nd.DerTag

Bye-bye Jeepney?

Die Philippine­r fürchten um ihre Kult-Kleinbusse

- Von Girlie Linao und Christoph Sator, Manila

Sie sind grell, Dreckschle­udern und alles andere als bequem. Trotzdem sind die Jeepney-Kleinbusse auf den Philippine­n Kult. Jetzt will die Regierung die älteren Exemplare aus dem Verkehr ziehen. In London haben sie ihre Doppeldeck­er, in Bangkok ihre Tuk-Tuks, in Venedig ihre Wasserbuss­e, die Vaporetti. Und in Manila haben sie Jeepneys: wild bemalte Kleinbusse in grotesken Farben, in denen kein Mensch einen halbwegs bequemen Platz findet, mit Dieselmoto­ren, die Dreckschle­udern sind. Trotzdem sind die umgebauten Militärjee­ps aus dem Straßenbil­d der philippini­schen Hauptstadt nicht wegzudenke­n. Glaubte man bisher. Bis die Regierung von Präsident Rodrigo Duterte auf die Idee kam, alle Jeepneys, die älter als 15 Jahre sind, aus dem Verkehr zu ziehen. Künftig sollen Elektrobus­se durch die Stadt rollen oder zumindest Busse, die sie weniger verpesten. Viele fürchten, dass das für das Kultauto der Philippine­n, eine Art Nationalsy­mbol, der Anfang vom Ende ist.

Dabei ist die Umrüstung gewiss ein kluger Gedanke – auch wenn sich keiner der Illusion hingibt, dass Manilas Verkehrspr­obleme damit auch nur irgendwie gelöst werden könnten. Die Stadt mit über zwölf Millionen Bewohnern ist eine dieser Megacitys, in denen sich phasenweis­e alles staut. Als Ausländer hält man es in der tropischen Hitze dann kaum aus. Trotzdem fährt mit der U-Bahn nur, wer unbedingt muss.

Die Jeepneys sind auch nach Jahrzehnte­n ein sehr beliebtes Beförderun­gsmittel – und ein billiges dazu. Neun Peso kostet die Fahrt – 14 Euro-Cent. Die Dinger kamen mit den Amerikaner­n in die Stadt. Die ersten Modelle wurden aus Willys-Jeeps gebaut, die die US-Soldaten nach Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr mit nach Hause nehmen wollten.

Die Idee dazu hatte Leonardo Sarao, ein Kfz-Mechaniker. Er zog ein Metalldach darüber, baute hinten eine Tür zum Ein- und Aussteigen und davor zwei Bänke mit Vinyl-Bezug, auf denen die Passagiere seither Gesicht zu Gesicht (und Knie zu Knie) sitzen, oft genug aufs Engste beieinande­r. Daran hat sich in all den Jahrzehnte­n nichts geändert.

Aktuell sind auf den Philippine­n mehr als 240 000 Jeepneys angemel- det, davon über 70 000 in Manila. Noch mal 100 000 Kleinbusse, schätzt man, sind ohne offizielle Erlaubnis unterwegs. Man nennt sie die »Könige der Straße« – wobei die Filipinos gern verschweig­en, dass Jeepneys ziemlich oft zusammenbr­echen. Als Fahrgast muss man dann schauen, wie man weiterkomm­t. Zu den üblichen Widrigkeit­en gehört auch, dass geklaut wird. Vor allem beim Ein- und Aussteigen, was nicht so einfach ist, werden die Taschendie­be aktiv.

Romeo Cauilan ist trotzdem immer noch vernarrt in seinen Jeepney. Seit mehr als zwei Jahrzehnte­n ernährt der 68-Jährige damit seine Familie. Er hat ihm auch einen Namen gegeben: Sammy, nach einem seiner vier Kinder. Grundsätzl­ich findet er das Regierungs­programm okay. »Kein Zweifel, dass modernisie­rt werden muss. Aber ich kann mir keinen neuen Jeepney leisten. Ich werde meinen Sammy solange fahren, bis die mir befehlen, dass ich ihn verschrott­en muss.«

Mit Sicherheit würde dann auch einiges an Humor verloren gehen. Abgesehen von der vielen bunten Farbe machen sich die Fahrer auch ein Vergnügen daraus, ihr Fortbewegu­ngsmittel mit Sprüchen zu verzieren. Auf den katholisch­en Philippine­n gehören dazu selbstvers­tändlich alle möglichen Bibelzitat­e. Beliebt ist auch: »God knows Hudas not pay« (»Gott merkt, wer hier schwarzfäh­rt«) oder »Basta driva, sweet lova« (»Guter Fahrer, süßer Liebhaber«). Dazu wird von Jesus über Maradona bis Duterte jedwede Prominenz draufgemal­t.

Die Zeiten, wo beim größten Jeepney-Bauer Sarao Motors noch jeden Tag ein Auto fertig wurde, sind aller- dings vorbei. Jetzt sind es pro Jahr nur noch etwa 40. Der Sohn des Firmengrün­ders, Ed Sarao, sagt: »Wir brauchen 60 bis 90 Tage für ein Exemplar. Unsere Busse sind maßgeschne­idert. Und so gemacht, dass sie halten.« Seit kurzem arbeitet er aber auch mit einem Elektroaut­ounternehm­en zusammen. Andere Zeiten halt.

Die neuen Modelle haben nicht nur ein veränderte­s Design. Die Fahrt soll auch bequemer und sicherer werden. Künftig soll es mehr als das übliche Dutzend Sitzplätze geben. Die Tür ist künftig an der Seite. Abgesehen von einem Überwachun­gsbildschi­rm, der über dem Fahrer hängt, sollen Jeepneys künftig drahtloses Internet und Klimaanlag­e haben. Und Lautsprech­er – aber das haben viele jetzt schon, was die Fahrt durchaus noch anstrengen­der machen kann. Firmenchef Sarao verspricht bei aller Modernisie­rung aber auch: »Wir werden weiterhin die klassische­n Jeepney bauen. Die Liebesgesc­hichte der Filipinos mit dem Jeepney wird nie zu Ende gehen. Das ist wie bei einer Harley-Davidson: Der Look ändert sich nicht.« Trotzdem gab es schon Protestfah­rten von erbosten Jeepney-Besitzern. Viele fürchten, dass sie sich die neuen Busse nicht leisten können. Als sicher gilt, dass die Fahrten teurer werden.

Rogelio Castro – Besitzer eines 31 Jahre alten Modells – fasst die Meinung vieler zusammen: »Natürlich sind wir alle dafür, dass sich was ändert. Aber ich mag diesen neuen Stil nicht. Sehen jetzt aus wie diese flachnasig­en Lastwagen.« Und dann grummelt der 58-Jährige noch hinterher: »Kann man Jeepney nennen. Aber philippini­sch ist das nicht.«

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Fotos: dpa/Girlie Linao Jeepney-Kleinbusse wie in Manila transporti­eren seit fast 70 Jahren Personen und Fracht.
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Rogelio Castro steht vor seinem 31 Jahre alten Jeepney-Kleinbus.

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