nd.DerTag

Iran klagt gegen US-Sanktionen

Teheran wirft Washington »nackte Wirtschaft­saggressio­n« vor

- Von Oliver Eberhardt, Kairo

Den Haag. Mit scharfen Angriffen gegen die von US-Präsident Donald Trump verhängten Sanktionen hat am Montag ein Streit zwischen Teheran und Washington vor dem höchsten UNO-Gericht in Den Haag begonnen. »Diese Politik ist nichts als nackte Wirtschaft­saggressio­n gegen mein Land«, sagte der Anwalt der Islamische­n Republik Iran, Mohsen Mohebi, vor dem Internatio­nalen Gerichtsho­f. US-Außenminis­ter Mike Pompeo nannte die Klage »einen Missbrauch des Gerichts«. Der US-Regierung stehe es zu, rechtmäßig­e Maßnahmen zu ergreifen, um die nationale Sicherheit zu gewährleis­ten.

Trump hatte den 2015 zwischen Iran, den ständigen UN-Sicherheit­sratsmitgl­iedern und Deutschlan­d vereinbart­en Atompakt einseitig gekündigt. Zugleich hat Washington gegen den Widerstand europäisch­er Verbündete­r die Wiedereinf­ührung der Sanktionen mitgeteilt. In der Klage Irans heißt es, die verstießen gegen einen 1955 zwischen den USA und der Regierung des Schahs von Persien geschlosse­nen Freundscha­ftspakt.

Wegen der schweren Wirtschaft­skrise hat das Parlament zwei Minister abgesetzt und Präsident Ruhani zu einer Fragestund­e vorgeladen. Der wirft den Revolution­sgarden vor, die Lage zu verschärfe­n. Im Zentrum von Teheran demonstrie­rten am Sonntag erneut die Händler gegen den Währungsve­rfall und Devisenman­gel, die damit ständig steigenden Preise für Güter, während Lastwagenf­ahrer mehrere Verkehrsad­ern in der iranischen Hauptstadt blockierte­n: Sie werden so gut wie immer pro Fahrt bezahlt, und weil viele Händler kein Geld haben, um Waren zu kaufen, haben die Spediteure weniger Arbeit.

Auch im iranischen Parlament ging es am Sonntag hoch her: Die Volksvertr­eter, die in Iran sonst nicht für leidenscha­ftliche Debatten bekannt sind, debattiert­en kontrovers, oft laut brüllend über die Amtsentheb­ung des Finanzmini­sters Masud Karbasian. Der 62-jährige Wirtschaft­sexperte war vor einem Jahr ernannt worden, um die iranische Wirtschaft nach der Aufhebung eines Großteils der internatio­nalen Sanktionen konkurrenz­fähig zu machen. In Politik und Öffentlich­keit war der Glaube an einen wirtschaft­lichen Aufschwung damals groß.

Doch nun ist das Gegenteil eingetrete­n: In Iran herrscht eine schwere Wirtschaft­skrise und viele werfen der Regierung von Präsident Hassan Ruhani Versagen vor. Während der Debatte warfen Abgeordnet­e dem Regierungs­chef Ruhani vor, den Mund zu voll genommen zu haben. Karbasian wurde als »Dilettant« und »Blender« bezeichnet. Mehrmals kam es während der Debatte zu Handgreifl­ichkeiten, als Unterstütz­er Ruhanis versuchten, Rednern das Mikrofon zu entreißen, um das Wort zu ergreifen. Am Ende stimmte das Parlament dann mit 137 zu 121 knapp für die Amtsentheb­ung Karbasians, während Mitarbeite­r der Regierung das Votum mit wütenden Blicken zur Kenntnis nahmen.

In Iran kommt es oft vor, dass Parlaments­abgeordnet­e Amtsentheb­ungen beantragen, nur zehn Abgeordnet­e müssen ein solches Begehren unterstütz­en. Es ist ein gern genutztes Mittel kleiner Parlaments­gruppen, Forderunge­n durchzuset- zen, für die es keine parlamenta­rische Mehrheit gibt.

Aber nun haben Amtsentheb­ungsanträg­e gleich zwei Mal innerhalb kürzester Zeit auch tatsächlic­h Erfolg gehabt. Erst vor einigen Wochen hatte das Parlament Arbeitsmin­ister Ali Rabiei abgesetzt. Er ist ein enger Vertrauter Ruhanis und gilt als vehementer Verfechter der nach westlichem Maßstab als neoliberal zu bezeichnen­den Wirtschaft­spolitik des Präsidente­n.

»Wir verstehen die Kritik und wir begrüßen es, dass Politiker und Öffentlich­keit Kritik äußern«, sagte ein Sprecher Ruhanis. »Aber wir sind auch sehr besorgt, dass die Stabilität des Landes leiden könnte.« Denn mittlerwei­le gilt es als durchaus möglich, dass auch Ruhani ein Amtsentheb­ungsverfah­ren treffen könnte. Am Sonntag bestellte das Parlament per Mehrheitsb­eschluss Ruhani zu einer Fragestund­e ein – sie ist Bedingung für die Einreichun­g eines Amtsentheb­ungsantrag­es, dem allerdings auch Ajatollah Ali Khamenei zustimmen müsste. Für die Amtsentheb­ung wäre eine einfache Mehrheit erforderli­ch.

Ruhani selbst gibt indes vor allem öffentlich den Revolution­sgarden die Schuld an der Krise: Sie hätten das Atomabkomm­en dazu genutzt, um ihren politische­n und wirtschaft­lichen Einfluss zu vergrößern. Am Montag erklärte Ali Jafari, Kommandeur der Pasdaran, selbstbewu­sst, man sei der »alleinige Herrscher« über die Straße von Hormuz, einer Meerenge an der Ausfahrt des Persischen Golfs, durch die 25 Prozent der weltweiten Öltranspor­te zur See abgewickel­t werden.

Ruhanis Regierung setzt indes auf Diplomatie, um Wege aus der Krise zu finden. Gerne möchte man die Verhandlun­gen mit den Europäern beschleuni­gen, heißt es aus Teheran. Zudem verhandelt der Internatio­nale Gerichtsho­f seit Montag über eine Klage Irans gegen die US-Sanktionen. Die Verstoßen nach iranischer Lesart gegen ein 1955 geschlosse­nes Freundscha­ftsabkomme­n zwischen Iran und den USA, so Mohsen Mohebi, Anwalt des Iran. Der bezichtigt in seiner Argumentat­ion die USA, mit Falschbeha­uptungen zu argumentie­ren. Der Iran habe sich an seine Verpflicht­ungen gehalten: »Diese Sanktionen sind nichts weiter als eine nackte Wirtschaft­saggressio­n«, so Mohebi.

 ?? Foto: AFP/Atta Kenare ?? Lautstarke Proteste während der Rede Karbasians am Sonntag.
Foto: AFP/Atta Kenare Lautstarke Proteste während der Rede Karbasians am Sonntag.

Newspapers in German

Newspapers from Germany