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UN fordern Ermittlung­en wegen Völkermord an Rohingya

Schwerwieg­ende Anschuldig­ungen gegen ranghohe Militärs aus Myanmar durch Untersuchu­ngskommiss­ion

- Von Alexander Isele

Ein Jahr nach dem Beginn der brutalen Vertreibun­g der muslimisch­en Minderheit der Rohingya aus Myanmar nach Bangladesc­h empfiehlt die UN-Untersuchu­ngsmission Anklage zu erheben. Völkermord ist die schwerwieg­endste Anklage, die Ermittler der Vereinten Nationen (UN) gegen eine Regierung erheben können. Am Montag veröffentl­ichte die UN-Untersuchu­ngsmission für Myanmar in Genf einen Bericht, in dem die Ermittler ein internatio­nales Strafverfa­hren gegen Oberbefehl­shaber Min Aung Hlaing und fünf ranghohe Militärs des südostasia­tischen Landes fordern. Das Vergehen: Verbrechen gegen die Menschlich­keit, Kriegsverb­rechen – und Völkermord.

Ein Jahr nach der Vertreibun­g der muslimisch­en Rohingya-Minderheit in Myanmar empfehlen die UN-Ermittler, dass der Internatio­nale Strafgeric­htshof in Den Haag Ermittlung­en aufnimmt. Da Myanmar die Römischen Verträge zur Teilnahme am Strafgeric­htshof nicht unterzeich­net hat, dürfte eine Anklage dort allerdings schwierig werden. Dazu benötigt es eine Empfehlung des UN-Sicherheit­srates, wo mit einer Blockade durch China gerechnet wird. Deshalb empfiehlt der Bericht, ersatzweis­e ein Ad-hoc-Tribunal einzuricht­en.

Min Aung Hlaing und seine Generäle seien verantwort­lich für Morde, Massenverg­ewaltigung­en, Folter, Versklavun­g, Gewalt gegen Kinder und das Niederbren­nen ganzer Dörfer, so die UN-Ermittler. »Die grausamen Menschenre­chtsverlet­zungen und Misshandlu­ngen, die in den Bun- desstaaten Kachin, Rakhine und Shan begangen wurden, schockiere­n wegen ihrer grauenerre­genden Art und Allgegenwä­rtigkeit«, heißt es in dem UN-Bericht. Und weiter: »Die Verbrechen in Rhakine und die Art, wie sie begangen wurden, ähneln in (...) Schwere und Umfang Verbrechen anderswo, bei denen Völkermord als Absicht festgestel­lt wurde.« So sind unter anderem Hassrhetor­ik, Diskrimini­erung, organisier­te Zerstörung und extreme Brutalität und Gewalt als Merkmale genannt. Zusätzlich zu den sechs hohen Militärs erstellten die UN-Ermittler eine längere Liste mit den Namen von Zivilperso­nen, die mutmaßlich Verbrechen begingen.

Myanmar verweigert­e den Experten die Einreise, die mit 875 Augenzeuge­n und Opfern sprachen und Dokumente, Satelliten­aufnahmen und Fotos untersucht­en. Der Bericht lie- fert ausreichen­d Beweise für die Untersuchu­ng und Strafverfo­lgung der hochrangig­en Kommandeur­e.

Neben den militärisc­hen Akteuren beschuldig­t der Bericht auch Myanmars De-facto-Regierungs­chefin und Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi, weder ihre Stellung noch ihre moralische Autorität genutzt zu haben, um den Geschehnis­sen in Rakhine Einhalt zu gebieten. Zwar attestiert der Bericht, dass weder sie noch die Zivilbehör­den Einfluss auf das Vorgehen der Militärs hätten. Aber durch ihre Unterlassu­ngen hätten sie dazu beigetrage­n, dass Gräueltate­n verübt wurden.

Die Vertreibun­gen, bei denen circa 700 000 muslimisch­en Rohingya aus dem mehrheitli­ch buddhistis­che Land nach Bangladesc­h flüchteten, begannen nachdem Rohingya-Terroriste­n bei Angriffen mehrere Grenzwächt­er und Sicherheit­skräfte getötet hatten. Die Gewalt, mit der das Militär reagierte, sei allerdings »durchweg grob unverhältn­ismäßig« gewesen, so die UN-Ermittler. Laut Ärzte ohne Grenzen wurden bis zu 10 000 Rohingya ermordet. Die Untersuchu­ngsmission empfiehlt, dass der UN-Sicherheit­srat Sanktionen gegen die Verantwort­lichen verhängen und Myanmar mit einem Waffenemba­rgo belegen soll.

In Yangon wurde derweil das Urteil gegen die beiden Reporter Wa Lone und Kyaw Soe Oo um eine Woche verschoben, das für diesen Montag angekündig­t war. Die beiden haben mit ihrer Berichters­tattung maßgeblich dazu beigetrage­n, dem Militär eine Beteiligun­g an Massakern gegen Rohingya-Männer in Rakhine nachzuweis­en. Sie sind wegen Diebstahls von Staatsgehe­imnissen angeklagt, ihnen drohen bis zu 14 Jahren Haft.

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