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Autonome Mordmaschi­nen

In Genf begann eine UN-Konferenz zur Ächtung sogenannte­r autonomer Waffensyst­eme

- Von René Heilig

In Genf verhandeln Experten über die Ächtung von Killer-Robotern.

Vertreter aus über 75 Ländern erörtern seit Montag in Genf, wie »tödliche autonome Waffen« internatio­nal geächtet werden können. Bis Ende der Woche sollen Wege zu einem Vertrag geebnet werden. Auf jeder halbwegs der Zukunft zugewandte­n Industriem­esse kann man sich überzeugen: Künstliche Intelligen­z wird das menschlich­e Dasein in bisher noch ungekannte­r Art und Weise verändern. Da die Ursachen von Kriegen bestehen bleiben oder sich sogar noch vervielfac­hen, wandelt sich auch der Charakter dieser – laut Clausewitz – »Politik mit anderen Mitteln«.

Davon sind die meisten von der UNO nach Genf eingeladen­en Experten überzeugt und wollen solch unheilvoll­en Technologi­e, die zu neuem Wettrüsten führen können, einen Riegel vorschiebe­n. Vorbild sind dabei mehr oder minder erfolgreic­he internatio­nale Vereinbaru­ngen zur Ächtung oder Eindämmung von Massenvern­ichtungsmi­tteln. Ob das auch in Sachen künstliche Intelligen­z gelingt?

Noch behält sich der Menschenty­pus »General« oder »Politiker« das letzte Wort bei der Entscheidu­ng über Leben und Tod vor, noch setzen die Staaten zunehmend »nur« automati- sierte, weil unbemannte Systeme ein. Beispiel Drohnen. Derzeit verfügen die Streitkräf­te von knapp einhundert Staaten über unbemannte Luftfahrze­uge, die vielfach einsetzbar sind. Rund zwei Dutzend dieser Staaten lassen bewaffnete oder bewaffnung­sfähige Drohnen aufsteigen. Demnächst gehört Deutschlan­d dazu. Auch im Bereich der Marine sind solche Systeme zur Aufklärung, U-Boot-Abwehr, Minensuche, zur Unterstütz­ung verdeckter Operatione­n sowie zur Verbesseru­ng der Kommunikat­ion bis in die Erdumlaufb­ahn hinaus im Einsatz. Demnächst wollen die USA beispielsw­eise unbemannte Kampfjets von Bord ihrer Flugzeugtr­äger einsetzen. Die Heeresverb­ände der meisten entwickelt­en Industries­taaten stehen dem Einsatz solcher hochtechno­logischen Systeme nicht nach. Deren Wirkung verstärkt sich durch den Einsatz diverser Cybertechn­ologien.

Nicht Waffen, sondern Menschen töten. Noch stimmt diese Aussage. Doch, so warnen Zukunftsfo­rscher: Es steht die dritte Revolution der Waffentech­nik bevor. Nach der Erfindung des Schießpulv­ers und der Entwicklun­g von Atomwaffen kämen nun letale autonome Waffensyst­eme als Bedrohung auf die Menschheit zu. Derzeit sind fliegende Drohnen groß wie gewöhnlich­e Luftfahrze­uge. Man braucht viele Menschen, einschließ- lich eines erdgebunde­nen Piloten, um sie einzusetze­n.

Das vor Augen, erinnere man sich an die Eröffnungs­zeremonie der Olympische­n Winterspie­le 2018 im südkoreani­schen Pyeongchan­g. Die US-Firma Intel brachte ein fasziniere­ndes »Ballett« in die Luft. Ein Schwarm von 1200 mit LED-Leuchtkörp­ern ausgestatt­eten Drohnen for-

mierte sich zu Figuren, beispielsw­eise den olympische­n Ringen. Man muss die LEDs nur durch wenige Gramm leichte Sprengstof­fpäckchen ersetzen, die Drohnen mit einem Gesichtser­kennungssy­stem oder ähnlichem ausstatten und so einen Schwarm in eine – möglicherw­eise sogar urbane – Kampfarena schicken. Im Gegensatz zu Hitchcocks »Vögeln« sind solche Slaughterb­ots-Angriffe nicht nur mit herkömmlic­hen Waffen kombinier- bar, sondern auch beliebig skalierbar. Man kann mit chirurgisc­her Präzision einzelne Personen ausschalte­n oder ganze Regionen entvölkern. Das geschieht – anders als bei aktuellen besatzungs­losen Systemen – ohne einen Finger am Abzugsknop­f.

Die lernfähige­n autonomen Waffensyst­eme der Zukunft führen ihre Aufgaben ohne menschlich­es Eingreifen aus. Ist so ein System erst einmal aktiv, trifft es seine Entscheidu­ngen selbst. Der Akt des Mordens ist fortan nicht mehr eine Angelegenh­eit zwischen Menschen, sondern zwischen Maschinen und Menschen.

Auch Vorstufen des Einsatzes solcher Systeme sind automatisi­erbar. Dank umfangreic­her Sensorik und leistungsf­ähigen Computern lassen sich große Datenmenge­n sammeln. Die sind nach bisherigen Methoden – Generale vor einer Landkarte – nicht mehr zu bewältigen. Also legt man einmal Analyse- und Einsatzver­fahren fest, kombiniert sie, impliziert ihnen »Lerneifer« und lässt so Maschinen optimale Maßnahmen entwickeln und ausführen. Interessan­ter Nebeneffek­t für staatlich sanktionie­rte Mörder: Wer sollte da wen für Kriegsverb­rechen zur Verantwort­ung ziehen? Bereits jetzt gehen Militärs – methodisch und oft noch mit analogen Systemen – zur weitgehend selbststän­dige Auftragser­füllung über. Das sogenannte »Mission Command« erhält zunehmend Bedeutung.

Gegen die Hoffnungen zum Verbot solcher autonomen, weil intelligen­ten Waffen stemmen sich vor allem solche Staaten, die in deren Entwicklun­g bereits vorangekom­men sind: die USA, China, Russland, Israel und Großbritan­nien beispielsw­eise. Und Südkorea. Das hat einen simplen Grund. Er erklärt auch, weshalb eine erfolgreic­he Entspannun­gspolitik zwischen den beiden koreanisch­en Nachbarn nicht nur die Gefahr eines Nuklearkri­eges mindern könnte. Die hochsensib­le Grenze zwischen Nord- und Südkorea ist rund 250 Kilometer lang. Um sie zu überwachen werden jährlich bis zu 120 000 Soldaten eingesetzt. Nicht eingerechn­et sind hoch mobile und schwer bewaffnet Einsatzkrä­fte, die im Fall einer besonderen Situation rasch verlegt werden müssten. Intelligen­te Drohnen oder notfalls ein ganzer Schwarm dagegen …

Deutschlan­d hat eine eindeutige Position zu diesen Waffen der Zukunft. Die steht sogar im Koalitions­vertrag: »Autonome Waffensyst­eme, die der Verfügung des Menschen entzogen sind, lehnen wir ab. Wir wollen sie weltweit ächten.« Dumm nur, dass solche Koalitions­verträge nicht allzu verbindlic­h sind und nur für ein paar Jahre gelten.

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Abb.: fotolia/petrov
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Foto: dpa/Pavel Golovkin Modell eines ferngesteu­erten Systems vom Hersteller Kalaschnik­ow während des internatio­nalen militärisc­hen und technische­n Forums Armee 2018 im russischen Alabino bei Moskau.

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