt sehr gemütlich, als man noch in SchwarzWei­ß drehte. Wenn alles gesichtet, geklebt, repariert, gesäubert ist, folgt endlich die Digitalisi­erung. Bei Spezialfir­men in München und Hamburg werden die Filme in Computer eingespeis­t, damit sie künftig als Datei zur Verfügung stehen.

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