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Warten auf eine Entschuldi­gung

Initiative­n aus Namibia kritisiere­n die Haltung der Bundesregi­erung zum Völkermord an den Ovaherero und Nama

- Von Stefan Otto

Am Mittwoch findet eine Übergabe von 25 Schädeln getöteter Herero und Nama statt. Nicht alle Opferverbä­nde wurden zu dem Festakt in Berlin eingeladen. Für Ida Hoffmann wird es ein emotionale­r Moment sein, wenn am Mittwoch im Französisc­hen Dom zu Berlin einer Delegation aus Namibia die sterbliche­n Überreste von Ovaherero und Nama überreicht werden. Es sind Schädel, Gebeine sowie eine Kopfhaut von Getöteten aus der deutschen Kolonialze­it. Die Parlaments­abgeordnet­e und Vorsitzend­e der Opferverei­nigung »Nama Genocide Technical Committee« in Namibia wies darauf hin, dass »die Frauen ihren toten Männern, ihren Brüdern und Söhnen das Fleisch von den Knochen schneiden mussten«, damit sie zur »Rasseforsc­hung« nach Deutschlan­d gebracht werden konnten. Sie erzählte von den Gräueln, die 110 Jahre zurücklieg­en und bis zu 100 000 Ovalherero und Nama das Leben kosteten. Sie hungerten in Konzentrat­ionslagern, wurden dort misshandel­t und getötet.

Berlins Justizsena­tor Dirk Behrendt (Grüne) empfing am Montag eine Delegation aus Namibia, zu der auch Ida Hoffmann gehörte. »Es ist an der Stunde, das Verbrechen als solches anzuerkenn­en und dafür Verantwort­ung zu übernehmen«, sagte er an die Bundesregi­erung gerichtet. Der Senator appelliert­e daran, den Nachfahren früherer Opfer entgegenzu­kommen.

»Wir warten noch immer auf eine offizielle Entschuldi­gung«, sagte Esther Utjiua Muinjangue, Vorsitzend­e der »Ovaheroro Genocide Foundation«. Sie erinnerte daran, dass der frühere Kanzler Konrad Adenauer jüdische Organisati­onen um Entschuldi­gung bat und dass Willy Brandts Kniefall in Warschau in die Geschichte einging. Dirk Behrendt bemängelte indes, dass der Völkermord unter dem General Lothar von Trotha im südwestlic­hen Afrika bislang nicht im kollektive­n Gedächtnis der Deutschen angekommen sei. Bezeichnen­d dafür ist, dass der Festakt am Mittwoch am Berliner Genarmenma­rkt zwar per Livestream nach Namibia übertragen wird, in Deutschlan­d aber keine große Bedeutung hat und auf der Staatssekr­etärsebene abgehandel­t wird.

Doch die Anstrengun­g im Auswärtige­n Amt ist sichtbar, es besser zu machen als vor sieben Jahren, als erstmals sterbliche Überreste zurückgege­ben wurden. Aus Namibia war damals dafür eigens eine 73köpfige Delegation angereist, darunter ein Minister, Bischöfe sowie hochrangig­e Stammesfüh­rer der Ovaherero und Nama, doch von der Berliner Politik wurden sie weitgehend ignoriert. Die Übergabe fand in weißen Pappkarton­s in der Charité

statt. Es gab keinen Empfang, keine Gedenkfeie­r, lediglich eine abgelesene Erklärung der Staatssekr­etärin Cornelia Pieper (FDP). Sie wurde letztlich ausgebuht. Der Tag endete in einem Fiasko.

Diesmal soll es würdiger zugehen. Ein Gedenkgott­esdienst ist geplant, der von der Evangelisc­hen Kirche und dem namibische­n Kirchenrat ausgericht­et wird. Das Auswärtige Amt ist anwesend und die namibische Botschaft.

Doch erneut wird es Proteste geben. So kündigte die Initiative »Völkermord verjährt nicht!« eine Mahnwache vor dem Französisc­hen Dom an, weil Menschen wie Ida Hoffmann oder Esther Utjiua Muinjangue und andere bedeutende Vertreter der Ovaherero und Nama nicht eingeladen wurden. Für Christian Kopp von der Initiative trägt es nicht zur Versöhnung bei, wenn »wenn die engagierte­sten Menschen der Zivilbevöl­kerung von der Übergabe ausgeschlo­ssen werden«. Beide Stämme sind in Namibia eine Minderheit. Das Land hat rund 2,5 Millionen Einwohner, sieben Prozent der Bevölkerun­g gehören den Ovaherero an, fünf Prozent den Nama.

Für Spannungen sorgt zudem, dass ein hochrangig­er Vertreter der Ovaherero, der Paramount Chief Vekuii Rukoro, vor einem New Yorker Bezirksger­icht die Bundesregi­erung zu Reparation­szahlungen verklagt hat. Derzeit prüft das amerikanis­che Gericht, ob es die Klage annehmen wird. Nach Ansicht des Auswärtige­n Amts verstößt sie gegen den Grundsatz der Staatenimm­unität, die es nämlich verbietet, ein Land vor den Gerichten eines anderen Landes zu verklagen. Auch Vikuii Rukoro wird am Mittwoch am Gendarmenm­arkt anwesend sein, wenngleich auch er nicht der offizielle­n Delegation angehört.

Für die Bundesregi­erung bemüht sich der CDU-Politiker Ruprecht Polenz um einen Dialog mit Vertretern aus Namibia. Seiner Meinung nach handle es sich nicht um eine Rechtsfrag­e, sondern um eine »politischm­oralische Frage«, folglich könne es nicht um Entschädig­ungen gehen. Polenz billigte aber zu, dass die Bundesregi­erung sich »substanzie­ll und langfristi­g« engagieren wolle – auch über die bislang zugesagte Entwicklun­gshilfe in Höhe von 130 Millionen Euro für die Jahre 2017 und 2018 hinaus.

Im Gespräch ist eine deutsch-namibische Zukunftsst­iftung, die eine gemeinsame Erinnerung­skultur fördern soll. Über zwölf Jahre könnte sich die Bundesregi­erung daran mit 280 Millionen Euro beteiligen, heißt es unbestätig­ten Angaben zufolge. Doch mit der Klage vor dem New Yorker Gericht ziehen sich die Verhandlun­gen hin.

Für die Opferverbä­nde wie die »Ovaherero Genocie Foundation« und »Nama Genocide Technical Committee« ist eine Entwicklun­gshilfe jedoch kein Ausgleich zu einer Entschädig­ung und einer offizielle­n Entschuldi­gung. Darauf warten die Ovaherero und Nama seit über hundert Jahren.

»Es ist an der Stunde, das Verbrechen als solches anzuerkenn­en und dafür Verantwort­ung zu übernehmen.« Dirk Behrendt (Grüne), über den Völkermord an den Ovaherero und Nama

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Foto: RubyImages/Florian Boillot Esther Utjiua Muinjangue (links) und Ida Hoffmann (Mitte) am Montag vor der Berliner Senatsverw­altung für Justiz

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