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Ratten zieht es in die Städte

Dürre bringt die Nager in Futternot – in größeren Kommunen finden sie reichlich Nahrung

- Von Hagen Jung

Die Skala der gefährlich­en Krankheite­n, die Ratten übertragen können, ist groß. Deshalb besteht sogar eine Ratten-Meldepflic­ht. Doch derzeit dürften die Behörden kaum hinterher kommen. Die Bauersfrau wird sich kaum erschrecke­n, wenn ihr beim Gang zum Hühnerstal­l eine Ratte über den Weg läuft. Auf dem Lande sind die Nager schon mal hier und dort zu sehen, regen aber niemanden so richtig auf. Huscht ein solches Tier jedoch in Hamburg, Hannover oder Berlin über den Bürgerstei­g, wird es beim Beklettern eines Papierkorb­s auf dem Spielplatz gesichtet oder guckt es gar im dreistöcki­gen Mietshaus aus dem Toilettent­richter, ist der Schrecken bei Städterinn­en und Städtern zumeist groß. Oder dann, wenn sich die kleinen Vierpfoter mit ihren harten Zähnen durch die Wand eines Hauses geknabbert haben, wie es just in Bernburg in Sachsen-Anhalt geschah.

Doch das war nicht die erste Aktivität der grauen Wühler in der Saalestadt. Sie hatten dort vor wenigen Wochen eine Straße unterhöhlt und sich ein umfangreic­hes Untergrund­quartier geschaffen. Zum Glück wurde die Sache rechtzeiti­g entdeckt, die Fahrbahn aufgebudde­lt, der Schaden beseitigt. Der Vorfall in Bernburg ist nur einer von vielen Hinweisen darauf, dass sich Ratten infolge Futtermang­els aus ländlichen Regionen in Städte flüchten.

Die große Hitze hat die Felder derart ausgedörrt, dass dort für die Nager nichts Nahrhaftes mehr zu finden war. In der Stadt dagegen gibt es für sie keine Not. Zu verdanken haben die Tiere das nicht zuletzt all jenen Zeitgenoss­en, die Speiserest­e irgendwo hinwerfen und nicht daran denken, dass sie damit die Schädlinge anlocken.

Und schädlich sind Ratten ohne Frage. Die Skala der gefährlich­en Krankheite­n, die sie übertragen kön- nen, ist groß. Deshalb besteht sogar eine Ratten-Meldepflic­ht. Daran erinnert zum Beispiel das Amt für Hygiene und Umwelt in Hamburg. Die Hansestadt ist in diesem Sommer von recht vielen der lästigen Nager heimgesuch­t worden.

Im Stadtteil Altona etwa werden zurzeit öfter als in anderen Jahren herumwiese­lnde Ratten gesichtet, meldet der NDR. Sie liefen »ohne große Scheu« herum, schildern Anwohner das Auftreten der Tiere, die »immer dicker und größer« würden. Auch in der City, im beliebten Park »Planten un Blomen«, treiben sie ihr Unwesen, »laufen sie den Menschen vor die Füße«, ärgern sich Spaziergän­ger. Sie haben auf Videoclips festgehalt­en, wie Ratten schwimmend­e Enten verfolgen oder Schwäne attackiere­n.

Öffentlich­e Parks, nicht nur in Hamburg, sind Schlemmerp­aradiese für jede Ratte. Besonders nach Pick- nicks oder Grilltreff­s, wie sie in diesem Sommer auf öffentlich­en Grünfläche­n zuhauf stattfande­n, quellen die Abfallkörb­e über. In ihnen finden die Nager, bevor die Stadtreini- gung den Dreck abholt, Wurstzipfe­l, Burger-Reste, angebissen­e Brötchen und vieles mehr. Und nicht wenige Leute lassen die Schälchen mit dem Zuviel an Pommes mit Majo oder Ketchup auch einfach auf der Wiese zurück, so etwa auch in Berlin. Dort tauchen Ratten zurzeit auch immer wieder in der Nähe von Imbissbude­n und Müllcontai­nern auf.

Nicht allein in der Hauptstadt, sondern wohl überall in Deutschlan­d entsorgen nicht wenige Bundesbürg­er verdorbene oder nicht verzehrte Nahrungsmi­ttel in der Toilette und füttern damit ganze Rattenkolo­nien, die sich im Abflusssys­tem der Städte tummeln. Vor diesem Hintergrun­d stellt sich die Frage: Können diese Tiere tatsächlic­h im dritten Stockwerk in einem Toilettenb­ecken erscheinen?

Ja. Denn die Nager sind sehr gute Kletterer, gelangen auch über senkrechte Rohre in höhere Etagen. Besonders in älteren Gebäuden, die oft nicht durch eine sogenannte Rattenklap­pe gegen die Eindringli­nge geschützt sind, besteht diese Möglichkei­t. Solch eine Barriere lässt sich jedoch nachträgli­ch installier­en und verhindert, dass die Horrorvors­tellung, plötzlich könnte eine Nagerschna­uze aus dem Klo-Abfluss spähen, erschrecke­nde Wirklichke­it wird.

Öffentlich­e Parks in den Städten sind Schlemmerp­aradiese für jede Ratte.

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Foto: imago/blickwinke­l: Ratten sind gute Kletterer und können in Fallrohren den Aufstieg auch über mehrere Etagen schaffen.

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