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Mut zum Risiko

Die Salzburger Festspiele glänzten in diesem Jahr mit ihrem Opernprogr­amm

- Von Joachim Lange

Allein mit der Zahl der Produktion­en, die im Großen Festspielh­aus, dem Haus für Mozart und der Felsenreit­schule während nur eines reichliche­n Festspiel-Monats auf die Bühne kamen, können selbst große Häuser kaum mithalten. Dazu kam noch die Schauspiel- und Konzert-Schiene des Nobelfesti­vals. Rechnet man die eine Rossini-Übernahme von Cecilia Bartolis Pfingstfes­tival und die konzertant­e Aufführung von Gottfried von Einems »Der Prozeß« mit, dann waren es sieben Opern, die während des Festivals in Salzburg gezeigt wurden!

Dabei hat Festspieli­ntendant Markus Hinterhäus­er weniger mit der Auswahl der Werke und Dirigenten (meist für die Wiener Philharmon­iker), dafür aber in diesem Jahr bei den Regisseure­n Mut zum Risiko bewiesen. Das hat sich nicht nur bei Hans Neuenfels und seiner »Piqué Dame«, sondern auch bei Krzysztof Warlikowsk­i mit Hans Werner Henzes »Bassariden« und bei Jan Lauwers mit Monteverdi­s »L’incoronazi­one di Poppea« gelohnt. Im Falle von Romeo Castellucc­is »Salome« sorgte das für die (auch im Fernsehen übertragen­e) Festspiels­ensation. Dabei bewährten sich nicht nur Franz Welser-Möst als genau der Richtige am Pult des Wiener Spitzenorc­hesters und der manchmal kryptische Regisseur Romeo Castellucc­i mit seiner Symbolspra­che. Auch die Sängerin der Titelparti­e Asmik Grigorians war eine Entdeckung – wie zuletzt Anna Netrebko vor zwölf Jahren.

Dass ausgerechn­et die neue »Zauberflöt­e« aus der Reihe tanzte, lässt sich verschmerz­en! Doch der MozartDaue­rbrenner hat genügend Fans, denen es ganz egal ist, in welcher äußeren Form sie daherkommt. Die vor allem beim Bühnenbild an nichts sparende Inszenieru­ng von Lydia Steier offenbart gleichwohl im Großen Festspielh­aus die Schwächen dieser Melange aus kinderkomp­atiblem Zirkuszaub­er für’s Vorstadtpu­blikum, Freimaurer­kult und Texten, denen man besser nicht allzu genau zuhört. Da hilft es auch nicht, aus dem übergriffi­gen, schwarzen Monostatos, einen weißen Diener zu machen. Oder die gesprochen­en Dialoge in eine Märchenbuc­h-Variante zu verwandeln, die Klaus Maria Brandauer als Großvater den drei Knaben in genau diesem Es-war-einmal-Tonfall vorliest. Wobei sich das Familien- und Dienstpers­onal eines großbürger­lichen Wiener Hauses anno 1913, so wie die drei Enkel-Buben alsbald ins Personal der Oper verwandeln. Der Bezug zum Vorkriegsj­ahr ist interes-

Dafür gibt es einen Monteverdi (dessen musikalisc­he Qualität durch William Christie, seine AlteMusik Virtuosen von Les Arts Florisants und ein referenzve­rdächtiges Protagonis­ten Ensemble garantiert wurde) von einer selten erlebten Sinnlichke­it. Beim Aufstieg der ehrgeizige­n Kurtisane Poppea zur Kaiserin an Neros Seite entfaltet der flämischen Allrounder und Opernneuli­ng Lauwers mit 17 Tänzer, die das Geschehen in Bewegung und lebende Bilder übersetzen, eine Opulenz, bei denen die Zustände wie im Alten Rom unmittelba­r nachvollzi­ehbar werden.

Diese Mischung aus musikalisc­hem Glanz und szenischer Sinnlichke­it gelingt auch Kent Nagano und Warlikowsk­y mit Henzes »Bassariden«. Diesem Frontalang­riff des Gottes der Sinnlichke­it Dionysos auf die Bastionen des Gezügelten wird hier zwar eher eine psychologi­erenden Selbsterfo­rschung, die mit Bildern sexueller Enthemmung spielt, aber die Verführbar­keit der Massen durch Demagogen wird in ihrer blutigen Konsequenz (die Mutter zerfleisch­t im Rausch den eigenen Sohn, weil sie ihn für einen Löwen hält) zur packend assoziiert­en Warnung. Wie geeignet Oper dafür ist, ließ sich in Salzburg diesmal im mehreren Varianten überzeugen­d nachprüfen.

Bis 30. August. salzburger­festspiele.at

 ?? Foto: Salzburger Festspiele/Erika Mayer ?? Oper für Kinder: Gürkan Gider als Monostatos in Mozarts »Zauberflöt­e«
Foto: Salzburger Festspiele/Erika Mayer Oper für Kinder: Gürkan Gider als Monostatos in Mozarts »Zauberflöt­e«

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